Spiel zwischen Religion und Kunst

Von Ralf Bei der Kellen · 13.12.2008
"Dein Wort in Gottes Ohr" sagt man, wenn man seinem Gegenüber zu verstehen geben will: Na, hoffentlich klappt das auch so, wie Du Dir das gedacht hast. "Dein Wort in Gottes Ohr" ist nun auch der Titel eines Festivals in Berlin. In den einzelnen Veranstaltungen suchen Kuratoren und Künstler nach Spuren von Religion im Alltag und in der Kunst.
"Also, los ging das vor zwei Jahren zu Weihnachten, da kam ein bisschen die spinnerte Idee in diesem Adventsrausch auf, dass man dem doch eigentlich einmal etwas entgegensetzen müsste. Und ursprünglich war die Idee eigentlich, etwas anti-christliches, anti-weihnachtliches, so richtig mit 'Krach' und 'Bumm' in die Adventszeit zu setzen.

Je länger wir dann diskutiert haben, desto mehr haben wir gemerkt, dass das irgendwie nicht funktioniert und auch nicht so spannend ist. Und dann hat das über diese zwei Jahre fast gedauert, bis jetzt das Konzept irgendwie immer wieder neu diskutiert und umgewälzt wurde. Und jetzt steht halt 'Dein Wort in Gottes Ohr' als ein Festival zu Religion und Kunst."

Conrad Noack ist einer der Organisatoren des "ausland", einem Veranstaltungsort für experimentelle Musik und Kunst in Berlin. Zugleich gehört er zu den Kuratoren des mit Mitteln des Hauptstadtkulturfonds geförderten Festivals. Thomas Hauck ist einer der zum Festival eingeladenen Künstler.

"Also, als Künstler sollte man eigentlich ja schon wissen, dass ein großer Teil der Kunst - ich sage mal 'nietzscheanisch' - als 'Kunstreligion' zu bezeichnen ist, die auch ein Heilsversprechen macht wie die Religion. Ich habe neulich erst gelesen: Es wurden seit dem 19. Jahrhundert über 500 Manifeste, künstlerische, geschrieben, die immer 'das Ganze' wollen - wie die Religion auch - das heißt, das ganze Leben bestimmen.

Und deswegen ist es aber trotzdem spannend, diesen Vergleich und dieses Spiel zwischen Religion und Kunst zu betreiben und vielleicht lernt man da eben auch was über sein eigenes künstlerisches Tun. Ich glaube, es kann kein Künstler so einem Thema widerstehen, das ist einfach spannend."

Auch die Kunst hat ihre Kathedralen und Tempel, hat ihre Ketzer, ihre Päpste und Propheten. Im Zentrum der einzelnen Veranstaltungen von "Dein Wort in Gottes Ohr" steht je einer von fünf religiösen Themenkomplexen. Apokalypse, Ekstase, Ketzerei, Ritual und Glaube sind uralte christliche Begriffe, die noch immer tief in unserer Gegenwartskultur verwurzelt sind. Klimawandel und Finanzkrise sind unsere alltäglichen Apokalypsen. Und bei Massenveranstaltungen wie der Fußballeuropameisterschaft machen viele Menschen Erfahrungen von Gemeinsamkeit und Ekstase.

Musik sowie Installationen und Performances bilden die beiden Schwerpunkte des Festivals. Das musikalische Spektrum reicht vom experimentellen Elektroniker Jason Forrest, der als DJ-Prediger das Publikum zur Ekstase führen will bis zum Freejazz alter Schule, der von den konservativen Kreisen in den 60er Jahren als Ketzerei an der heiligen Tradition des Jazz verachtet wurde.

Zu den Installationen zählt unter anderem der sogenannte Gebetomat des Künstlers Oliver Sturm. Äußerlich einem Passbildautomaten ähnelnd, stellt der Gebetomat die kleinste Form eines spirituellen Raumes dar. In ihm kann man sich circa 300 Gebete aus allen Weltreligionen anhören - unter anderem das "Vater Unser" auf schwedisch.

Aufgestellt an öffentlichen Orten soll der Gebetomat Gelegenheit zur "Einkehr zwischendurch" bieten. Für den Künstler stellt er aber auch die "Kollision von intimem Gebet und der Automatisierung der Welt" dar. Im Rahmen des Festivals wird die Kabine im Hof der Sophiensaele aufgestellt. Dort befindet sich auch eine weitere Installation: die eiserne Kirche. In diesem Miniaturgebäude aus Blech wird die österreichische Künstlergruppe "Club Real" zur Spendung des achten Sakraments anleiten.

"Und was wir jetzt spenden im achten Sakrament, ist eben das Sakrament der Gewalt. Und darum gehts in dem ganzen Kunstwerk, dass in dieser Performance sich die Leute darauf einlassen, dem zustimmen, sich vertraglich verpflichten sollen - also, sie müssen nicht, sie können auch wieder gehen, wenn sie wollen - Gewalt ohne Gegengewalt anzunehmen. Also, es geht da um Vertrauen, sich auf was einzulassen, sich etwas auszusetzen, also wirklich ein Sakrament zu empfangen."

Was zunächst bizarr klingt, ist von der Künstlergruppe durchaus ernst gemeint. In dieser Performance geht es ihnen darum, dass der Empfänger des Sakraments jemand Fremden so viel Vertrauen entgegenbringt, dass er Gewalt an sich geschehen lässt. Welche Form diese konkret hat, will Hauck nicht verraten.

Die unterschiedlichen Veranstaltungen des Festivals bieten Anlass zur Einkehr und Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. Sie geben aber auch Gelegenheit, religiöse Ästhetik zu feiern oder sich auch einfach nur über Religion lustig zu machen.

"Sich über was lustig machen oder etwas lächerlich machen ist eine Waffe, ist auch eine Waffe, die ich anerkenne. Ich bin auch froh, dass es teilweise Performances oder Teile des Festivals gibt, die diese Waffe anwenden. Als ausschließliche Art, sich mit dem Thema Religion zu beschäftigen, ist mir das persönlich viel zu wenig."

Mit dem Festival wollen die Kuratoren dezidiert a-religiöse Menschen auf Religion aufmerksam machen und denjenigen, die sich religiösen Traditionen verhaftet fühlen, einen anderen Blickwinkel verschaffen. Ein Ergebnis des Festivals steht für Mit-Kuratorin Ruth Waldeier bereits jetzt fest:

"Was ich interessant fand, war, dass in der Vorbereitung zum Festival, egal, mit wem wir gesprochen haben - ob es Künstlerinnen waren, ob es Freunde oder Bekannte waren - dass alle schon wahnsinnig viel zum Thema Religion zu sagen hatten. Offenbar ist es etwas, das Leute zum diskutieren bewegt. Und das offenbar Leuten, egal in welcher Position sie jetzt zu Religion stehen, ein Anliegen ist."