"Verbrannt in weniger als einer Stunde"

Von Eva Pfister · 29.06.2013
Während der Uraufführung von Shakespeares Drama "All is true" am 29. Juni 1613 in London fing die Kulisse des Globe-Theaters Feuer. Menschen kamen nicht zu Schaden, das Schauspielhaus brannte aber völlig aus. Kaum wiederaufgebaut, wurde es von wenig wohlmeinenden Puritanern auch schon wieder geschlossen.
Das Theatervergnügen währte nicht lange an jenem 29. Juni 1613 in London. Im Globe gab man das Stück "All is True" – "Alles ist wahr" -, das später den Titel "Die berühmte Geschichte des Lebens von König Heinrich dem Achten" erhalten wird. Im ersten Akt besucht der König einen Maskenball, dort wird er sich in Anne Boleyn verlieben. Aber das erfuhren die Zuschauer nicht mehr, denn, wie ein Zeitzeuge berichtete:

"Als König Heinrich maskiert im Hause des Kardinals Wolsey eintraf und Salutschüsse abgefeuert wurden, landete etwas von dem Papier oder anderem Zeug, mit dem eine der kleinen Kanonen gestopft war, auf dem Strohdach. Das ganze Haus verbrannte in weniger als einer Stunde bis auf den Grund. Das war das schicksalhafte Ende dieses großartigen Gebäudes, in dem dennoch nichts umkam außer Holz und Stroh und ein paar zurückgelassenen Mänteln. Nur bei einem Mann fingen die Hosen Feuer, und sie hätten ihn wohl versengt, wenn er sie nicht dank seiner Geistesgegenwart mit Flaschenbier gelöscht hätte."
Das Globe-Theatre war ein vieleckiger Fachwerkbau mit einem Dach aus Schilfrohr und bot bis zu 3000 Zuschauern Platz. Um einen offenen Innenhof mit Bühnenpodest zogen sich drei Galerien. Ein hölzernes O nannte es William Shakespeare im Prolog zum Drama über Heinrich V., mit dem das Globe 1599 eröffnet worden war. Shakespeare war Schauspieler, Autor und Miteigentümer des Theaters in dem anrüchigen Viertel auf der Südseite der Themse.

"Der Stadtteil, in dem das Globe damals stand, war voll von Bordellen. Gaukler traten auf, wilde Tiere wurden aufeinander gehetzt. Es war eine Gegend, in die sich kein Puritaner verirrte."

So Mark Rylance, der erste Direktor des rekonstruierten Globes, das heute eine Touristenattraktion ist. Zu Shakespeares Zeiten kamen zwar keine puritanischen Tugendwächter, aber doch viele Adlige in das verrufene Viertel und sahen sich das Spektakel von der Galerie aus an. Im Parterre, wo ein Stehplatz nur einen Penny kostete, aß man Nüsse und Knoblauchbrot, Händler und Prostituierte waren auf Kundenfang. Auf der Bühne musste also einiges los sein, um dieses Publikum zu fesseln. Deshalb wechseln in Shakespeares Dramen poetische Dialogpassagen mit Fechtszenen oder derben Clownerien ab. Im Historiendrama über Heinrich VIII. gab es vor allem viel zum Staunen: Prächtige Kostüme und feierliche Umzüge. Sir Henry Wotton, dem wir auch die Beschreibung des Brandes verdanken, machte sich über den Prunk lustig:

"Es wurde mit außerordentlichem Aufwand aufgeführt, mit Glanz und Hoheit bis hin zu den Matten, mit denen die Bühne ausgelegt war: Die Ordensritter mit ihren Sankt Georgs-Abzeichen und Hosenbändern, die Wachen mit ihren bestickten Röcken und ähnliches mehr. In der Tat genug, um mit der Zeit Größe gewöhnlich zu machen, wenn nicht lächerlich."

"The Famous History of The Life of King Henry VIII" ist ein Stück ohne starke Charaktere und dramatische Entwicklungen. Möglicherweise war das späte Werk, an dem Shakespeares Kollege John Fletcher mitgeschrieben hat, ein Auftragsfestspiel für eine Adelshochzeit. Es handelt von der Scheidung Heinrich VIII. und seiner Vermählung mit Anne Boleyn. Zum Ende freut sich der König über sein neu geborenes Töchterchen Elisabeth, - obwohl der fehlende männliche Thronfolger doch der Grund war, sich von seiner ersten Frau zu trennen. Im Grunde ist "Heinrich der Achte" ein Drama zum Nachruhm von Königin Elisabeth der Ersten, die bis zu ihrem Tod 1603 eine wichtige Gönnerin von Shakespeares Theatertruppe war.
Ein Jahr nach dem Brand war das Globe Theatre schon wieder aufgebaut, diesmal mit einem feuerfesten Ziegeldach. 1642 wurde es jedoch – wie alle anderen Vergnügungsstätten – von den Puritanern geschlossen. Seit 1997 steht aber am Südufer der Themse eine Rekonstruktion des elisabethanischen Baus. "Shakespeare’s Globe" ist ganz dem Werk des großen Dramatikers gewidmet, wie Regisseur Richard Olivier betont:

"Das Globe-Theatre ist ein Labor. Hier kann man sich mit Shakespeares Stücken in genau dem Rahmen auseinandersetzen, für den er sie damals geschrieben hat."

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