Tiger in Menschengestalt

Von Jürgen Bräunlein · 04.09.2011
Der letzte Apachen-Häuptling Geronimo kämpfte erbittert gegen Mexikaner und Weiße. Nach vielen Jahren auf der Flucht sehnte er sich nach Sesshaftigkeit und Frieden. Vor 125 Jahren kapitulierte er vor einer Armee aus 5000 amerikanischen Soldaten.
Man schrieb das Jahr 1858. Goyathlay, ein Indianer vom Stamm der Bedonkohe, der später unter dem Namen Geronimo weltberühmt werden sollte, war wochenlang mit seinen Stammesbrüdern zum Jagen und Handeln unterwegs gewesen. Als sie zu ihrem Lager, das im fruchtbaren Quellgebiet des Flusses Gila in Arizona lag, zurückkehrten, entdeckten sie ein Blutbad: Mexikanische Soldaten hatten das kleine Dorf niedergemetzelt. Unter den Toten: Geronimos Mutter, seine Frau und seine drei Kinder. Für den 29-jährigen Indianer, der bisher höchstens Missionare gekannt hatte, war das die erste richtige Begegnung mit dem "weißen Mann" und das Ende seines unbeschwerten Lebens.

"Ich ging zum Fluss. Wie lange ich dort stand, weiß ich nicht. Es war eine Ewigkeit. Später verbrannte ich unsere Hütte, sagte drei Tage und Nächte lang kein Wort und aß auch keine Speisen."

Geronimo, dem alles genommen worden war, hatte nur noch ein Ziel: Rache an den Mexikanern. In kürzester Zeit rekrutierte er eine große Gefolgschaft von Indianern und verbündete sich mit Cochise, dem damals mächtigen Häuptling der Chokonen-Apachen. Gemeinsam überfielen sie die mexikanische Stadt Arispe in Sonora. Doch das war nur der erste Vergeltungsschlag. Von nun an folgten jährlich Überfälle auf mexikanische Städte und Dörfer. Gegner nannten Geronimo nur noch den "Tiger in Menschengestalt".

Erst im Frühjahr 1877 schien sich die Lage zu entspannen. Geronimo und sein Stamm waren bereit, sich in das von der amerikanischen Regierung geschaffene Indianerreservat San Carlos zurückzuziehen. Doch das Leben in dem unfruchtbaren Tal erwies sich als so zermürbend, dass Geronimo bald ausbrach. Es folgten Jahre rastloser Getriebenheit. Geronimo wurde von Amerikanern, Mexikanern und übergelaufenen Apachen gleichermaßen gejagt. Im Sommer 1886 hatten er und die 36 Kämpfer, die ihm noch geblieben waren, schließlich eine Armee von 5000 Mann gegen sich, doch zur finalen Schlacht kam es nicht mehr. Am 4. September 1886 gab Geronimo auf und unterschrieb die Kapitulation. Seinem Gegner, General Nelson Miles, erklärte er:

"Ich habe nie Unrecht ohne Grund getan, und wenn ihr von Unrecht redet, so tätet ihr besser daran, an das Unrecht zu denken, das ihr dem Roten Manne zugefügt habt, und das tief und weit wie der Ozean ist, durch den niemand mehr waten kann ohne zu ertrinken. Mein Unrecht dagegen ist wie ein kleiner ausgetrockneter Bachlauf, den habgierige Weiße mit den Tränen meines Volkes gefüllt haben."

Geronimo und seine Mitstreiter wurden nach Florida gebracht und dort in verschiedene Gefängnisse gesteckt. Acht Jahre später folgte die Abschiebung ins Indianerterritorium nach Fort Sill in Oklahoma. Obwohl die Lebensbedingungen dort besser waren, blieb es ein Leben in Unfreiheit. Geronimo richtete eine Petition an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Theodore Roosevelt:

"Ich glaube, dass meine Leute nun fähig sind, in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Vereinigten Staaten zu leben, deshalb würden wir gerne die Freiheit haben, in das Land zurückzukehren, das durch göttliches Recht uns gehört. Wir sind jetzt weniger und haben gelernt, wie man den Boden bebaut, deshalb würden wir nicht so viel Land brauchen, wie wir früher hatten."

Geronimos Wunsch wurde nicht erfüllt. In Fort Sill war er bis an sein Lebensende ein Kriegsgefangener im eigenen Haus, zugleich aber auch die Hauptattraktion für Besucher. Am 17. Februar 1909 starb Geronimo, der letzte Apachen-Häuptling, der sich gegen die Unterjochung durch den "Weißen Mann" gewehrt hatte, im Alter von 80 Jahren an einer Lungenentzündung. Er war nachts bei klirrender Kälte betrunken von seinem Pferdewagen gefallen. Mit den Weißen versöhnt hatte er sich nie, wie in seiner Autobiografie nachzulesen ist.

"Die Sonne geht auf, scheint eine Zeit lang, geht unter, versinkt und ist fort. Ebenso wird es mit den Indianern sein. Nur ein paar Jahre werden vergehen, und das, was weiße Männer in ihren Büchern schreiben, wird alles sein, was man von den Indianern dann noch hört."