Schwul-lesbisches Sportfest

Geheime Spiele

Sonja Klümper im Gespräch mit Frank Meyer · 03.03.2014
Bombendrohungen, technische Störungen, Rauchbomben - immer wieder kam es während der Open Games in Russland zu Versuchen, das schwul-lesbische Sportfest zu stören. Die Sportlerin Sonja Klümper findet trotzdem, dass die Spiele ein Erfolg waren.
Frank Meyer: Bei den Olympischen Winterspielen in Russland war die homosexuellenfeindliche Politik in dem Land immer wieder ein Thema, und jetzt gab es zum ersten Mal ein internationales schwul-lesbisches Sportfest in Russland: die Open Games. Aus Berlin sind zwölf Frauen der NGO Discover Football nach Moskau gefahren, sie haben um den Pokal im Hallenfußballturnier mitgespielt. Eine von ihnen war Sonja Klümper, und die ist jetzt bei uns im Studio. Seien Sie herzlich willkommen!
Sonja Klümper: Hallo, danke!
Meyer: Während dieser Open Games begann ja auch der russische Einmarsch auf der Krim, war das irgendwie Thema bei den Spielen, haben Sie davon überhaupt etwas mitbekommen?
Klümper: Nicht so wirklich. Also wir selber erst mal nicht. Weil wir auch gar keine russischen Zeitungen lesen können, haben wir nicht so viel mitbekommen, und für, glaube ich, russischen Teilnehmerinnen waren die Open Games so ein einmaliges Ereignis und so wichtig und ja, so prägend, dass es das Hauptthema war und ja, der Krimeinmarsch gar nicht so.
Meyer: Sie sind letzten Mittwoch nach Moskau gekommen und haben gleich bei der Ankunft jetzt sehr spezielle Erfahrungen mit russischer Gastfreundschaft gemacht, Ihre Hotels waren auf einmal nicht mehr da oder nicht mehr zugänglich. Was war da los?
Klümper: Ja, wir kamen am Flughafen an und wurden von den Veranstalterinnen abgeholt, und die waren dann ja relativ aufgeregt und mussten halt für uns neue Hotels organisieren, weil denen kurz vorher alle Hotels für alle ausländischen Gäste gekündigt worden waren, also sowie alle Verträge der Sportstätten, und mussten halt kurzfristig neue Hostels und Hotels organisieren.
Immer wieder Versuche, die Spiel zu verhindern und stören
Meyer: Und es gab während der, soweit ich gelesen habe, während der ganzen Spiele immer wieder solche Versuche, die Spiele zu behindern, zu stören – was ist da noch passiert?
Klümper: Ja, also eigentlich hat fast gar keines der Events und Sportveranstaltungen wirklich ungestört stattfinden können. Also es gab von Bombendrohungen über angebliche technische Probleme bis zu Rauchbomben ziemlich viele Versuche, diese Spiele zu unterbinden und zu stören, und die Veranstalter gehen halt davon aus, dass das wirklich von russischer Regierungsseite kommt. Also es fing an … Am ersten Tag sollte es eine Konferenz geben zu Homosexuellenrechten, Sport und Menschenrechten, und wir saßen da gerade zehn Minuten, da ging plötzlich das Licht aus, und dann waren es halt sogenannte technische Probleme, weswegen es keinen Strom angeblich mehr gab und wir den Raum verlassen mussten.
Und einer der Veranstalter hat auch einen Anruf bekommen, dass wir innerhalb von zehn Minuten das Gebäude verlassen sollen, dass ansonsten die Polizei das räumen wird. Und da gab's halt etliche solcher Beispiele. Zum Beispiel beim Eislaufen haben wir es an zwei Eisbahnen versucht, es sollte einen Workshop geben von einem ehemaligen Eiskunstläufer, und wurden bei beiden Bahnen abgewiesen, und bei der dritten gab's dann ungefähr nach zehn Minuten eine Durchsage, alle sollen sofort die Eisfläche verlassen wegen technischer Probleme. Und das haben wir dann nicht sofort gemacht, und dann kam auch gleich die Polizei auf die Eisfläche und hat die Leute runtergeholt.
