Premiere für "Macbeth"

Shakespeares Totenmaske.
Shakespeares Totenmaske. © AP
Von Eva Pfister · 20.04.2006
Vermutlich im Jahr 1611 wurde erstmals "Macbeth" von William Shakespeare aufgeführt. Zumindest ist die Vorstellung im Londoner Globe-Theatre die erste belegte Aufführung des Dramas, das heute zu den populärsten Werken Shakespeares gehört. Vor 395 Jahren schilderte der Arzt und Astrologe Simon Forman seine Eindrücke und schuf damit ein wichtiges Dokument zur Theatergeschichte.
Die Tragödie vom Königsmörder "Macbeth" ist eines der meistgespielten Dramen von William Shakespeare. In diesem Jahr ist eine Aufführung auch beim Berliner Theatertreffen zu sehen. In der Inszenierung von Jürgen Gosch sind die Edelleute allerdings auf ihre elementaren Triebe reduziert: Eine grölende Männerhorde ist da auf der Bühne zu sehen, oft nackt und blutverschmiert im Kampf Mann gegen Mann.

Ganz anders muss das Stück im Londoner Globe zu sehen gewesen sein, wo es zu Beginn des 17. Jahrhunderts uraufgeführt wurde. Das Datum ist nicht bekannt, aber aus dem Jahr 1611 gibt es einen Bericht über eine Aufführung, den wir dem Arzt und Astrologen Simon Forman verdanken. "Book of Plaies" – Buch der Schauspiele - nannte Forman seine kleine Broschüre, in der er seine Eindrücke von vier Shakespeare-Stücken im Londoner Globe veröffentlichte. Dort sah er am
20. April 1611 – nach anderen Quellen vielleicht auch 1610 – die Tragödie von Macbeth.

"Und Macbeth beschloss, Duncan zu töten, und unter dem Einfluss seiner Frau ermordete er in dieser Nacht den König in seinem eigenen Schloss, wo dieser zu Gast weilte; und es gab viele Wunder zu sehen in dieser Nacht und am Tag davor. Und als Macbeth den König ermordet hatte, ließ sich das Blut von seinen Händen überhaupt nicht abwaschen, auch nicht von den Händen seiner Frau, welche die blutigen Dolche versteckt hatte, worauf beide sehr entsetzt waren und sich entlarvt fühlten."

Obwohl anscheinend ein eifriger Theatergänger, beschrieb Simon Forman weniger Details der Inszenierung, die uns heute ja brennend interessieren würden, sondern einfach die Handlung, und das auf rührend umständliche Art. Dennoch können Formans Aufzeichnungen einige Hinweise zur Aufführungspraxis entnommen werden. Wenn er etwa die drei Hexen, die zu Beginn Macbeth die Königswürde prophezeien, als Feen oder Nymphen bezeichnet, ahnen wir, dass man sich Hexen damals, als man noch real an sie glaubte, nicht als hässliche und eklige alte Weiber vorstellte, wie es später Tradition wurde.

Viele szenische Vorgänge hat Shakespeare in seinen Dialogen festgeschrieben, denn für die vielen wechselnden Schauplätze gab es im Globe keine Bühnenbilder, sondern höchstens einige Requisiten, und so war oft die Vorstellungskraft der Zuschauer gefordert.

"kommts mir so vor, als ob in dem Moment der Wald anfängt, sich zu bewegen. - Du Lügner! – Auf drei Meilen Entfernung können Sie ihn kommen sehen. – Sei ohne Furcht, bis der Wald von Birman nach Dunsinane kommt. Ja. Und jetzt kommt ein Wald nach Dunsinane!"

Simon Forman war ein außergewöhnlicher Arzt. Er war sehr beliebt bei allen Schichten, denn er gehörte zu den wenigen, die während der Pest im Jahr 1592 nicht aufs Land flohen, sondern in London blieben und die Kranken versorgten. Er hinterließ viele Aufzeichnungen über seine Krankengeschichten, über seine astrologischen Voraussagen und deren nicht sehr hohe Erfüllungsquote, aber auch über seine Träume – zu denen sogar erotische Träume von Königin Elisabeth I. gehörten. Auch bei seinen Beschreibungen der Theateraufführungen galt sein besonderes Interesse den psychologischen Vorgängen.

"In der folgenden Nacht, bei einem Mahl mit den adligen Männern, die er zu einem Fest geladen hatte, zu dem auch Banco hätte kommen sollen, begann er vom noblen Banco zu sprechen und wünschte, dass er anwesend wäre. Als er aufstand, um einen Trinkspruch auf ihn auszubringen, erschien Bancos Geist und setzte sich hinter seinem Rücken auf seinen Stuhl. Als Macbeth sich umdrehte, um wieder Platz zu nehmen, sah er Bancos Geist direkt vor sich, worauf er in einen Zustand von Angst und Schrecken verfiel und viele Worte über seinen Mord stammelte, so dass die anderen, als sie hörten, dass Banco ermordet wurde, Macbeth verdächtigten."

Was für ein Theaterpublikum im Jahr 1611 selbstverständlich war, schrieb Simon Forman nicht auf: zum Beispiel, dass die ehrgeizige Lady Macbeth, die ihren Mann zu den bösen Taten treibt, von einem jungen Mann dargestellt wurde, weil es Frauen verboten war, Theater zu spielen oder dass diese Figur vermutlich ein schwarzes Kleid trug, passend zu ihrem schwarzen Charakter. Simon Forman interessierten andere Dinge, die ihn als Arzt besonders angingen. So fügte er seiner Beschreibung zum Ende noch den Hinweis an:

"Beachte auch, wie Macbeths Königin in der Nacht sich im Schlaf erhob und wandelte und sprach und alles beichtete, - und wie der Arzt ihre Worte aufschrieb."