Staatsbesuch in der Heimat

Von Norbert Sommer · 17.09.2011
Heute spricht Papst Benedikt XVI. in der ARD das "Wort zum Sonntag" – es ist der inoffizielle Auftakt für seinen Besuch in der kommenden Woche. Doch die Papstvisite und einzelne Programmpunkte bieten einigen Anlass für Vorbehalte und Protest.
Als Kardinal Joseph Ratzinger ging der heutige Papst Benedikt XVI. immer wieder auf Distanz zu der intensiven Reisetätigkeit seines polnischen Vorgängers. Doch inzwischen kann oder will er sich offensichtlich nicht länger dem Druck und Reiz entziehen, ebenfalls – wenn auch weniger häufig – Rom zu verlassen und in die Welt hinaus zu reisen. Nun also ist Deutschland dran. Obwohl er seit seiner Wahl 2005 schon zweimal hier war, ist dies doch der erste offizielle Staatsbesuch, zustande gekommen durch eine gemeinsame Einladung von Bundespräsident Christian Wulff und der Deutschen Bischofskonferenz. Dies war nötig, weil Benedikt XVI. diesmal in seiner fragwürdigen Doppelfunktion als kirchliches und als Oberhaupt des Mini-Staates Vatikan einreist. 2005 kam er lediglich zum Weltjugendtag nach Köln und 2006 zu einem nostalgischen, eher privaten Besuch seiner bayerischen Heimat. Danach hatte es geheißen, eine dritte Reise nach Deutschland sei der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln.

Was den Umschwung brachte, bleibt unbekannt, zumal der Kölner Kardinal Meisner erst kurz zuvor dem Papst geraten hatte, wegen der antikirchlichen Stimmung im Lande vorerst nicht nach Deutschland zu kommen. Diese Stimmung zeigt sich auch im Protest nicht weniger Abgeordneter gegen die Ansprache des Papstes vor dem Bundestag. Von Fernbleiben und stillen Demonstrationen im Reichstag mit Kondomen an den Fingern ist die Rede. Seit Monaten wird innerhalb und zwischen den Fraktionen über den Papstauftritt gestritten. Wird Benedikt XVI. – als 32. Gastredner im Bundestag – politische oder doch religiös-moralische Akzente setzen? Man sollte in diesem Fall allerdings nicht vergessen, dass der Papst sich nicht selber angebiedert hat, sondern erst mit einigem Zögern einer entsprechenden Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert entsprochen hat.
Zwiespältig auch das Echo auf den Programmpunkt Ökumene. Das Treffen mit der EKD-Spitze im Erfurter Kloster, in dem Martin Luther wirkte, wurde zwar wegen des symbolischen Charakters begrüßt. Dass dort aber nur 35 Minuten für die Begegnung angesetzt sind, während auf persönlichen Wunsch des Papstes in Freiburg 20 Minuten für ein Treffen mit Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl freigeschlagen wurden, muss man eigentlich als Provokation einstufen. Einen substantiellen Fortschritt in der Ökumene darf man vom Erfurter Treffen jedenfalls nicht erwarten.

Leider kommen weder die Missbrauchsfälle noch die Anliegen der Unterzeichner des Theologen-Memorandums und der vielen Reform-Gruppen in der Kirche im offiziell angekündigten Programm vor. Stattdessen steht – wie Erzbischof Zollitsch erklärte –" ein Glaubensfest für möglichst viele Gläubige" im Vordergrund. Der von Kurienkardinal Josef Cordes ausgesprochene Vorwurf, bei den zahlreichen angekündigten Demonstrationen handele es sich um "Widerstand gegen Glauben und Gott", trifft nur auf eine kleine Gruppe zu. Den meisten geht es um die Sache, um den Glauben und die Glaubwürdigkeit, um eine menschliche und zeitgemäße Kirche.

Dass es keinen Flop, sondern einen unerwartet großen Andrang bei der Platzkartenbestellung für die verschiedenen Open-Air-Gottesdienste mit dem Papst gegeben hat, ist auf aufwändige Werbe-Aktivitäten diverser konservativer Gruppierungen wie "Generation Benedikt" oder des neuen Vereins "Deutschland pro Papa" zurückzuführen. So wollte man möglichst viele Menschen an der Basis erreichen, damit – wie es hieß – "quer durch Deutschland das Klima für den Papstbesuch optimiert wird und viele gern den Heiligen Vater hier in Deutschland empfangen". Publizistisch unterstützt wurden sie dabei aus dem ganz rechten katholischen Spektrum. Mit falschen Behauptungen wurde ein Szenario beschworen, das den Papst zum Handeln bewegen sollte.

Wegen eines angeblich in der katholischen Kirche Deutschlands drohenden Schismas setzt man auf Benedikt XVI., dass er bei seiner Visite eindeutig Stellung bezieht gegen die Reformkatholiken und zugunsten der Traditionalisten. Wahrscheinlich wird es dazu aber nicht kommen. Die Routine bei solchen Papst-Visiten lässt so schwerwiegende Entscheidungen vor Ort überhaupt nicht zu. Wenn man das bedenkt, stellt sich wieder einmal die Frage: Was bringen solche päpstlichen Abstecher in die Ortskirchen? Was bleibt? Und was rechtfertigt dann die enormen Kosten von über 30 Millionen Euro (die öffentlichen Ausgaben noch gar nicht mitgerechnet!), während bundesweit Kindergärten und andere kirchliche Einrichtungen dem Sparzwang zum Opfer fallen?
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