Meyer: Also dieses ganze Vorgehen der russischen Seite war also … Die Spiele waren nicht offiziell verboten, aber es wurde alles dafür getan, um sie möglichst massiv zu stören?
Auf ein offenes Verbot hätte man reagieren können
Klümper: Genau, das ist auch das Frustrierende daran, weil das nicht ein offenes Verbot – darauf könnte man ja auch politisch reagieren irgendwie, weiß nicht, also eine politische Reaktion darauf machen. Dadurch, dass das so hintenrum war, ist es einfach sehr frustrierend. Es gab halt immer … Jede Sportstätte oder jede Bar oder Club, wo die Eröffnungsveranstaltung sein sollte, hat dann immer einen Anruf bekommen, in dem gesagt wurde, bitte, lassen Sie dieses Event dort nicht stattfinden.
Meyer: Wer waren die Anrufer, haben die sich zu erkennen gegeben?
Klümper: Also vonseiten der Veranstalterinnen, sie haben uns halt gesagt, dass sie halt sich sehr sicher sind, dass es vonseiten der russischen Regierung ist, und sie hatten auch das Gefühl, dass sie vom Geheimdienst verfolgt werden und dass sie daher auch oft wussten, an welchen Sportstätten wir sind. Weil die haben dann immer wieder versucht, Ersatzorte zu organisieren für die ganzen Wettkämpfe, haben es auch oft geschafft, ich glaube, sie mussten auch oft dafür ziemlich viel Geld bezahlen, oder mutige Leute haben halt eben als Unterstützungsgeste ihre Sporthallen zur Verfügung gestellt, aber das war nicht so einfach.
Meyer: Sie sind auch oft richtig konspirativ irgendwohin bestellt worden, um dann zu einem Sportereignis gelotst zu werden?
Klümper: Genau. Also die Orte waren von Anfang an geheim gehalten. Nachdem es so viele Störungen gab, war es wirklich so, dass wir halt eine Uhrzeit genannt bekommen haben, zu einer bestimmten Uhrzeit an einer U-Bahn-Station sein mussten und wurden halt da abgeholt und sind dann von dort aus in Kleingruppen halt zur Sportstätte gegangen, sollten halt noch nicht mal mehr uns in einer großen Gruppe bewegen, um halt einfach nicht aufzufallen.
Meyer: Das heißt wahrscheinlich auch, dass Publikum dann gar nicht dabei sein konnte unter diesen Umständen.
Klümper: Genau, es gab gar kein Publikum, eigentlich waren immer nur die Teilnehmerinnen anwesend, ja.
Meyer: Es gab auch internationale Gäste aus der Politik, wer ist da gekommen, um auch zu zeigen, wir unterstützen diese Spiele?
Klümper: Es war die niederländische Sportministerin da, und da hat man auch gesehen, dass so eine Unterstützung halt aus der Politik, so eine Solidaritätserklärung eigentlich sehr hilfreich ist. Sie war ungefähr zwei Stunden beim Hallenfußballturnier, wo wir auch gespielt haben, und während dieser zwei Stunden, während sie da war, ist nichts passiert, das Turnier konnte ganz normal ablaufen. Und sie war ungefähr eine Minute aus der Halle raus, dann gab's sofort die obligatorische Bombendrohung, die Polizei kam rein, wir mussten alle die Halle verlassen, und das Turnier wurde erst mal abgebrochen.
Meyer: Woran man sieht, dass das auch ein Schutz sein könnte, wenn zum Beispiel auch Politiker aus Deutschland gekommen wären oder der deutsche Botschafter?
