Putsch im Mutterland der Demokratie

Von Eberhard Rondholz · 21.04.2007
Im Sommer 1965 hatte der griechische König Konstantin mit dem Sturz des Ministerpräsidenten Georgios Papandreou eine Verfassungskrise ausgelöst. Als schließlich im Frühjahr 1967 Neuwahlen unumgänglich wurden, plante der Monarch mit Teilen der Generalität für den Fall eines erneuten Wahlsiegs Papandreous einen Militärputsch. Doch andere kamen ihm zuvor.
"Seit Mitternacht sind die Bestimmungen der Artikel 5, 6, 8, 10, 11, 12, 14, 18, 20, 95 und 97 der geltenden Verfassung außer Kraft gesetzt, wegen offensichtlicher Gefahren für die innere Sicherheit, Ruhe und Ordnung. "

So erlebten die Athener die Morgenstunden des 21. April 1967: Panzer rollen durch die Innenstadt, im Radio Marschmusik und martialische Kommuniqués. Militärs haben die Macht ergriffen in einem Land des freien Europa und lassen noch in der Nacht Hunderte als gefährlich für die innere Sicherheit erklärte Bürger verhaften, vom kommunistischen Parlamentsabgeordneten bis zum liberalen Ex-Premier Georgios Papandreou. Die Mehrzahl der Verhafteten wurde auf die berüchtigte baumlose Insel Jaros verbracht, die schon in der Antike als Verbannungsort gefürchtet war und zuletzt während des Bürgerkriegs der 40er Jahre als Konzentrationslager gedient hatte. Und wie reagiert die "freie Welt?"

"Ich bin glücklich, feststellen zu können, dass Griechenland weiterhin eine kräftige Stütze der NATO bilden wird","

verkündete eine Woche nach dem Putsch in Washington US-Außenminister Dean Rusk. Die neuen Stützen der NATO, die drei Mitglieder der Obristen-Troika, Georgios Papadopoulos, Stylianos Pattakos und Nikolaos Makarezos, waren nicht umsonst alle Gehaltsempfänger der CIA, ihr Staatsstreich war, davon sind die Griechen noch heute überzeugt, mit Washington abgesprochen. Der Nahost-Konflikt spitzte sich wieder einmal zu, der Sechs-Tage-Krieg stand vor der Tür, es galt, die volle Kontrolle über die US-Basen in Griechenland zu sichern. Und das mochte Washington angesichts eines bevorstehenden Wahlsiegs der liberalen Zentrumsunion unter Georgios Papandreou nicht gewährleistet erscheinen. Einen solchen Wahlsieg fürchtete auch der griechische König Konstantin, der Papandreou zwei Jahre zuvor gestürzt und damit eine politische Dauerkrise ausgelöst hatte. Er hatte sich deshalb selber mit einem Teil der Generalität auf einen Putsch vorbereitet, für den Tag nach der Wahl. Nun macht er gute Miene zu einem Spiel, bei dem er selber gern die Hauptrolle übernommen hätte, statt, wenig später, die Krone zu verlieren.

""Wissen Sie, was mich der König in aller Offenheit fragte? Warum haben Sie mir denn nichts gesagt? Der König sagte nicht: Sie haben falsch gehandelt. Er sagte: Ich hätte es selbst gemacht. Und ich erwiderte: Majestät, Staatsstreiche macht man nicht nach den Wahlen, sondern davor"."

so einer der Putsch-Obristen später vor dem Athener Landgericht über einen Dialog mit dem Monarchen, der dann seine Unterschrift unter alles setzte, was die Putschisten ihm vorlegten und sich anschließend mit ihnen vor der Presse zum Gruppenbild stellte. Ein dilettantischer Versuch Konstantins, sich selber an die Spitze des Regimes zu putschen, scheiterte wenige Monate später. Er musste außer Landes gehen, und das war auch das Ende der Monarchie in Griechenland. Der starke Mann der Putsch-Obristen, Georgios Papadopoulos, lieferte der Weltpresse für die Abschaffung der Demokratie in ihrem Mutterland diese Begründung:

""Wir haben es mit einem Kranken zu tun, den wir auf den Operationstisch gelegt haben. Und wenn der Chirurg den Patienten während der Operation nicht auf dem Operationstisch festbindet, kann es geschehen, dass er ihn, statt seine Gesundheit wiederherzustellen, in den Tod führt. Damit er die Operation gefahrlos übersteht, müssen wir ihn fesseln!"

Gefesselt und gefoltert werden Tausende von Gegnern des Regimes, und das freie Europa schaut zu, sieben Jahre lang. Die Junta stürzt sich am Ende selbst mit ihrem Zypern-Abenteuer, als sie im Juli 1974 in Nikosia gegen Staatschef Makarios putscht, mit dem Resultat, dass das türkische Militär ein Drittel der Insel besetzt, und dort geblieben ist, bis heute. Im August 1974 kehrt die parlamentarische Demokratie nach Athen zurück und mit ihr eine zivile Justiz, die schon bald über 24 der Putschisten zu Gericht sitzt, die Delikte: Hochverrat und Meuterei. Die Urteilsverkündung: Todesstrafe wegen Hochverrats und lebenslänglich wegen Meuterei, so lauten die Urteile für die drei Hauptangeklagten, die Obristen Papodopoulos, Pattakos und Makarezos. Die Todesurteile werden nicht vollstreckt, aber die Hauptputschisten bleiben für viele Jahre in Haft: das klägliche Ende einer europäischen Diktatur.