Spaniens "schönes Mädchen"

Von Julia Macher · 14.04.2006
Als Spanien am 14. April 1931 die zweite Republik proklamierte, war die Begeisterung groß. Doch was hoffnungsvoll begann, scheiterte am Widerstand der konservativen Eliten in Kirche und Militär und mündete im Bürgerkrieg. An dessen Ende errang General Francisco Franco die Macht.
"Im Namen der gesamten Regierung der spanischen Republik grüßt eine Stimme - die Stimme des Präsidenten - das Volk, bewegt und beflügelt von diesem unvergleichlichen, unnachahmbaren Schauspiel, welches diese Nation vor der ganzen Welt gegeben hat: Sie hat das Problem ihrer latenten Revolution und den zwingend notwendigen Strukturwandel auf wunderbar ruhige Weise und auf völlig legalem Wege gelöst."

Nicht nur Regierungspräsident Niceto Alcala Zamora ist am Abend des 14. April 1931 bewegt. In fast allen Städten begrüßen jubelnde Menschen mit rot-gelb-violetten Fahnen "la niña bonita", das "schöne Mädchen" Republik.
In der Tat ein erstaunliches Ereignis: Während sich das liberale System europaweit in der Defensive befindet, kehrt Spanien nach fast 50 Jahren Restaurationsmonarchie und 7-jähriger Militärdiktatur zurück zur Demokratie. Im Vergleich zur Ersten Republik von 1873 standen die Weichen diesmal günstiger.

Bei den Gemeindewahlen vom 12. April 1931 hatten in fast allen großen Städten die Republikaner und Sozialisten gesiegt: ein klares Votum für eine neue Staatsform, dem sich "Soldatenkönig" Alphons XIII. beugte.

"Die Wahlergebnisse zeigen mir, dass ich gegenwärtig nicht die Liebe meines Volkes besitze. Ich könnte zwar genügend Mittel und Wege finden, um meine königliche Vorherrschaft zu bewahren. Aber ich will mich hüten dazu beizutragen, dass in einem brudermörderischen Bürgerkrieg ein Landsmann gegen den anderen kämpft."

Doch die anfängliche Begeisterung über die friedliche Revolution wich schon bald der Ernüchterung. Die Republik sah sich mit einem ganzen Bündel von Problemen konfrontiert, an dessen Bewältigung schon die vorangegangen autoritären Regime gescheitert waren: das Verhältnis zwischen Staat und Religion, die Autonomiebestrebungen der Regionen, die Reform des Militärs, die soziale Frage, kurz: die Modernisierung des Landes.

Wichtigstes Instrument bei dem Weg in die Moderne sollte die unter der Linksregierung am 9. Dezember 1931 verabschiedete Verfassung sein.

"Artikel 26: Alle Religionsgemeinschaften werden als Vereine betrachtet. Sie unterliegen einem Sondergesetz."

"Spanien hat aufgehört, katholisch zu sein",

proklamierte Premierminister Manuel Azaña und zog sich damit den Hass der konservativen Kreise zu.

Das größte Konfliktpotenzial aber barg das Gesetz zur Agrarreform. Ein Drittel des fruchtbaren Landes befand sich in den Händen einiger Weniger, die Massen auf dem Land waren verarmt. Aus Andalusien kamen radikale Forderungen:

"Die Großgrundbesitzer müssen sofort enteignet werden! Und zwar ohne Entschädigung!"

Doch bei der Umsetzung ließ sich das mit der Reform beauftragte Institut viel Zeit. Nach zwei Jahren konnte gerade mal ein Zehntel der Bauern das versprochene Land beackern. Neben den erbitterten Protesten der Landbesitzer hatte die Regierung so auch mit den Revolten Landloser zu kämpfen.

Als die aus den Neuwahlen 1933 hervorgegangene Mitte-Rechts-Koalition sowohl die Kirchen- wie auch die Agrargesetze revidierte, riefen die anarchistischen und sozialistischen Gewerkschaften zu Revolten auf. Die blutigen Kämpfe des "spanischen Oktobers" von 1934 zeigten, wie tief gespalten die Gesellschaft inzwischen war.

Das konservative Kabinett dankte ab und die Volksfrontregierung legte bei der Agrarreform hektische Betriebsamkeit an den Tag. Doch alle Bemühungen, die jahrhundertealten Strukturen zu ändern, endeten am 18. Juli. Der Putsch des Generals Francisco Franco und seiner Mitverschwörer stürzte das Land in einen dreijährigen Bürgerkrieg.

"Am heutigen Tag haben die nationalen Truppen ihre letzten militärischen Ziele erreicht. Die rote Armee ist entwaffnet und besiegt. Der Krieg ist beendet. Burgos, 1. April 1939. Jahr des Sieges. Generalissimus Franco."

Aus dem französischen Exil beobachtete die letzte Regierung der Republik das Ende des "schönen Mädchens". Bis Spanien in demokratischen Wahlen wieder über sein politisches Schicksal bestimmen konnte, sollten 38 Jahre vergehen.