V für Victory

Von Ruth Rach · 14.11.2012
Heute ist die BBC ein riesiger Medienbetrieb mit Dutzenden von Radio und Fernsehprogrammen, die digital, terrestrisch, über Satellit und online empfangen werden können. Am 14. November 1922 strahlte sie ihr erstes Nachrichtenprogramm aus.
Der Sender hat vier Mitarbeiter und ein kleines Studio, zunächst im obersten Stock des Marconi House am "Strand" im Herzen von London, später auf dem Dach des Edelkaufhauses Selfridges in der Oxford Street. Die ersten Programme dauern eine Stunde am Tag, alle sieben Minuten kommt eine kleine Pause. Die "British Broadcasting Company": Vier Jahre nach ihrer Gründung wird sie in "British Broadcasting Corporation" umbenannt.

"This is 2LO, the London station of the British Broadcasting Company calling, 2LO calling.”"

Hier ist "Two-LO", verkündet ihr erster Nachrichtensprecher, Programmdirektor Arthur Burrows am 14. November 1922. "Two LO" bezieht sich auf die vom Postamt ausgestellte Sendelizenz, mit der das Programm anfänglich finanziert wird. Burrows trägt jedes Bulletin zweimal vor: einmal schnell, einmal langsam – dann fragt er die Hörer, welche Version ihnen lieber ist.
Der erste Generaldirektor, John Reith, formuliert ein Mantra, das bis heute regelmäßig beschworen wird: Die Programme der BBC sollen die Menschen informieren, bilden und unterhalten. Frei von Werbung. Durch Rundfunkgebühren finanziert. Und unabhängig von der Regierung:

""Der Rundfunk ist ein Instrument von unschätzbarem Wert im gesellschaftlichen und politischen Leben der Gemeinschaft, auf nationaler und internationaler Ebene."

Ab 1932 werden auch die britischen Kolonien und Commonwealthstaaten mit Informationen versorgt. Der sogenannte "Empire Service" wird zum "External Service" und später zum Auslandsdienst "BBC World Service" ausgeweitet, der heute in mehr als 30 Sprachen sendet. Besondere Bedeutung erlangt das Deutsche Programm in den Kriegsjahren. Der German Service, in dem auch bekannte Exilanten zu Wort kommen, unter ihnen Thomas Mann, will die Propaganda des NS-Regimes in Deutschland entlarven.

"Hier ist England, hier ist England. Zunächst die Nachrichten in Schlagzeilen."

Die Paukenschläge, die an die Anfangstakte von Beethovens 5. Symphonie erinnern, sind das Morsezeichen für den Buchstaben V für 'Victory'.

Im Nachkriegsdeutschland wird die BBC Vorbild für den Aufbau eines vom Staat unabhängigen öffentlichen Rundfunksystems. Auch andere Länder nehmen sich die BBC zum Modell – sie gilt als Markenzeichen für zuverlässige Berichterstattung, transparente Quellen, höchste Qualität. Das BBC Fernsehen, nach seiner Gründung im Jahr 1936 eher ein Stiefkind, erlebt erst im Jahr 1953 seinen großen Durchbruch: Die Krönung von Königin Elisabeth II. wird live übertragen. Zum ersten Mal gibt es mehr Zuschauer als Zuhörer.

Heute ist die Dominanz des BBC-Fernsehens unbestritten. Gegenüber dem Hörfunk und auch den privaten Fernsehkanälen. Wer statt BBC nur ITV oder nur Channel 4 einschaltet, ist verärgert, dass er trotzdem BBC-Gebühren bezahlen muss, immerhin satte 145,50 Pfund im Jahr. Andere wiederum monieren, dass die BBC ihren ursprünglichen Auftrag vernachlässigt und zu viel Unterhaltung sendet.

Die BBC hatte immer schon ein existenzielles Dilemma, betont BBC Moderator Michael Burke bei einer aktuellen Diskussion über die Zukunft der BBC.

"Um ihre Existenz zu rechtfertigen, muss sie hochwertige Programme herstellen, die der freie Markt nicht produziert – das macht sie quasi elitär. Gleichzeitig aber sollen ihre Programme alle ansprechen, um die Gebühren zu rechtfertigen, mit denen sie finanziert werden."

Früher als andere öffentliche Anstalten Europas erkennt die BBC den Stellenwert technologischer Neuerungen und stärkt damit ihre marktführende Position. Besonders erfolgreich: die BBC-Internetpräsenz, ihre Audio-on-Demand-Dienste sowie das kommerzielle Tochterunternehmen BBC Worldwide, das weltweit Programminhalte vermarktet.

Dennoch muss auch die BBC drastisch sparen. Das legendäre Bush House hat geschlossen, der World Service ist zum Inlandsdienst ins Broadcasting House umgezogen und wird künftig nicht mehr vom Foreign Office, sondern über die Rundfunkgebühren finanziert. Die meisten europäischen Sprachendienste gibt es schon lange nicht mehr. Auch der BBC German Service, bei dem so viele deutsche Journalisten ihr Handwerk erlernten, ist seit 1999 verstummt.