Schrubben gegen Rechts

Von Klaus Schirmer · 06.05.2013
Jahrelang wurde Irmela Mensah-Schramm mit ihrem Engagement gegen Rechtsradikalismus belächelt oder sogar für verrückt gehalten. Die Rentnerin zieht mit Ceranschaber und Nagellackentferner in Berlins braunen Bezirken gegen Nazi-Schmierereien zu Felde - nicht ohne Gegenwind.
Schöneweide, im Südosten Berlins. Ein Wohngebiet mit schlichten drei- bis vierstöckigen Mehrfamilienhäusern. Irmela Mensah-Schramm steht vor einem Altkleidercontainer und schrubbt mit einem scharfen Schaber für Cerankochfelder einen Aufkleber weg. Auf dem steht: "Jetzt reicht's! Ausländer raus!"

Ihre Arbeitskleidung sind eine blaue Jacke, Pulli und Jeans. Sie sieht deutlich jünger aus als ihre 67 Jahre. In Schöneweide geht sie jede zweite Woche auf Putzstreife. Die Anwohner kennen sie längst.

"Da kommt einer raus geschossen aus einem Einfamilienhaus. Sind Sie schon wieder da, um zu schmieren? Was? Schmieren? Hören Sie mal, habe ich gesagt, hier steht Ausländer raus! Ich bin hier um ausländerfeindliches Geschmiere zu übermalen und das darf ich tun. Nein! Lassen Sie das stehen, ich kann gut damit leben. Dann habe ich gesagt: Hören Sie! Ich will nicht, ich kann nicht und ich darf damit auch nicht leben! Das kommt ab! Und außerdem habe ich mal die Bundesverdienstmedaille dafür bekommen. Nein! Nein! Sagen Sie mal Ihren Namen! Das kann ich nicht fassen! - Mein Name heißt Schramm. Und der Vorname? Sag ich: Der geht sie nichts an!"

Der Südosten Berlins gilt als Hochburg der Rechtsextremen, auch weil in den vergangenen Jahren viele Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet hier hergezogen sind. In einem Stoffbeutel, auf dem "Gegen Nazis" steht, führt Irmela Schramm ihr Werkzeug mit. Neben dem Ceranfeldschaber sind das ein Nagellackentferner gegen hartnäckige Edding-Schmierereien und Spraydosen gegen großflächige Parolen und Hakenkreuze.

Rund 100.000 Aufkleber und Graffiti mit rassistischen Parolen hat die Rentnerin nach ihren Angaben schon besprüht, übermalt oder abgekratzt.
Rund 100.000 Aufkleber und Graffiti mit rassistischen Parolen hat die Rentnerin nach ihren Angaben schon besprüht, übermalt oder abgekratzt.© picture alliance / dpa / Victoria Bonn-Meuser
Hasstirolen mit Edding
Hastig blickt sie beim Gehen von links nach rechts, mustert Stromverteilerkästen, Laternenmasten, Verkehrsschilder. Schon von weitem erkennt sie vor einem kleinen Park eine Schmiererei auf einem dreieckigen grünen Metallschild.

"Stoppt Tierversuche! Nehmt Moslems!" ist mit schwarzem Edding auf das Schild gekritzelt.

"Jetzt nehme ich einen Nagellackentferner - geht wunderbar damit weg!"

Sie tropft den Nagellackentferner in ein Taschentuch und wischt damit. Zurück bleibt eine vom Aceton aufgelöste rote Schmiere.

"Und wenn dann so eine Schmierage entstanden ist, dann wird sauber gemacht!"

Vom Bezirksamt. Ein Mann, Ende 30, bleibt stehen und schaut ihr neugierig zu.

