"so nah - so fern"

09.11.2009
Der 20. Jahrestag des Mauerfalls ist im Programm von Deutschlandradio Kultur auch musikalisch präsent. Wir senden ein Konzert des Ensembles Avantgarde aus Leipzig, das hintergründig und doppelbödig an die Neue Musik in der DDR erinnert. Sie zähle zum "besseren Vermächtnis" der DDR, so sagte einmal Frank Schneider, einer der besten Kenner der DDR-Avantgarde und langjähriger Intendant des Konzerthauses Berlin.
"So nah – so fern" war das Motto des Konzerts am 14. Oktober 2009 im Gewandhaus zu Leipzig – eine Anspielung an ein Ensemblestück von Friedrich Goldmann, das "So fern – so nah" überschrieben war. Auf dem Programm stehen Werke von Reiner Bredemeyer, Friedrich Goldmann, Georg Katzer und Friedrich Schenker. Es sind vier Komponisten jener Generation, die in den 60er Jahren als "Junge Wilde" gegen das ästhetische Diktat der SED aufbegehrten, die schließlich nach vielen Widerständen in den 80er Jahren zu auch im Westen sehr geschätzten Vertretern der Neuen Musik in der DDR avancierten und die nach einer kurzen gesamtdeutschen Konjunktur ab Mitte der 90er Jahre zusehends in den Hintergrund gerieten.

Die meisten Stücke des Konzerts wurden für die "gruppe neue musik hanns eisler" geschrieben, die fast ein Vierteljahrhundert lang unerschrocken gerade die unangepasste Neue Musik beförderten. Dabei spielte nicht selten auch Ironie eine große Rolle. Der Musikwissenschaftler und Dramaturg Gerhard Müller drückt es so aus: "Das bedeutete Tabubruch, Vermischung von Hoch- und Trivialkultur, Maskenspiel. Es ging nicht um Operettenfröhlichkeit, sondern um eine extravagante Sichtweise, die als Lüge zeigt, was als Wahrheit gilt, das Stürzende, bevor es stürzt, das Kommende, bevor es erscheint. Es war das ‚Nein’ des Künstlers zu den vorgefundenen Zuständen."

Das Ensemble Avantgarde unter der Leitung des Pianisten und Komponisten Steffen Schleiermacher ist in mancher Hinsicht ein legitimer Erbe dieses Ensembles. Und so wird denn auch Steffen Schleiermacher zu Gast im Studio sein, um über das Konzert und seine Erinnerungen an die Neue Musik in der DDR (und danach) sprechen.



Gewandhaus Leipzig, Mendelssohn-Saal
Aufzeichnung vom 14.10.2009

"so nah - so fern: DDR"

Friedrich Goldmann
"vorherrschend gegensätzlich"
Quintett (variabel) mit Randglossen für 8 Spieler (1980)

Georg Katzer
"Dialog imaginaire I" für Flöte und Tonband (1982)

Reiner Bredemeyer
"Die Warstein-Sonate" für Klavier (1994)

Friedrich Schenker
"Foglio II" für Quintett (1982)

Friedrich Schenker
"Hörstück mit Flöten" für Flöte und Tonband

Georg Katzer
Ballade für Klarinette und Schlagzeug (1982)

Friedrich Goldmann
Vier Klavierstücke (1973)

Reiner Bredemeyer
"Oktett 81" (1981)


Ensemble Avantgarde:
Ralf Mielke, Flöte
Matthias Kreher, Klarinette
Stefan Stopora, Schlagzeug
Josef Christof, Klavier
Leitung und Klavier: Steffen Schleiermacher