Umstrittenes Gen-Experiment

Gewünschte Augenfarbe mit einem kleinen Schnitt

Zu sehen sind die Hände eines Wissenschaftlers, gehüllt in weiße Gummihandschuhe. Er oder sie legt in einem Fortpflanzungslabor eine dünne Glasschale mit weiblichen Eizellen in einen Wärmeschrank.
Eine Petrischale mit menschlichen Eizellen werden in einen Wärmeschrank gelegt. © imago stock&people
Boris Fehse im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 03.08.2017
Es ist ein Eingriff in die Keimbahn – und deswegen so umstritten. US-Forscher haben bei Embryos erfolgreich einen Gendefekt korrigiert. Der Schritt zum Baby mit Wunscheigenschaft sei nur ein kleiner, warnt Genforscher Boris Fehse.
US-Forscher haben mit einem umstrittenen Experiment eine Kontroverse entfacht, nachdem sie aus menschlichen Embryonen ein für eine Erbkrankheit verantwortliches Gen entfernt haben. Der deutsche Genforscher Boris Fehse sieht die Gefahr, dass angesichts dieses Wissenschaftswettbewerbs Fragen ethischer und juristischer Natur unter Umständen vernachlässigt werden.
Die ethischen Implikationen solcher Experimente für die Zukunft müssten jetzt diskutiert werden, so Fehses Forderung. "Sollen alle Kinder nur noch in vitro gezeugt werden?", fragt er bewusst provokativ. "All diese Fragen müssen jetzt breit diskutiert werden, und das kann man nicht dem Wissenschaftswettlauf überlassen", so der Forscher vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Gebiet der gentechnischen Therapien arbeitet.

Die Gen-Schere ansetzen

Dem US-Forscher Shoukrat Mitalipov war es mit seinem Team gelungen mit Hilfe von einer sogenannten Gen-Schere Crispr-Cas9 einen Gendefekt bei menschlichen Embryonen zu korrigieren. Ähnliche Experimente hatte es bereits 2015 und 2016 in China gegeben. Hinter der Technik stecke die Idee, erklärt Fehse, dass man durch einen Schnitt mit einer Art molekularem Skalpell, in dem defekten Bereich der Erbsubstanz die Natur dazu bringt, den defekten Bereich auszutauschen und dann eine korrekte Kopie des Gens dort einzubauen und damit das krankmachende Gen aus dem Erbgut zu entfernen.

Wie groß ist die Gefahr des Missbrauchs?

Eine einzige Eigenschaft, die nicht unbedingt überlebensnotwendig ist, könnte mit dieser Technologie mit einer gewissen Chance bereits verändert werden, gibt Genforscher Fehse zu Bedenken. "Wenn es nur darum geht, die Augenfarbe zu verändern, dann wäre der Schritt nur noch ein kleiner Schnitt", so Fehse. Die Möglichkeit des Missbrauchs sei dann nicht mehr so weit weg.
So habe sich die Forderung nach einem weltweiten Forschungsmoratorium nicht durchsetzen lassen. Natürlich gebe es auch das berechtigte Argument, dass es jetzt schon Kinder mit schweren Erbkrankheiten gebe. Auch in Deutschland sei die Meinung inzwischen ein bisschen gekippt – und zwar in die Richtung, erst einmal zu forschen und zu schauen, was machbar ist, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

Die ganze Sendung können Sie hier hören:

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