So richtig in die Tasten hauen

Von Kay Müllges · 07.05.2007
Aus dem Verbraucherpreisindex, also dem Warenkorb, in den die Statistiker die 750 meistverkauften Waren und Dienstleistungen des privaten Verbrauchs legen, wurde sie im Jahr 2003 gestrichen: die Schreibmaschine. Doch zuvor bestimmte sie über Jahrzehnte den Arbeitsalltag, war aus Kontoren und Büros nicht wegzudenken. Und was ursprünglich mechanisch begonnen hatte, wurde schon relativ bald elektrisch.
In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte Leroy Anderson die Schreibmaschine als Musikinstrument, 1963 machte der amerikanische Komiker Jerry Lewis daraus einen furiosen Sketch für seinen Film Der Ladenhüter. Musik und Sketch arbeiten mit einer mechanischen Schreibmaschine, doch eigentlich hatte zu diesem Zeitpunkt der Siegeszug der "Elektrischen" bereits begonnen. Am 7. Mai 1957 wurde auf der Büromaschinenfachausstellung in Hannover die erste vollelektrische Schreibmaschine als Serienmodell vorgestellt. Doch ihre Geschichte ist sogar noch um einiges älter. Schon im Jahre 1903 tauchte mit der Blickensderfer Electric das erste Modell in den USA auf. Es konnte sich aber nicht durchsetzen. In Deutschland wurden die ersten Maschinen in den zwanziger Jahren produziert, weiß Rudolf Doose vom Schreibmaschinenmuseum in Kerpen:

"Elektrische Schreibmaschinen gab es ab 1927 gebrauchsfähige. Es gab vorher viele Versuche elektrische Maschinen zu bauen, die man aber missachten kann, weil es wirklich nur Versuche waren, die auch mehr oder weniger misslungen waren, das heißt, diese Maschinen waren nicht verwendbar."

Die erste elektrische Schreibmaschine in Deutschland war die von Carl Schlüns entwickelte Mercedes Elektra. Schlüns baute Schreib- und auch kombinierte Schreib- und Buchungsmaschinen, mächtige, im Kern mechanisch angetriebene Werkzeuge mit einem seitlich angeflanschten Elektromotor. In seinem Museum bewahrt Rudolf Doose eine solche Maschine und demonstriert ihren satten Klang:

Die Mercedes Elektra hatte übrigens nichts mit dem Autobauer aus Stuttgart zu tun. Schlüns hatte die Rechte an der Nutzung des Namens von Mercedes-Benz erworben, um so dem potentiellen Käufer zu suggerieren ein besonders hochwertiges Produkt zu erwerben. Je nach Modell kostete eine Mercedes Elektra damals zwischen 960 und 1470 Mark und war daher nur für sehr große Büros und Firmen erschwinglich. Deshalb dominierte in Deutschland noch bis in die 50er und 60er Jahre hinein die mechanische Schreibmaschine, mit erheblichen Folgen für die meist weiblichen Schreibkräfte. Rudolf Doose:

"Früher saßen die Damen dann in Schreibsälen mit 30,40,50 Frauen an geordneten Tischen und davor saßen mehrere Aufpasserinnen. Ich habe das selber noch erlebt in den sechziger Jahren und ich vergleiche das durchaus mit der Haltung von Galeerensklaven. Gehen sie mal davon aus, dass das Anschlagen einer Taste und das Befördern des Typenhebels auf die Walze, jeder einzelne Tippvorgang ungefähr 300 Stundenkilometer Geschwindigkeit auslöst. Da steckte Kraft hinter."

Ein Kraftaufwand, der durch elektrische Schreibmaschinen mit ihrem sehr viel leichteren Anschlag, deutlich reduziert werden konnte. Später kamen weitere technische Neuerungen hinzu, die die Arbeit erleichterten. Die Kugelkopftechnik ermöglichte erstmals das schnelle und unkomplizierte Wechseln von einem Schrifttyp zum anderen, später wurde das durch Typenräder noch einfacher. In den siebziger Jahren wurde die tastengesteuerte Korrektureinrichtung eingeführt, die das umständliche Korrigieren von Tippfehlern per Hand mit Tipp-Ex-Blättchen überflüssig machte. Ende der achtziger Jahre waren die großen – und teuren – Büroschreibmaschinen extrem hochgezüchtete und spezialisierte Arbeitsbienen. Den Wettlauf mit den damals aufkommenden Personal Computern verloren sie allerdings dennoch. Denn am PC konnte man nicht nur schreiben und drucken, sondern auch rechnen und zeichnen und spielen und sehr bald auch im World Wide Web surfen.