Textilrecycling

Wer macht was mit unseren Altkleidern?

Ein Container für Altkleider in Rostock
Ein Container für Altkleider in Rostock © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann |
Rund 85 Prozent der Deutschen gehen zum Container: Eine Million Tonnen Altkleider werden jährlich zur Wiederverwertung erfasst. Was genau mit ihnen passiert, hat Silke Hasselmann in Rostock recherchiert – wo gerade der Internationale Alttextiltag stattfindet.
In Rostocker Geschäftsstelle des Malteser Hilfsdienstes gibt Peter Wolf jeden Montag ein Seminar für jene Universitätsstudenten, die bei "Balu und du" mitmachen – einem Angebot für Grundschüler, gemeinsam etwas besser durch den Dschungel des Alltags zu kommen.
Die Malteser setzen diese Idee in den mecklenburgischen Städten Schwerin, Wismar und Rostock um. Das werde unter anderem aus der Verwertung jener Textilien finanziert, die die Rostocker in die dunkelgrünen Container mit dem Malterser-Logo werfen, erzählt Peter Wolf auf dem Weg in die August-Bebel-Straße:
"Ja, da links. Da ist dann der Container."
Ein kleines unauffälliges Schild am Fuße des Container erklärt: Malteser Hilfsdienst e.V …
Peter Wolf setzt fort:
"'Sammlung in Lizenzvergabe. Erlöse werden für soziale und caritative Hilfsleistungen der Malteser Hilfsdienste verwandt.' Ja, zum Beispiel 'Balu und du'. Genau."

Verkauf an externe Sortierbetriebe

Nirgends hingegen ein Hinweis auf die Veolia Umweltservice GmbH. Dabei sammelt dieser private Hamburger Abfallentsorger die Altkleider ein. Allein in Rostock und Umgebung betreibt Veolia 110 Altkleidercontainer. Pro Monat kommen dort 50 Tonnen Alttextilien zusammen, die an drei externe Sortierbetriebe verkauft werden. Was die dann mit den Altkleidern machen, wissen weder der privatwirtschaftlichen Containerbetreiber noch die caritativen Lizenzgeber.
Kein Einzelfall, sagt der Rostocker Bundestagsabgeordnete Peter Stein, der die Themen nachhaltige Abfallwirtschaft und Entwicklungspolitik beackert:
"Also es ist, glaube ich, unbestritten, dass wir hier einen sehr hohen Verbrauch haben in Deutschland. Nicht nur, aber auch im Textilbereich. Und jeder muss wissen, dass, wenn ein T-Shirt 2,99 kostet, das nicht in der reinen Lehre der Nachhaltigkeit entstanden sein kann, und dass da Kinderarbeit und Ausbeutung dahinter stehen muss. Auf der anderen Seite: Wir schmeißen kaum noch ein Textil in den Müll, sondern es wird in den Kleidersack gesteckt. Das ist normal für uns seit vielen Jahrzehnten, und es findet vielleicht zu wenig Betrachtung statt, was damit danach passiert. Wir tun's in den Sack und dann ist es weg bei den Johannitern, beim DRK oder sonst wo. Und das ist ja nun die spannende Frage auch auf dieser Konferenz: Was macht ihr eigentlich damit?"
Peter Stein (CDU) vertritt Rostock im Bundestag. 
Peter Stein (CDU) vertritt Rostock im Bundestag. © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Der Parlamentarier meint den 6. Internationalen Alttextiltag, der gerade in Rostock-Warnemünde stattfindet - mit Peter Stein als Gastredner. Eine brancheneigene Studie von 2015 gibt derweil einige Auskünfte:
Demnach werden in Deutschland derzeit pro Jahr 1,35 Mio Tonnen Altkleider und sonstige Textilien zu Abfall. Davon wiederum werden eine Million Tonnen zur Wiederverwertung erfasst.
Rund 85 Prozent der Deutschen nutzen zumindest gelegentlich den Altkleidercontainer.
Laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz darf nur, was gar nicht anders verwertbar ist, zur Wärmegewinnung verbrannt oder anderweitig als Müll entsorgt werden. Das trifft derzeit auf ca. 8 Prozent der gesammelten Alttextilien zu.
Knapp 40 Prozent werden zu Putzlappen, Bau-Dämmstoffen oder zu neuem Garn verarbeitet, während 30 bis 40 Prozent als Kleidungstücke wiederverwendet werden können.