Klümper: Ja, ja, das ist schade, dass die das nicht gemacht haben. Es gab noch andere Unterstützung, internationale, aus Frankreich und den USA, und ich glaube schon, dass so eine zurückhaltende Politik eben manchmal auch Solidarität verweigert. Und ich glaube, dass die anderen Länder sich da positioniert haben, das eben auch ein Schutz war für die Veranstaltungen.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen über die Open Games in Moskau, das erste schwul-lesbische Sportfest in Russland, mit Sonja Klümper von der Berliner NGO Discover Football. Sie war in Moskau dabei. Was haben Sie für einen Eindruck, was hat das Ganze jetzt für die russischen Veranstalter für Folgen? Werden die das noch mal machen?
"Es war ein Erfolg!"
Klümper: Also ich glaube, erst mal für die Teilnehmerinnen und die Veranstalter, also ich würde schon sagen, dass das Ganze ein Erfolg war, weil egal wie viel es gestört wurde, es konnte halt nicht gestoppt werden, dass Leute sich miteinander vernetzen, miteinander solidarisch sind, dass halt irgendwas entsteht, eine Bewegung. Und das hat, glaube ich, viel Kraft und Mut gegeben und das hat, glaube ich, ganz viel erreicht. Und ich glaube schon, dass einige der russischen Veranstalterinnen auch mit Repressionen rechnen müssen, es wurden auch öfter ihre Personalien aufgenommen. Ja, ich hoffe halt, dass die Repressionen nicht zu groß sind, aber das kann man gerade noch nicht absehen.
Meyer: Wie war das für Sie jetzt, hatten Sie an dem Ganzen noch so etwas wie Freude, oder hat dann auch die Sorge, was einem auch persönlich vielleicht passieren kann, dann überwogen?
Klümper: Also natürlich gab es auch etliche Momente, wo wir beunruhigt waren oder auch nicht … aber irgendwann, beim Fußball zum Beispiel, vergisst man es dann doch auch wieder, dass es irgendwie eine beunruhigende Situation ist. Aber eigentlich hat wirklich überwogen die Freude darüber, dass wir da hingefahren sind, weil wir so viel tolle Menschen kennengelernt haben, die einfach inspirierend für uns waren, weil die so viel Mut haben, sich für so was einzusetzen, was einfach nicht so leicht ist in der Situation im Moment in Russland. Und deswegen hat es eigentlich überwogen, dass wir total froh sind, dass wir da hingefahren sind.
Meyer: Sie haben auch am Ende noch – das spricht dann eher für Ihren Mut – eine Aktion mit einer Regenbogenfahne auf dem Roten Platz gemacht. Was haben Sie da getan?
Klümper: Ja, die Regenbogenfahne als Symbol oder als Demonstrationssymbol ist halt verboten in Russland, und wir wollten halt dem Veranstalter und allen, die wir da kennengelernt haben, halt selber noch mal so praktisch Solidarität zeigen und sagen, okay, wir bekennen uns mit euch solidarisch und machen halt ein Foto vor dem Kreml mit der Regenbogenfahne. Und ja, das war eigentlich eine absurde Situation, weil wir nervös waren vorher, halt ein Foto mit einer Regenbogenfahne zu machen, was man sich eigentlich sonst nicht vorstellen kann, dass man für ein Foto mit einer Regenbogenfahne nervös ist. Und das zeigt halt schon, dass die Situation eine andere ist.
Meyer: Und für Sie persönlich, würden Sie noch mal nach Moskau fahren zu den nächsten Open Games?
Klümper: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, die ganzen menschlichen Begegnungen und was daraus entstanden ist, das hat sich sehr gelohnt, also auch der ganze Stress und Druck, der da herrscht. Also ich glaube, dass alles in allem diese mutigen Menschen einfach … ja, das war so inspirierend und es war schön, das mitzuerleben.
Meyer: Die Open Games, das erste internationale schwul-lesbische Sportfest in Moskau, ist am Wochenende zu Ende gegangen. Aus Berlin war Sonja Klümper dabei von der NGO Discover Football. Ich danke Ihnen sehr für den Besuch!
Klümper: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.