Simone Buchholz: "Beton rouge"

Melancholie und nebelverhangene Stimmung

Simone Buchholz' Roman "Beton Rouge" (Suhrkamp Nova).
Simone Buchholz' "Beton Rouge" ist Teil unserer Krimi-Bestenliste. © Suhrkamp / imago stock&people
Von Sonja Hartl · 18.08.2017
Es sind die Unglücke des Alltags, die Staatsanwältin Chastity Riley in "Beton Rouge" zunehmend erschüttern. Unsere Kritikerin Sonja Hartl lobt den besonderen Erzählstil der Krimiautorin Simone Buchholz, die hinreißend eigenwillige Sprachbilder schafft.
In Hamburg regnet es, der Abend ist grau und ungemütlich. Zufällig kommt Staatsanwältin Chastity Riley an einem Unfallort vorbei, ein Auto hat eine Frau überfahren, und der Fahrer ließ sie auf dem Asphalt liegen. Riley bietet ihre Hilfe an, aber die Kollegen haben die Kripo schon informiert, daher muss sie nicht bleiben. Am nächsten Morgen ist von dem Regen nur noch der Dunst über der Stadt geblieben, ansonsten ist es warm für Ende September. Aber der Nebel um Riley ist nicht verschwunden. Sie kann sich kaum aufraffen, zur Arbeit zu gehen, kann diesen Unfall nicht vergessen, die Frau, die verdreht auf der Straße lag. Dabei wartet schon am nächsten Morgen ein weitaus spektakulärer Fall auf sie: Vor der Tür von Hamburgs größtem Verlagshaus wurde ein Käfig abgestellt, in dem ein nackter Mann steckt. Und es wird nicht der einzige Käfig bleiben.

Kleine Katastrophen

"Beton rouge" ist der siebte Auftritt von Chastity Riley, der Staatsanwältin mit dem ungewöhnlichen Namen, den sie ihrem Vater zu verdanken hat, einem amerikanischen Soldaten. Sie arbeitet in Hamburg, ist unbeirrt, direkt und bisweilen ein wenig schroff, aber ihre Chefin weiß zu schätzen, dass Riley keine Probleme damit hat, sich unbeliebt zu machen. Sie bestimmt den spröden, lakonischen Ton dieser Reihe, den trockenen Witz. Und zu ihr gehört ein Freundes- und Kollegenkreis, der im Verlauf dieser Bande größer geworden ist. Er ist der Fixpunkt in ihrem Leben, hier findet sie Halt und Unterstützung.

Auf der Frankfurter Buchmesse haben wir mit Simone Buchholz über "Beton Rouge" gesprochen:
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Jedoch verändern sich ihre Freunde zusehends. Wie Chastity Riley sind sie nicht mehr Mitte 30, sondern eher Mitte 40, sie sind erwachsener und zunehmend absorbiert von ihren eigenen Leben und Problemen. Und hier gelingt es Simone Buchholz, ihren Figuren stets ihre Glaubwürdigkeit zu belassen. Chastity Riley und ihren Freunden passieren kleine Katastrophen, sie werden betrogen, verlassen, belogen und enttäuscht, Lebensentwürfe und -wünsche erweisen sich als inkompatibel.

Abgrund hinter der Nebelwand

Deshalb gibt es hier keine großen Effekte oder Schlachten gegen das Böse, sondern Unglücke des Alltags, die Chastity Riley zunehmend erschüttern. Diese Melancholie und nebelverhangene Stimmung ergeben mit dem eigenwilligen und besonderen Erzählstil von Simone Buchholz eine bestechende Mischung. Sie hat eine klar zu erkennende Erzählstimme, sie traut sich einen eigenen Stil zu und schafft dabei hinreißend eigenwillige Sprachbilder. In ihrem Roman "stellt" der Regen "Wände in die Nacht" und sieht der Mond aus, "als wäre ihm schlecht". Die Staatsanwältin, das verbirgt sich hinter diesen Formulierungen, ist weiterhin stark und direkt, aber zugleich ist da etwas in ihr, das sie nicht zu fassen bekommt, sie aber ahnen lässt, dass sich etwas verändern wird. Die Anker, die sie geworfen hat, beginnen sich langsam zu lösen. Und so finden am Ende zwar alle Fälle eine Aufklärung. Auf Chastity Riley aber wartet ein Abgrund hinter der dichten Nebelwand.

Simone Buchholz: "Beton rouge"
Suhrkamp, Berlin 2017
227 Seiten, 14,95 Euro

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