Altkleider-Exporte nach Afrika

Auch wenn es in Sachen Export keine Zahlen gibt – vor allem der afrikanische Markt ist sehr wichtig für die deutsche Alttextilbranche, sagt der Peter Stein (CDU):
"Ich werde nie vergessen: Ich war mit einem Kollegen zusammen in Zentralafrika, in Sambia. Und da läuft ein junger Mensch mit einem T-Shirt rum. Da stand hinten der Aufdruck von einem kleinen Dorf-Fußballverein drauf. Das war ein altes Trikot. Das war das Dorf von dem Kollegen. Der sagt: 'Das gibt´s gar nicht!' Das hatte wahrscheinlich mal einer aus dem Dorf in die Altkleidersammlung gegeben und ist als Reuse dort unten irgendwo auf den Textilmarkt gekommen."
Und zwar so billig, dass es sich auch die Ärmsten leisten können, was man von dem im eigenen Dorf genähten Stück oft nicht sagen könne. Doch ab 2019 will die Ostafrikanische Gemeinschaft die Einfuhr von gebrauchten Schuhen und Kleidungsstücken unterbinden. Ein Hauptthema auf dem Internationalen Alttextiltag in Warnemünde, zu dem Gastredner Stein vor allem diesen Gedanken äußern will: Deutschland möge nicht so sehr Produkte exportieren, sondern den Sinn und das technische Wissen für die Wiederverwertung von Textilien.
"Hier in Deutschland sind wir ja in einer Situation, wo es schon gesellschaftlich etabliert ist, dass man sich mit Mülltrennung, mit Abfallvermeidung und auch mit den Folgen unseres eigenen Handelns befasst hat, und wir müssen das, was wir hier tun, exportieren. Ich hätte kein Problem damit, wenn ein Abfallunternehmen aus Deutschland in Nigeria ein Franchise macht oder sonst irgendwas. Das muss der Weg sein."

Container quellen selten über

Zurück in der Rostocker August-Bebel-Straße an dem Altkleidercontainer mit dem Logo des Malteser Hilfsdienstes. Peter Wolf öffnet die Klappe:
"Kann man noch was reinwerfen."
Und sonst? Findet Peter Wolf einerseits:
"...dass es auch in diesem Bereich natürlich eine Wegwerfgesellschaft ist."
Peter Wolf von Rostocker Geschäftsstelle des Malteser Hilfsdienstes
Peter Wolf von Rostocker Geschäftsstelle des Malteser Hilfsdienstes© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Andererseits habe er in den letzten drei Jahren nur zwei Anrufe von Bürgern erhalten, dass ein Malteser-Container überquelle. Ähnlich aufgeräumt sehe es in der Regel auch bei den anderen Sammelstellen in Rostock aus:
"Also entweder werden die Container regelmäßig geleert. Oder es wird nicht mehr so viel weggeschmissen."
Wobei "wegschmeißen" nicht unbedingt immer das treffende Wort sei, meint der junge Sozialarbeiter auf die Frage, ob auch er gelegentlich Altkleidercontainer nutzt:
"Selbstverständlich. Sachen, die noch gut sind, die von den eigenen Kindern auch nicht abgetragen sind - die kommen da auch rein. Tatsächlich ist der nächstgelegene Container bei mir zu Hause einer des DRK. Und das ist für mich völlig in Ordnung, da Sachen reinzugeben."
Haben Sie eine Idee, wo das hingeht oder was vermuten Sie?
"Tatsächlich habe ich außer Berichten, die in den Medien sind über Sachen, die nicht so funktionieren, ähm, weiter keine Idee."
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