Schramm: "Ich mache die Nazi-Sachen immer weg."
Mann: "Okay. Okay, das ist eine schöne Sache."
Schramm: "Ich finde das schlimm, was sich hier abspielt! Es sind ja Schmierereien übelster Art, Hetze gegen alles, was anderes aussieht, denkt und lebt und das lasse ich nicht zu."
Mann: "Das ist richtig so. Mir fällt es ehrlich gesagt nicht so oft auf. Aber vielleicht hat man einfach den Blick dafür nicht mehr, zu mal wenn man hier aufgewachsen und geboren ist, kennt man es nicht anders." (lacht leicht) "

Wenn kein Mikrofon dabei ist, bekommt sie auch ganz andere Reaktionen:

""Ich habe es auch erlebt, wenn ich in der S-Bahn angegriffen wurde von Fahrgästen, die mich gepackt haben und hinaus geschoben haben am Bahnsteig. Da habe ich 'Sieg heil' ausgestrichen. Und dann wurde von der Zugabfertigerin die Polizei gerufen mit den Worten: 'Hier ist eine Frau, die hat Schmierereien beschmiert!' Dann musste ich warten bis der Polizist da war und der sagte dann lächelnd zu mir: 'Ich muss sie leider enttäuschen. Sie haben vollkommen richtig gehandelt'."

Putzspaziergang einmal im Monat
Gegenüber vom S-Bahnhof Schöneweide befindet sich das "Zentrum für Demokratie Treptow Köpenick", eine Einrichtung des Bezirks zur Rechtsextremismusprävention.

In seiner Arbeit lässt sich das Zentrum gerade von Irmela Schramm inspirieren. Einmal im Monat bietet man einen Putzspaziergang durch den Kiez an, bei dem die Teilnehmer auch die entsprechenden Hilfsmittel erhalten, erzählt Yves Müller, einer der Mitarbeiter:

"Sie hat uns mit ihrem Know-how auf Ideen gebracht. Ich kann Ihnen das auch zeigen. Wir haben jetzt für zukünftige Putzspaziergänge so eine Art Anfänger- oder Einsteiger-Kit entwickelt inzwischen, wo auch so was wie ein Nagellackentferner für halt hartnäckige Aufkleber drinnen ist und dergleichen. Und wir haben jetzt zwei größere Spaziergänge mit 70 Leuten gemacht und das geht dann von jung bis alt."

"Ich find das unmöglich!" Irmela Schramm schüttelt den Kopf. Direkt neben dem Spielplatz einer Kita ist über die Außenwand einer kleinen Turnhalle ein riesiges schwarzes Hakenkreuz gesprüht.

"Da möchte ich jetzt ran und wenn ich die ganze Spraydose verwende."

Um das Hakenkreuz über die ganze Fläche zu überdecken, bräuchte sie allerdings etliche Spraydosen.

Schramm: "Ich mache jetzt ein Gesicht draus, weil ich alles eh nicht wegkriege, versuche ich das so zu entstellen: eine Nase." (lacht) "

Das Hakenkreuz bekommt nun eine rote Nase, Sommersprossen und einen traurigen Mund verpasst. Schramm lacht.

Keine Angst vor Strafanzeigen
Der Staat macht in ihren Augen viel zu wenig gegen die Gefahr von rechts. Das lässt der überzeugten Pazifistin keine Ruhe. Von Passanten erntet sie meistens Gleichgültigkeit - oder Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung.

""Jaaaa sicher geht mal was kaputt, das ist klar. Ich sage immer, dass das Anbringen von Nazi-Symbolen auch Sachbeschädigung ist und man kann die Sache nicht noch mal beschädigen. Und ich habe z.B. auch erlebt in Sachsen, in Wurzen, da war der ganze Bahnhof übersät von Nazi-Parolen, also da haben eimerweise Farbe nicht gereicht um alles zu übermalen. "

Weil der beige Bahnhof auf einmal literweise schwarze Farbe abbekommen hat, alarmiert der Bahnhofsvorsteher die Polizei.

"Und dann habe ich dem Polizisten gesagt: 'Wissen Sie, das kann man doch alles wieder reparieren, einen Bahnhof neu streichen, aber die verletzte Menschenwürde, die lässt sich nicht reparieren.' Wer als Adressat das gelesen hat, wie 'Ausländer in die Gaskammer', 'Jude verrecke', wenn die das mal gelesen haben, das bleibt bei denen fest in der Erinnerung, geht nach innen und das tut weh. "