Programmieren für die ISS

Weltraumspiele im Klassenzimmer

Ein Bild der Nasa zeigt die Raumstation ISS über der Erde.
Ein Bild der Nasa zeigt die Raumstation ISS über der Erde. © picture alliance / dpa / Paolo Nespoli / NASA
Von Gerhard Richter · 03.12.2015
Bei dem Schülerprojekt Spheres schreiben Jugendliche aus der ganzen Welt eine Steuersoftware für einen Satelliten - und dieser tritt dann gegen einen baugleichen Satelliten an, in echter Schwerelosigkeit auf der echten Raumstation ISS.
Durch die großen Fenster des Raums 004 im Käthe-Kollwitz Gymnasium sieht man dutzende Schüler nach Hause trotten. Es ist nachmittags viertel nach drei Uhr und die meisten haben Schulschluss. Drinnen brüten aber noch 6 Schüler über dem Computer.
Bruno: "Na wir müssen halt gucken, dass wir besser auf den Gegner eingehen. Dass wir ein bisschen unser Movement verändern..."
Alex: "Aber haben wir jetzt eine neue Simulation gemacht?"
Bruno, Alex und die anderen 4 diskutieren über Drehung zur Erde, Fuel-Verbrauch und Movements. Klingt alles sehr anspruchsvoll. Und das ist es auch. Das Team Käthe-in-Space programmiert eine Steuerung für einen Spheres Satelliten.
"Die Satelliten sind etwa so groß wie ein Volleyball. Man kann sie als Polygone beschreiben, also das heisst, dass sie viele Ecken und Kanten haben. Aber die sind auch nicht so unglaublich schwer, also ein Kilo etwa."
Dem MIT geht es um echte Innovationen
Lan Thao Nguyen beschreibt einen der Spheres-Satelliten. Entworfen haben sie Forscher vom MIT, dem Massachusetts Instute of Technology, ein weltweit führendes Institut für Weltraumtechnologie. 2008 wurden sie gebaut und auf die Weltraumforschungsstation ISS hochtransportiert. Ziel ist es seitdem, deren Steuerungstechnologie zu verbessern.
Das Entwicklungsumfeld dafür ist relativ einfach und das MIT lädt Schüler aus der ganzen Welt dazu ein, Ideen zu entwickeln. Dieses Jahr konkurrieren 170 Teams mit ihren Vorschlägen. Das Spheres-Projekt, sagt Informatik-Lehrerin Katja Wundermann, ist nicht nur Spielerei, dem MIT geht es um echte Innovationen:
"Ein Hintergrund dieses Wettbewerbs ist es, Daten für diese Entwicklungsumgebung zu liefern."
"Zu gucken, was berechnen die an Verhalten des Satelliten und was passiert tatsächlich. Also Abgleich der Realität mit der Theorie."
Die besten Programme der Schülerteams werden mit den echten Spheres-Satelliten getestet, und zwar ganz echt in der Schwerelosigkeit in einem Modul der Weltraumstation ISS. Mittels Luftdüsen kann sich der Satellit in einem Testfeld von ein paar Metern Größe bewegen.
Jedes Jahr gibt das MIT eine Aufgabe vor, die die Schüler bewältigen müssen. In diesem Jahr soll der Satellit einen "gegnerischen" zweiten Satelliten fotografieren, und die Bilder an die Erde übermitteln. Sonderpunkte gibt's, wenn der Satellit bestimmte Punkte im Raum durchfliegt. Das müssen die Schüler programmieren.
Mit 14 Jahren der jüngste Teilnehmer am Berliner Gymnasium
"Wir sagen nur, was er genau machen soll, also wie er sein Ziel verändern soll, das wird eben jede Sekunde durchlaufen, und das wird eben anhand von Positionen, von sonstigen Daten, die er erfasst, verändert."
Anton Pusch ist mit 14 Jahren der jüngste im Käthe-in-Space-Team. Und als wenn das Programmieren für die Berliner Schüler nicht schon schwer genug wäre, gibt es noch eine Sonderaufgabe. Auf dem Weg ins Finale müssen alle Teams in die Allianz-Phase, das heißt die Berliner Schüler müssen mit zwei anderen Teams zusammen arbeiten. Eins davon – so will es die Regel – kommt aus einem anderen Kontinent. Und aussuchen können sie sich die Teams auch nicht.
"Eins kommt aus Italien und das andere kommt aus USA. Ja - mit denen sind wir jetzt zusammen und gründen eine Allianz."
Christin und die anderen müssen also Kontakt aufnehmen per Mail, per Whatsapp oder Skype. Wegen der Zeitverschiebung fallen die Arbeitstermine des Spheres-Projekt dann auf den Nachmittag oder den Abend. Oder auf das Wochenende. Und in der Allianz-Phase müssen alle auf Englisch über ihre Codes reden und sie miteinander vergleichen.
"Jeder hat ja sein eigenes Programm, das mussten wir ja schon schreiben, um überhaupt weiterzukommen. Und die gleichen wir jetzt einfach nur an oder gucken, wer was am besten hat und was wir am besten übernehmen und da versuchen wir, das Bestmögliche da raus zu kriegen."
Jedes Mal in der Endrunde
Seit 2011 macht das Team Käthe in Space beim Spheres-Wettbewerb mit und jedes Mal waren sie in der Endrunde. Beim letzten Finale traten 14 Allianzen gegeneinander an, die Schüler aus Europa fuhren zur ESA im niederländischen Noordwijk, die US-Schüler reisten zum MIT, alle waren live miteinander verschaltet und zum Auftakt gab´s ganz pathetisch die US-Hymne.
"We are ready to begin now, and we are so excited for the events today. Are you guys excited?"
"Yeah!"
"O.K.. We are looking forward, to see your code run, on the international space station, and we wish the best for all teams."
Auf großen Leinwänden verfolgten die Schüler den Wettkampf auf der ISS. Wie sich ein roter und ein blauer Satellit mit ihren Codes im Testfeld bewegten und Punkte sammelten, im Hintergrund schwebten die Astronauten durch die Raumstation und haben assistiert.
"Was ich auch sehr schön finde, an dem Erlebnis, dass man sich austauschen kann, mit den verschiedenen Teilnehmern und dann auch nicht nur was über den Wettbewerb erfährt, sondern auch über die Menschen selbst."
Lan Thao Nguyen hat letztes Jahr mit dem Team Käthe-in-Space gewonnen. Eine perfekte Teamarbeit. Und auch für das MIT hat es sich gelohnt. Ein gut funktionierendes Miteinander eröffnet auch Kleinsatelliten wie Spheres neue Möglichkeiten. Wenn ihre Steuerungen harmonieren, sagt Katja Wundermann, kann das MIT auch Größeres damit erschaffen.
"Die haben auch die Idee, Raumteleskope zu bauen, indem sie ganz viele kleine Teile nach oben transportieren, die in einem Formationsflug sich zu einem Teleskop zusammensetzen lassen. Das geht aber nicht ferngesteuert, das geht nur automatisch. Letztendlich ist es das Ziel, automatische Manöver zu generieren."
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