SPD: Steinkohle-Ausstieg im Jahr 2014 nicht sozialverträglich

Moderation: Marie Sagenschneider · 07.02.2007
Die SPD beharrt weiterhin auf einem Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung im Jahr 2018. Ein Ende des Steinkohle-Abbaus im Jahr 2014 hätte betriebsbedingte Kündigungen und Massenentlassungen zur Folge, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner. Da könne die SPD nicht mitmachen.
Marie Sagenschneider: Insgesamt gibt es in Deutschland noch acht Steinkohlezechen, sieben davon in Nordrhein-Westfalen, eine im Saarland. Bis 2018 soll es damit endgültig vorbei sein. Dieses Ausstiegsszenario war eigentlich schon vereinbart, bis Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, plötzlich auf einem anderen Termin bestand: 2014 nämlich. Rüttgers will die Finanzierung der Folgekosten für sein Land drücken. Der Bund aber beharrt auf der ursprünglichen Vereinbarung, auch weil es dabei um den Börsengang des RAG-Konzerns geht. Um den Streit zu schlichten, hat Bundeswirtschaftsminister Glos heute nach Berlin geladen, und zwar Vertreter der Steinkohleländer, des Bundes, der Gewerkschaft und der RAG. – Klaus Brandner ist arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er gehört auch dem Aufsichtsrat der RAG an und ist nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen Herr Brandner!

Klaus Brandner: Guten Morgen Frau Sagenschneider!

Sagenschneider: Glauben Sie es wird heute zu einem Kompromiss kommen, oder liegen die Vorstellungen dazu doch noch zu weit auseinander?

Brandner: Ich finde der Kompromiss ist dringend notwendig, weil Sie wissen, dass der Kohlekompromiss uns als Sozialdemokraten nicht leicht gefallen ist. Ein Sockelbergbau war die von uns favorisierte Lösung, aber jetzt ist es aus unserer Sicht unerträglich, wie Herr Rüttgers mit diesem Kompromiss auf Kosten der Bergleute umgeht. Er schnürt ihn wieder auf und ich sage ganz deutlich: so würde aus meiner Sicht ein wirklicher Arbeiterführer nie handeln, denn die Verunsicherung, die er in das Land streut, ist eine ganz schlimme Botschaft. Die Menschen brauchen Verlässlichkeit und klare Perspektiven. Unter diesem Handlungsdruck ist natürlich auch die heutige Zusammenkunft. Deshalb baue ich darauf, dass Herr Rüttgers sich bewegt und sich an seine gemachten Zusagen erinnert.

Sagenschneider: Ein früherer Ausstieg würde bedeuten, dass es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt?

Brandner: Herr Rüttgers hat auf dem CDU-Parteitag noch deutlich gesagt, dass er auch für einen sozialverträglichen Abbau im personellen Bereich im Bergbau kommen will. Für uns sieht Sozialverträglichkeit ganz eindeutig so aus, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Würde es bei 2014 bleiben, müssten automatisch betriebsbedingte Kündigungen folgen. Insofern muss auch das heute klargestellt werden.

Sagenschneider: Und welchen Einfluss hätte das auf den Börsengang der RAG, wenn sich Rüttgers durchsetzen würde, wovon man ja wahrscheinlich nicht ausgeht?

Brandner: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Rüttgers bei diesem Spiel am Ende der große Sieger ist. Auch für den Börsengang der RAG hat das natürlich Folgen, weil die Entscheidung, sich in Deutschland letztlich einer modernen neuen strukturpolitischen Herausforderung zu stellen, mit diesem Zickzack, den Rüttgers jetzt veranstaltet, aufs höchste gefährdet ist. Der Einstieg in einen Börsengang wäre auch damit wiederum herausgezögert. Er wäre nicht mehr verlässlich und es wäre letztlich auch so, dass das, was einer Lösung zu erzielen ist, in Frage gestellt werden muss.

Sagenschneider: Sie gehen also davon aus, Herr Brandner, dass es bei dem ursprünglichen Szenario bleibt: Ausstieg 2018?

Brandner: Das ist für die SPD eine aus meiner Sicht unverrückbare Größenordnung. Wir werden uns oder sicherlich wird Steinbrück sich noch einmal fragen, inwiefern er gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle unterstützend tätig sein kann. Aber der Punkt bleibt: ein früherer Ausstieg hätte betriebsbedingte Kündigungen und Massenentlassungen zur Folge und einen solchen Kompromiss, wo betriebsbedingte Kündigungen und Massenentlassungen kommen, kann die SPD nicht mitmachen.

Sagenschneider: Was Herrn Rüttgers bewegt, das sind ja wohl in erster Linie die Kosten des Ausstiegs. Nun war schon die Rede davon, dass man sich einigen könnte, wenn der Bund großzügig ist und Nordrhein-Westfalen finanziell entgegenkommt. Die Variante, die da offenbar im Gespräch ist, lautet: Nordrhein-Westfalen zahlt ab 2016 keine Subventionen mehr, spart dadurch 780 Millionen Euro und der Bund übernimmt diese Kosten. Halten Sie das für eine realistische Variante?

Brandner: Das muss der Finanzminister am Ende entscheiden. Ich plädiere schon dafür, dass alle Beteiligten noch mal in sich gehen, um zu einem baldigen Ergebnis zu kommen, denn das, was jetzt passiert, ist ja ein Schritt, wo die Menschen, die so lange auf Veränderungen und auf Entscheidungen warten müssen, Klarheit haben müssen. 2012 ist ja das Datum, wo endgültig entschieden wird. Wir dürfen heute auch nicht davon ausgehen, dass das Verhandlungsergebnis ein anderes Signal gesetzt hat. Es hat ja ganz ausdrücklich gesagt, wir treffen jetzt eine Grundsatzentscheidung, die 2012 aber erst zu einem definitiven Ausstieg führen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Insofern glaube ich schon, dass wir auch gut beraten sind, diese Option so offen zu halten, dass sie gezogen werden kann. Wenn ich jetzt die Option schon als quasi eine unverbindliche Botschaft werte, dann sind die Dinge, die bis dahin noch passieren können, sowohl was die Energiesicherheit betrifft, was die Frage von internationalen Energiemarktentwicklungen betrifft, was aber auch davon abhängt, wie wir Kohle als Referenzbergbau brauchen insbesondere für die Hochtechnologie, die wir in der Bergbautechnik haben, das sind Entscheidungen, die man nicht übers Knie brechen darf. Deshalb glaube ich schon, dass es gut ist, dass wir das Gesamtpaket so haben, dass wir auf der einen Seite die Sicherheit der Beschäftigten bewerten und auf der anderen Seite aber auch die strukturpolitischen Entscheidungen für die Zukunft offen halten.

Sagenschneider: Aber ich sehe richtig, dass Sie Bundesfinanzminister Steinbrück durchaus empfehlen würden, auf Herrn Rüttgers zuzugehen und zu sagen, wir nehmen euch ein bisschen von den Kosten ab, damit es nicht so happig kommt?

Brandner: Ich würde am Ende eine Lösung bevorzugen, die insbesondere die Menschen sicherstellt, dadurch sicherstellt, dass Klarheit besteht, vor 2018 wird es keine endgültige Beendigung des Bergbaus geben, und das mit der Bedingung keine betriebsbedingten Kündigungen. Das hat für mich einen ganz hohen Vorrang und unter dem Gesichtspunkt würde ich auch werben, dass man alles daran setzt, zu einem Gesamtergebnis zu kommen.

Sagenschneider: Klaus Brandner, der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herzlichen Dank!