Typisch deutsch: Autofahrer

"Das Auto ist das eigentliche Zuhause des Deutschen"

Fluchender Autofahrer
Tatjana Firsova aus Russland hat bei einem Unfall erlebt, wie schnell deutsche Autofahrer ihre Manieren vergessen. © picture alliance / dpa / Rolf Kremming
Von Matthias Eckoldt und Matthias Baxmann · 15.06.2017
Die Deutschen und ihr Auto – eine ganz besondere Beziehung, wie Auslandskorrespondenten erlebt haben. Derek Scally aus Irland glaubt gar, "dass einige deutsche Autofahrer eine Art Todeswunsch haben". Gleichzeitig sei das Auto auch ihr Schutzraum, meint Fatima Lacerda aus Brasilien.
Fatima Lacerda, Brasilien:
"Der Deutsche und sein Auto – das ist ein Kapitel für sich. Ich denke manchmal, das Auto ist das eigentliche Zuhause des Deutschen. Dort fühlt er sich wohl. Da kann er alles machen, was er will. Eine deutsche Lehrerin sagte mir mal: 'Der Weg zwischen Schulhof und meiner Wohnung gehört einfach nur mir und Lionel Richie ganz alleine.' Es ist für viele Deutsche ein Schutzraum, den sie unbedingt brauchen.
Für manche Deutsche wird das Auto leider auch zu einer Art Kompensation ihres schwachen Selbstwertgefühls. Die brauchen PS-starke Autos, mit denen sie wie verrückt durch die Straßen rasen. Das finde ich unmöglich und sehr gefährlich. Als Fußgängerin oder Radfahrerin erlebe ich, dass die Autofahrer sehr aggressiv sein können. Erstaunlicherweise unabhängig davon, ob es Männer oder Frauen sind.
Als Fußgänger hat man in Deutschland oft ein schweres Los. Der Sicherheitsstandard für Fußgänger hat sich in den letzten Jahren ziemlich verschlechtert. Allerdings ist das noch immer nichts gegenüber Brasilien. Da zählt man als Fußgänger überhaupt nicht."
Benedict Neff, Schweiz:
"Wenn ich sage: Ich habe keinen Führerschein, scheinen die Leute zu denken: 'Was hat der denn für ein Problem?' Für die meisten Deutschen ist das geradezu unvorstellbar. Schweizer reagieren etwas gelassener. Als Radfahrer ist man im Berliner Verkehr der Idiot schlechthin. Wenn man einen Fehler macht und in eine kritische Situation kommt, bremsen die Autofahrer – wenn überhaupt – erst im letzten Moment. Das ist so die gängige Abschreckungsnummer.
Mir scheint auch, dass die Deutschen ihr Fahrzeug sehr lieben. Mein Nachbar putzt zum Beispiel jeden Sonntag sein Auto, da schaue ich immer gern zu. Er spritzt es nicht einfach ab, sondern hat eine Schüssel mit kleinen Schwämmchen, mit denen er das Auto gründlich behandelt. Auch seine Frau ist im Einsatz: Sie bringt ihm immer wieder neues Wasser."
Derek Scally, Irland:
"Manchmal denke ich, wenn ich mit Freunden auf der Autobahn unterwegs bin, dass einige deutsche Autofahrer eine Art Todeswunsch haben. Wir fahren dann schon schnell, so bis 200 km/h, aber dann jagt plötzlich ein anderes Auto mit noch höherer Geschwindigkeit an uns vorbei. Da kann ich nur den Kopf schütteln.
Allerdings ist es mit der freien Fahrt für freie Bürger gar nicht so weit her. Das war für meinen Bruder ein Schock. Er hat mich besucht, sich ein großes Auto gemietet und wollte richtig die Sau rauslassen. Aber dann kamen doch ständig Geschwindigkeitsbegrenzungen, die auch noch auf fiese Weise mit Radarkontrollen durchgesetzt wurden."
Tatjana Firsova, Russland:
"Die deutschen Autofahrer sind einfach die besten, die ich kenne. Die fahren sehr rücksichtsvoll. Für Russen fahren die Deutschen zu langsam und zu schüchtern, aber ich finde das gut.
Deutsche Autofahrer benehmen sich nur ganz selten schlecht. Aber einmal , als ich aus Versehen von einer Linksabbiegerspur geradeaus gefahren bin, habe ich einen kleinen Auffahrunfall verursacht. Der Unfallgegner ist aus seinem Auto ausgestiegen und hat sofort angefangen, die Visitenkarten aller anderen Autofahrer in der Nähe einzusammeln. Er hat nicht als Erstes daran gedacht, zu fragen, wie es mir geht. Ich fand das so traurig, dass ich weinen musste.
Dann kam die Polizei, und ein Polizist hat mich getröstet und mir Taschentücher gegeben."
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