Spaltende Wahlen

Von Georg Gruber · 24.05.2006
Der Friedensprozess in Nordirland stockt, Protestanten und Katholiken tun sich schwer mit der Bildung einer Allparteienregierung. Vor 85 Jahren fanden auf der Insel die bis dahin letzten gesamtirischen Wahlen statt. Doch am 24. Mai 1921 wurden bereits zwei Parlamente gewählt, und damit war die Teilung des Landes vorgezeichnet.
Die Wahlen in Irland am 24. Mai 1921 fielen in die blutigste Phase des irisch-britischen Unabhängigkeitskrieges. Die gesamte Insel war damals noch Teil des Vereinigten Königreiches. Die Irisch-Republikanische Armee IRA versuchte, im bewaffneten Kampf die Loslösung zu erzwingen, während britische Sondereinheiten, die "Black&Tans", immer brutaler auch gegen die Zivilbevölkerung vorgingen.

"Wenn wir unseren Außenposten Irland nicht verstärken durch alles, was uns weltweit an Soldaten, Pferden, Gewehren und Flugzeugen zur Verfügung steht, werden wir Irland bis zum Ende des Sommers verlieren, und mit Irland das Empire","

warnte der Generalstabschef der britischen Armee, Henry Wilson, im Mai 1921.

Sinn Fein, die Partei der irischen Nationalisten und Katholiken, war schon damals eng mit der IRA verbunden. Intern hatte man lange darüber diskutiert, ob man zu dieser Wahl überhaupt antreten solle, da zwei Parlamente gewählt werden sollten, eines für 6 Grafschaften im Norden, wo die protestantischen Unionisten dominierten, und eines für die übrigen 26 Grafschaften. Die Teilung war im Dezember 1920 festgelegt worden, im "Government of Ireland Act", mit dem die britische Regierung eigentlich die Insel befrieden wollte. Denn schließlich wurde dort auch eine alte irische Forderung erfüllt: Home Rule - Selbstverwaltung.

Die Home-Rule-Bewegung entstand in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Ziel war damals nicht vollständige Unabhängigkeit, sondern mehr Autonomie innerhalb des Königreiches. Die Irische Parlamentspartei IPP verfolgte dieses Ziel auf politischer Ebene: 1885 gewann sie 85 der 103 irischen Sitze im britischen Parlament, wo sie der liberale Premier William Ewart Gladstone zur Mehrheitsbildung brauchte. Gladstone kam dafür der Autonomie-Bewegung entgegen, doch seine Home-Rule-Gesetzentwürfe scheiterten. Erst kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte ein Selbstverwaltungsgesetz verabschiedet werden. Irland stand vor einem Bürgerkrieg, da die irischen Protestanten, die lange eine privilegierte Minderheit gewesen waren, nun befürchteten, von London im Stich gelassen zu werden. Die Situation entspannte sich, als die Durchführung des Gesetzes verschoben wurde, bis zum Ende des Krieges.

Der Osteraufstand 1916 ist einer der Schlüsselmomente der irischen Geschichte:

""Männer und Frauen Irlands! … Wir erklären das Eigentumsrecht des irischen Volkes an seinem Land und sein Recht, frei über sein Schicksal bestimmen zu können."

Anfangs hegte die Bevölkerung wenig Sympathien für die Aufständischen, die das Hauptpostamt in Dublin besetzten und die Republik ausriefen. Die brutale Niederschlagung der Rebellion durch die Briten führte dann allerdings dazu, dass immer mehr Katholiken den Gedanken der Home Rule verwarfen und stattdessen vollständige Unabhängigkeit forderten. Sinn Fein erhielt immer größeren Zulauf und wurde immer radikaler. Von diesem Geist ist auch das Manifest getragen, das die Partei vor der Wahl im Frühjahr 1921 veröffentlichte:

"(Wer für Sinn Fein stimmt, stimmt) für die Rechtmäßigkeit der Republik; … für Freiheit und gegen Sklaverei, für Recht und Gesetz anstelle von Gewalt und Unrecht … gegen den Feind von außerhalb … und gegen die Verräter und Verzagten von innen."

Sinn Fein stellte in vielen Wahlkreisen den einzigen Kandidaten - und wurde der große Sieger dieser letzten gesamtirischen Wahl, die zugleich die erste im geteilten Land war. Im Süden gewann die Partei 124 von 128 Mandaten. Im wesentlich kleineren nordirischen Teilstaat gewannen die protestantischen Unionisten 40 von 52 Sitzen. Die katholische Minderheit wurde über viele Jahre gezielt ausgegrenzt:

""Wir sind ein protestantisches Parlament und ein protestantischer Staat", "

James Craig, der erste Premier Nordirlands 1934.

Der Süden wurde 1921 Freistaat innerhalb des Empire, mit einem ähnlichen Status wie Kanada und Australien. Sinn Fein spaltete sich in Befürworter und Gegner dieser Vereinbarung mit der britischen Regierung – und zerbrach daran. Erst in den 80er Jahren konnte sich die Partei, als politischer Arm der IRA, langsam wieder aus der Bedeutungslosigkeit hervorarbeiten. Viele Protestanten begegnen Sinn Fein jedoch noch immer mit Misstrauen.