Paul Holz "brauchte keine Milieudarstellung"

Moderation: André Hatting · 18.01.2013
Im Museum Pasewalk hat 75 Jahre nach seinem Tod ein Paul-Holz-Gedenkjahr begonnen. Der Künstler habe durch die Nationalsozialisten seine Professur verloren und sei 1938 als gebrochener Mann verstorben, erklärt Museums-Leiterin Anke Holstein. Die Nazis verfemten seine Werke als "entartet".
André Hatting: Die weite Landschaft seiner Heimat Vorpommern und die zerfurchten ernsten Gesichter seiner Bewohner - Motive des Künstlers Paul Holz, geboren 1883 bei Pasewalk. Wie viele seiner Generation ein Opfer des nationalsozialistischen Kunstverständnisses. Die hielten seine Arbeit für "entartet". Der Zeichner zog sich von Breslau, wo er an der staatlichen Akademie gelehrt hatte, nach Schleswig zurück, und dort starb er am 19. Januar 1938, also am Samstag vor 75 Jahren.

Aus diesem Anlass widmet ihm das Museum seiner Heimatstadt ein Gedenkjahr. - Leiterin des Museums ist Anke Holstein. Guten Morgen, Frau Holstein.

Anke Holstein: Guten Morgen!

Hatting: Wir dürfen davon ausgehen, dass jetzt nicht jeder das Werk von Paul Holz kennt. Sagen Sie es mal neudeutsch: Was ist denn der USP, das Alleinstellungsmerkmal von Paul Holz?

Holstein: Ja, das könnte man ganz kurz betiteln. Er hat es geschafft, sich einfach nur mit Schwarz und Weiß auszudrücken. Das heißt, seine Begabung bezieht sich auf seinen engsten Raum, auf sein Umfeld, in dem er aufgewachsen ist, und dieses hat er mit Umrisszeichnungen ganz klar und deutlich hervorgebracht und brauchte keine Milieudarstellung in dem Sinne.

Hatting: Sie haben mal gesagt, Holz gehöre eigentlich in eine Reihe mit Käthe Kollwitz und Ernst Barlach.

Holstein: Ja.

Hatting: Warum ist er viel weniger bekannt?

Holstein: Er ist viel weniger bekannt, weil er in Vergessenheit geraten ist, dass er seinen Höhepunkt seiner Zeichenkunst eigentlich in seiner Breslauer Zeit hatte, dann durch die Nationalsozialisten, wie Sie es angesprochen haben, ja seine Ämter verloren hat, seinen Posten verloren hat, nach Schleswig gegangen ist, auch ein gebrochener Mann war und so dann auch frühzeitig verstorben ist und es schwierig war, ihn wieder zurückzubringen in die großen Museen, in die Galerien, und unser kleines Museum versucht, das nun alles wieder aufzuarbeiten und ein bisschen publikumswirksamer zu machen, und wir freuen uns natürlich auf viel Besuch.

Hatting: Zum Beispiel für die Ausstellung mit Werken von Paul Holz. Was zeigen Sie da?

Holstein: Wir zeigen unter anderem diesmal 25 Studienblätter, die wir uns in Zusammenarbeit mit dem pommerschen Landesmuseum in Greifswald ausgeliehen haben, um einfach seine Fassetten auch mal zu zeigen und seine Arbeitsweise, wie er gemalt hat, auch auf verschiedenen Papieren, dass er eben nicht großen Wert darauf gelegt hat, auf teuerem Papier zu malen, sondern es musste bei ihm schnell gehen.

Er nahm sich ein Papier zur Hand, hat Sachen festgehalten, die er sich tagsüber eingeprägt hatte, mit denen er sich beschäftigt hat, und hat sie dann nachts quasi zu Papier gebracht. Das Pasewalker Museum besitzt auch viele Originale, aber auch im Zuge der Großkreiserweiterung wollte ich auch die Institutionen untereinander beleben, dass wir zusammenarbeiten und überregional auch mal Paul Holz präsentieren können.

Hatting: Das ist nicht alles. Im Herbst oder am Jahresende gibt es dann eine zweite Schau. Was können die Besucher dann sehen?

Holstein: Ja. Dort werden wir Stücke aus dem Museum in Schwerin als Leihgabe bekommen. Dort habe ich schon eine Leihzusage bekommen von den dortigen Mitarbeitern. Und dort werden wir dann Werke sehen, die auch schon mal in Schwerin gezeigt wurden, einfach nur, um auch diese Bandbreite einfach klarzumachen über Paul Holz.

Hatting: Teilen Sie das deswegen auf, weil Ihr Museum zu klein ist für eine gesamte Schau?

Holstein: Ja, das ist so. Unser Museum ist sehr klein. Wir sind ja untergebracht im mittelalterlichen Torgebäude, dem Prenzlauer Tor, haben einen kleinen Fachwerkanbau, haben wirklich nur kleine Ausstellungsmöglichkeiten und es bietet sich eben an, in diesem Paul Holz Gedenkjahr, einmal zum Todestag und einmal auch zur Jährung des Geburtstages im Dezember, dann dieses zu veranstalten, und deswegen haben wir das so gemacht.

Hatting: Zu hören ist heute, also am Beginn des Paul Holz Gedenkjahres, auch eine Lesung. Der Autor Roland Gutsch trägt aus seiner Novelle "Verso" vor. Sie beschreibt den letzten Tag von Paul Holz. Verso heißt eigentlich gedreht oder gewendet. Ist das Zurechtstutzen durch die Nazis gemeint, oder war Holz am Ende seines Lebens ein Umgedrehter?

Holstein: Nein. Das hat damit zu tun, dass Paul Holz, wie ich schon erwähnt hatte, auf allen möglichen Papieren gezeichnet hat und auch auf den Rückseiten seiner Papiere, und es gibt viele Studien, die beidseitig bemalt sind, und so kann man das interpretieren.

Hatting: Und wie genau stellt sich der Autor diesen letzten Tag vor? Das ist ja fiktiv.

Holstein: Ja. Herr Gutsch war ja inspiriert durch unsere, sagen wir mal, Gedenkausstellung, die wir immer hier im Museum haben, hat sich hineingedacht in den Künstler, hat den Weg bereist, seine Lebensdaten quasi nachgereist, und hat sich dann in den Künstler mit Hilfe seiner Werke reingedacht. Und ich kann nur sagen, wenn seine Tochter, Christiane Holz, leben würde und dieses Buch "Verso", diese Novelle lesen würde, ich glaube, Herr Gutsch kommt diesem ganz nah.

Hatting: Anke Holstein, Leiterin des Museums Pasewalk. Dort beginnt heute das Paul Holz Gedenkjahr. Der Künstler starb vor 75 Jahren. Ich bedanke mich für das Gespräch, Frau Holstein.

Holstein: Ich auch - vielen Dank!


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