Staatlich bezahlter Flop

Von Simone Schmollack |
Das Konzept der Bürgerarbeit sieht vor, dass Langzeitarbeitslose 30 Stunden pro Woche gemeinnützig tätig sind und dafür jeden Monat 900 Euro erhalten. Klingt gut - doch das Modell hat so manche Schwächen, meint Simone Schmollack.
Aktiv sein ist besser als rumsitzen. Meint Ursula von der Leyen. Deshalb hat die Bundesarbeitsministerin zu Jahresbeginn das Projekt Bürgerarbeit ausgerufen. 34.000 Langzeitarbeitslose in der gesamten Republik sollen gemeinnützige Arbeit tun: Alte und Behinderte zu Ämtern und zu Ärzten begleiten, Mittagessen in Schulen austeilen oder Ahnungslosen erklären, wie man Energie spart. Wer das 30 Stunden in der Woche macht, bekommt dafür jeden Monat 900 Euro, und das drei Jahre lang.

Klingt richtig gut. Das findet auch die neue SPD-CDU-Regierung in Berlin und will die Bürgerarbeit jetzt auch in der Hauptstadt einführen. Allerdings gab es hier so etwas schon, den Öffentlichen Beschäftigungssektor nämlich. Den hat sich die Linkspartei ausgedacht. Das war ihr Prestigeobjekt, das aber jetzt der Bürgerarbeit weichen wird.

Doch lohnt sich das wirklich? Was ist dran am Mythos Bürgerarbeit?

Schaut man sich die aktuellen Zahlen aus dem Arbeitsministerium an, kann man eigentlich nur die Stirn runzeln: Gerade mal ein paar tausend Langzeitarbeitslose sind jetzt Bürgerarbeiter. Das ist viel zu wenig, kritisiert der Deutsche Landkreistag. So manche Kommune zahlt drauf, weil sich dieses Modell für sie nicht rechnet. Einige Städte und Gemeinden haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie ihre Hartz-IV-Empfänger nicht mehr in Eigenregie betreuen dürfen. Da wundert es nicht, dass man schon von einem Flop der Bürgerarbeit spricht.

Das Problem dieses Versuchs, Hartz-IV-Empfänger auf Teufel komm raus zum Jobben zu bringen, liegt schon im Ansatz der Idee: Die schwer Vermittelbaren sollen arbeiten, sie sollen sich weiterbilden und das, was sie tun, soll auch noch der Gemeinschaft nutzen. Aber es darf auf keinen Fall etwas sein, was sie auf den ersten Arbeitsmarkt wuppt. Denn die richtigen Jobs sollen von der Bürgerarbeit nicht verdrängt werden.

Also müssen die Bürgerarbeiter ihre Sozialabgaben selbst zahlen, arbeitslosenversichert sind sie auch nicht. Auf diese Weise wird verhindert, dass aus Hartz-IV-Empfängern nach einem Jahr wieder ganz normale Arbeitslose mit Anspruch auf Arbeitslosengeld werden.

Manch einen wundert das. Aber das war alles längst bekannt. Denn die Bürgerarbeit gab es nämlich schon vor fünf Jahren, in Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt. Der Bürgermeister der 4000-Seelen-Gemeinde hat sie sich ausgedacht - und er hat es tatsächlich gut gemeint: Die Arbeitslosen halfen in der Bibliothek, im Pflegeheim, im Rathaus. Manche von ihnen waren froh darüber, endlich hatten sie wieder was zu tun, das machte ihnen Spaß, sie gewannen Selbstvertrauen zurück und bekamen auch noch Geld dafür.

Aber schon die Organisation eines Stadtfestes offenbarte so manche Tücke: Die Bürgerarbeiter sollten Kostüme schneidern, nach ihren Ideen und für wenig Geld. Dagegen wehrte sich jedoch die Schmiedeberger Schneiderei, die Bürgerarbeiter würden die Preise drücken. Auch den Park durften die willigen Frauen und Männer nicht fegen, das war Aufgabe der Gärtnerei.

In Berlin entzündet sich der Streit um die Bürgerarbeit obendrein am Mindestlohn. Eben noch diskutierte die CDU im Bund darüber, dass im Westen mindestens 7,79 Euro und im Osten wenigstens 6,89 Euro gezahlt werden sollen. Da legen sich die Berliner Christdemokraten bereits fest. Sie wollen bei der Bürgerarbeit ganz auf ihn verzichten. Das ruft natürlich sofort die Kritiker auf den Plan: So werde Arbeit erster Klasse geschaffen, die nach zweiter Klasse bezahlt würde, sagen sie.

Und so ist es: Das Bürgerarbeitsgeld reicht nicht zum Leben. Und was dann? Dann sitzen die Bürgerarbeiter erneut auf dem Amt und beantragen einen Zuschuss für die Miete.

Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.
Simone Schmollack
Simone Schmollack© Dietl