Unter grünem Segel

Von Otto Langels · 15.09.2011
Am 15. September 1971 brachen zwölf Umweltschützer von Vancouver aus mit einem Fischkutter zu einer Fahrt in den Nordpazifik auf. Die Aktivisten wollten einen unterirdischen Atomwaffentest der USA verhindern. Als Symbol der Ökologie- und Friedensbewegung hissten sie ein grünes Segel. Der Start der Aktion gilt als Gründungsdatum der Umweltorganisation Greenpeace.
Tausende von Zuhörern kamen im Oktober 1970 zu einem Solidaritätskonzert mit James Taylor und Joni Mitchell im kanadischen Vancouver. Organisiert hatte die Veranstaltung das "Don't make a Wave"-Komitee, eine kleine Gruppe von Pazifisten um Irving Stowe, Jim Bohlen und Paul Cote. Sie protestierten gegen US-amerikanische Atomwaffentests im Nordpazifik, weil sie eine atomare Verseuchung der Atmosphäre sowie Erdbeben und Tsunamis befürchteten, ausgelöst durch die Explosionen. Daher der Name des Komitees: Don't make a wave.

"Mit eurem Kommen macht ihr eine Reise für das Leben und den Frieden möglich. Ihr unterstützt das erste Greenpeace-Projekt. Wir wollen ein Schiff zur Insel Amchitka schicken, um dort und überall die Wasserstoffbomben-Tests zu verhindern."

Am 15. September 1971 charterte ein Dutzend "Don't make a Wave"-Aktivisten einen kleinen Fischkutter. Sie nannten ihn Greenpeace und brachen von Vancouver in Richtung Amchitka auf, eine kleine, unbewohnte Aleuteninsel südwestlich von Alaska. Die US-Marine stoppte das Schiff mit dem grünen Segel jedoch und zwang es zur Umkehr.

Am 6. November desselben Jahres zündeten die USA unterirdisch eine Wasserstoffbombe, verzichteten aber auf weitere Versuche im Nordpazifik. Der Einsatz der Umweltschützer hatte sich gelohnt.

Die Aktion in Alaska machte die Gruppe bekannt. Im Mai 1972 änderte sie dann offiziell ihren Namen in Greenpeace. Medienwirksame Proteste gegen den Walfang und die Robbenjagd folgten. Einige Umweltschutzorganisationen aus anderen Ländern schlossen sich im Oktober 1979 mit der kanadischen Gruppe zu Greenpeace International zusammen und machten Werbung in eigener Sache.

"Die Einsätze zum Schutz der Umwelt führen die Greenpeace-Aktivisten oft in abgelegene Meeres-Regionen. Schlechtes Wetter, hohe Wellen, kleine Fehler können zur Gefahr werden."

In Deutschland trat Greenpeace erstmals im Oktober 1980 in Erscheinung, als Mitglieder die Entsorgung giftiger Abfälle verhindern wollten.

"Sie kamen, als alle anderen noch schliefen. Am Montagmorgen um 4 Uhr 30 in Nordenham an der Weser: Mitglieder der internationalen Umweltschutzorganisation Greenpeace blockieren mit Gummirettungsinseln ein Tankschiff der Firma Kronos-Titan. Es sollte chemische Abfälle in die Nordsee schaffen."

Greenpeace betonte zwar immer den gewaltlosen Charakter der Proteste, ging dabei aber mitunter aggressiv vor und provozierte teilweise heftige Gegenreaktionen. Negativer Höhepunkt war im Juli 1985 ein Anschlag auf das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior im Hafen von Auckland, um Proteste gegen französische Atomtests im Südpazifik zu verhindern. Ein Besatzungsmitglied kam dabei ums Leben.

Der französische Ministerpräsident Laurent Fabius musste später zugeben:

"Es waren Agenten des Geheimdienstes, die das Schiff versenkt haben. Sie haben auf Befehl gehandelt. Die Wahrheit über diese Affäre ist grausam. Aber es ist notwendig, dass die Wahrheit vollständig und klar enthüllt wird."

Der tödliche Anschlag von Auckland verlieh Greenpeace nach Aussagen führender Mitarbeiter "eine Aura von Glaubwürdigkeit und Seriosität". Die Organisation gewann an Profil, Einfluss und Ansehen. Der frühere Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode erklärte Ende der 90er Jahre:

"Wir sind mit Sicherheit nicht mehr die kleine Gruppe von Schlauchboot-Aktivisten, die wir waren, als Greenpeace angefangen hat. Wir sind in der Tat mittlerweile zu einem Konzern herangewachsen und haben deshalb ein ganz anderes Selbstverständnis, was unsere Professionalität anbelangt."

Heute ist die Organisation mit Hauptsitz in Amsterdam in über 40 Ländern aktiv. Sie zählt drei Millionen Fördermitglieder und 1200 Mitarbeiter. Kritiker werfen Greenpeace undemokratische Strukturen vor, sprechen von der weltweit größten "Wohlfühlorganisation", die ihren Unterstützern ein gutes Gewissen verkaufe, und von einem vergeblichen Kampf gegen Windmühlen. Denn die Umweltprobleme sind nicht geringer geworden, wie Klimawandel, Ölteppiche und Fukushima belegen.