Update in Sachen Geschlechterpolitik

05.06.2007
Alice Schwarzer ist die bekannteste Vertreterin der jüngeren deutschen Frauenbewegung. Sie verkörpert wie keine andere die Forderung nach Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. In ihrem neuen Buch "Die Antwort" greift Schwarzer ihre Positionen aus den vergangenen Jahren erneut auf und plädiert dafür, dass Männer und Frauen sich auf gleicher Augenhöhe begegnen sollten.
Seit Beginn der siebziger Jahre, spätestens aber seit dem Erscheinen des Bestsellers "Der kleine Unterschied – und seine großen Folgen" 1975 und der Gründung ihrer feministischen Zeitschrift "Emma" 1977 ist die Journalistin Alice Schwarzer eine der bekanntesten und medial präsentesten deutschen Frauenrechtlerinnen. Die ehemals abseitige Feministin gehört mittlerweile schon fast in den kulturellen Mainstream. Ihr neustes Buch erscheint als Vorabdruck in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", also eigentlich im Zentrum der früher so feindseligen und angefeindeten "Männermedien".

Dabei hat sich Alice Schwarzer selbst nicht stark verändert. Sie ist etwas weniger polemisch und versöhnlicher geworden, ja fast ein bisschen altersmild, und ihre Texte kommen mit weniger Ausrufezeichen zurecht, aber ihre Themen und ihre Argumente sind im Wesentlichen dieselben geblieben.

"Die Antwort" ist ein Update in Sachen Geschlechterpolitik und es kommt darin nichts vor, worüber es nicht schon seit Jahren oder Jahrzehnten pointierte Stellungsnahmen von Schwarzer gibt: Sie argumentiert gegen die neuerdings wieder modische biologistische Festzurrung von Geschlechterrollen durch schwammige Untersuchungen zu angeblichen hormonellen oder hirnhälftigen Differenzen, gegen religiösen Fundamentalismus islamischer wie christlicher Art (und deren Allianz gegen die Gleichberechtigung von Frauen). Für das Recht auf Abtreibung als dem Recht der weiblichen Selbstbestimmung, gegen das schwer belastende deutsche Mutterbild, welches Frauen durch Schuldgefühle gängelt, für die weibliche Berufstätigkeit und Unabhängigkeit, gegen die kollektiven Schlankheitsneurosen, welche Frauen paradoxerweise gerade im Zeitalter der Emanzipation in ein neuerliches Zwangsverhältnis setzen. Und sie ist immer noch vehemente Gegnerin sowohl der Pornographie und der für sie damit zusammenhängenden Sexualisierung und Brutalisierung der Gesellschaft als auch der Legalisierung von Prostitution.

Während bei den letzten beiden Themen nach wie vor viele Schwarzers Position nicht teilen werden können – vor allem diejenigen, die darin nicht nur geschlechtliche Asymmetrie und Sexismus sehen, sondern auch sexuelle Liberalisierung –, scheinen viele ihrer anderen Forderungen wenn nicht erfüllt, so doch als Ideal übernommen worden zu sein: in der Politik läuft gerade eine Großinitiative für Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf, religiöser Fundamentalismus wird breit als Gefahr gesehen und es herrscht weitgehende Zustimmung zu einem noch in den siebziger Jahren unerhörten Ideal kommunikativer und gleichberechtigter Sexualität inklusive Vorspiel. (Die Fallbeispiele verkorkster Sexualität und disfunktionaler Geschlechterkommunikation in "Der kleine Unterschied" sind vom heutigen Standpunkt aus erschreckend fremdes Lektürematerial.) Von einem "Terror der Normen" kann zumindest in Bezug auf die individuelle zwischengeschlechtliche Beziehung nicht mehr gesprochen werden.

Im Volksmund heißt so etwas Erfolg. Ausführlich erzählt sie in "Die Antwort" immer wieder von der Geschichte der Frauenbewegung und der sozialen Geschlechterbeziehungen. Und diese Geschichte ist natürlich für Schwarzer – zumindest was die letzten 35 Jahre betrifft – auch eine persönliche. Das gibt ihr immer wieder Anlass, von sich selbst zu erzählen, manchmal mit einem arg hohen Maß an Selbststilisierung, wie es zuletzt auch in der Zeitschrift Emma zu beobachten war.

Andererseits sind diese historischen Beschreibungen auch ein gutes Antidot gegen Geschichtsvergessenheit. Bis 1977 herrschte in der Bundesrepublik ein Familienrecht, in dem der Ehemann die "gemeinsame Lebensführung" und den Wohnort bestimmte, über das Vermögen der Frau verfügte, der Frau, welche zur Haushaltsführung verpflichtet war, die Arbeitstätigkeit verbieten und auf der "Erfüllung der ehelichen Pflichten" bestehen konnte. Dagegen erscheint die heutige formaljuristische Gleichberechtigung als ein Wunder.

Früher klang Schwarzers Kritik natürlich härter als heute, aber das Ideal ist letztlich äußerst egalitär, ja umfassend humanistisch: Mann und Frau sollen sich auf Augenhöhe begegnen und miteinander kommunizieren. Und sie sollen zuerst als Menschen, und erst danach als Männer und Frauen definiert werden. Wenn Schwarzer auch findet, dass es natürlich "Zeit und Nerven" koste, "sich mit einem Mann wirklich auseinanderzusetzen", so ist das doch auch für sie die einzige Lösung. Die Geschlechter bleiben aufeinander angewiesen. Und genauso wie Schwarzer Verhaltensweisen von Männern kritisiert, beanstandet sie auch Bequemlichkeit, Larmoyanz oder Dummheit bei Frauen.

Sie insistiert jedoch auch darauf, dass – entgegen der derzeit vielfach geführten Rede vom weit abgeschlagenen Mann – die subjektive Verunsicherung der Männer in keinem Verhältnis zu ihrer objektiven Privilegiertheit stehe, dass der Gewinn gesellschaftlicher Veränderung noch für einige Zeit auf Seiten der Frauen liegen wird und der Verlust an Macht und Privilegien auf Seiten der Männer. Abwaschen ist nicht sexy, aber jemand muss es tun.

Rezensiert von Catherine Newmark

Alice Schwarzer: Die Antwort
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007
181 Seiten, 16,90 Euro
Mehr zum Thema