Unbrauchbarer Biomüll

Wenn der Joghurtbecher im Kompost landet

Lebensmittel und Essenrest in einer braunen Biotonne
Nur organische Abfälle gehören in die Biotonne © picture alliance / ZB
Von Astrid Wulf · 20.04.2018
Glas, Zigaretten und vor allem Plastik landen oft im Biomüll. Ein großes Problem, denn verunreinigter Biomüll kann nicht zu Kompost verarbeitet werden - mitunter landen die Plastik-Überreste auf dem Acker. In Schleswig-Holstein will man das jetzt ändern.
Tonnenweise übel riechender Biomüll aus Lübeck und Umgebung landet hier bei den Lübecker Entsorgungsbetrieben. Eierschalen, Obstreste, Kaffeesatz – aber eben nicht nur. Mitarbeiter Manfred Rehberg beobachtet mit Helm und Atemschutzmaske, was der Schaufelbagger in der Halle auftürmt – und was er sieht, stinkt ihm gewaltig.
"Wenn man sich das anguckt, dann sieht man jede Menge Plastiktüten darin. Und die sind am Ende das Problem. Und die Schwierigkeit ist, dass wir die im gesamten Produktionsprozess nicht vollständig entfernt kriegen."
Dabei soll aus diesem Biomüll mal wertvoller Kompost werden, der als Dünger im Handel oder auf den Feldern der Bauern landet. Zweimal wird der Müll gesiebt, um das Plastik auszusortieren. Dieser Aufwand kostet allein in Schleswig-Holstein Millionen, schätzt Manfred Rehberg. Trotzdem findet man am Ende im Kompost jede Menge Plastikfetzen.
"Wesentliche Teile kriegen wir entfernt, aber eben nicht alles – und das muss der Anspruch sein."

Plastikteile zwischen den Pflanzen

Schätzungen der Entsorgungsbetriebe Lübeck zufolge landen in etwa jeder zweiten Biotonne Glas, Zigaretten und vor allem Plastik. Gerade die Kunststofftüten sind ein großes Problem. Damit der Kompost sauberer wird, starten 23 Entsorger aus Norddeutschland die Kampagne "Wir für Bio". Mit Flyern und Plakaten wollen sie darüber aufklären, dass Plastik nicht in die braune Tonne gehört. Auch keine sogenannten Bioplastiktüten, sagt Manfred Rehberg. Denn auch sie würden zum Teil Erdöl enthalten, könnten schmelzen und so Vergärungsanlagen verkleben. Zudem bräuchten sie zu lange, bis sie abgebaut würden. Die Entsorger stehen unter Druck: Im Juli gelten verschärfte Vorgaben für das wichtige Gütesiegel für Kompost. Plastikteilchen dürfen dann nur noch knapp 0,2 Prozent des Gesamtgewichts ausmachen, sagt Manfred Rehberg.
"Wir sind bei 0,16 Prozent. Aber damit erfüllen wir gerade so die Qualitätskriterien der Gütesicherung. Die Gütesicherung ist nochmal einen ganzen Zacken schärfer als das, was der Gesetzgeber von uns verlangt. Aber auch mit dem Material haben wir Diskussion mit den Landwirten."
Mit Heinrich Röttger zum Beispiel. Er hat seine Zuckerrüben mit dem Kompost der Lübecker Entsorgungsbetriebe gedüngt – und kann nicht glauben, was er seitdem auf seinem Acker findet.
"Gucken Sie mal hier. Wieder ein Plastikteil – vom Joghurtbecher oder was. Das hat doch hier wirklich nichts verloren. Und hier. Blau. Drei Zentimeter groß. Wenn hier jetzt die Pflanze drauftrifft – die verhungert. Die kann nicht weiterwachsen. Also – es geht gar nicht."
Ole Eggers vom Umweltverband BUND in Schleswig-Holstein geht davon aus, dass die im Plastik enthaltenen Weichmacher zudem Mikroorganismen und Tieren im Boden schaden und die Fruchtbarkeit der Böden dadurch massiv leidet. Kleine Mikroplastikteilchen werden über den Regen in Flüsse und Meere gespült, reichern sich mit Schadstoffen an, werden von Fischen gefressen und könnten so wieder auf unseren Tellern landen. Landwirt Heinrich Röttger ist klar: Den Kompost der Entsorgungsbetriebe will er künftig nicht mehr haben.
"Ich kann diesen Kompost nicht mehr einsetzen. Als ich das gemerkt habe, habe ich angerufen bei den EBL und sie haben das dann weggeholt, ich habe aber leider schon ein ganzes Teil ausgestreut, das habe ich jetzt hier im Acker. Jetzt wird sicherlich der Boden damit zurechtkommen, weil das nicht so viel ist, aber da darf auf keinen Fall was dazukommen."

Papiertüten und Zeitungen als Alternative

Sauberer Kompost ist möglich, sagt Manfred Rehberg von den Lübecker Entsorgungsbetrieben. Man müsse einfach den Biomüll ohne Tüte ausleeren, Zeitungspapier oder eine Papiertüte benutzen. Zum Beispiel die Tüten mit dem "Wir für Bio"-Print, die die Entsorger im Rahmen der Kampagne unter die Leute bringen wollen.
"Die siffen nicht durch, jedenfalls nicht, wenn man die rechtzeitig zum Behälter bringt. Die Papiertüten sind relativ resistent, besonders behandelt und CO2-neutral erzeugt, die sind wirklich umweltfreundlich erzeugt – und die tun das, was sie tun sollen."
Neben der Aktion sind künftig sogar Mülltonnen-Kontrollen geplant. Wenn das alles nichts bringt, weiß Manfred Rehberg auch nicht weiter. Dann könnte man sich die gesetzlich vorgeschriebene Mülltrennung eigentlich sparen:
"Wenn die Landwirtschaft unseren Kompost nicht mehr abnimmt, dann gibt es in der Tat keinen sinnvollen Entsorgungsweg mehr. Und dann stellt sich in der Tat die Frage: Können wir Bioabfall vorne getrennt erfassen? Oder müssen wir Bioabfall getrennt in die Verbrennung fahren? Und das kann nun wirklich keiner wollen."
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