Olive Schreiner: "Die Geschichte einer afrikanischen Farm"

Ein Klassiker, der seiner Zeit voraus war

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Buchcover zu Olive Schreiner: "Die Geschichte einer afrikanischen Farm"
Durch ihren Roman "Die Geschichte einer afrikanischen Farm" wurde die Frauenrechtlerin Olive Schreiner berühmt. © Random House/Deutschlandradio
Von Manuela Reichart · 17.12.2020
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Die Südafrikanerin Olive Schreiner brachte ihren Debütroman "Die Geschichte einer afrikanischen Farm" 1883 zunächst unter männlichem Pseudonym heraus. Jetzt erscheint der Bestseller der Feministin und Bürgerrechtsaktivistin in einer Neuauflage.
Zum 100. Todestag der südafrikanischen Autorin Olive Schreiner erscheint ihr Bestseller in neuer Übersetzung. In ihrem Heimatland ist die frühe Feministin berühmt, bei uns kann sie jetzt wiederentdeckt werden mit dieser eindrucksvollen Geschichte über weibliche Emanzipation und koloniales Farmleben.
Mit einer nächtlichen Naturbeschreibung beginnt dieser autobiografisch geprägte Debütroman aus dem Jahr 1883. Unter dem "vollen afrikanischen Mond" schlafen drei Kinder. Das eine ist die sanftmütige Em, Stieftochter einer ebenso selbstgerechten wie beschränkten Frau, die die Farm bewirtschaftet, das andere ist ihre "elfenhafte" Cousine, die aufmüpfige Lyndall. Und dann ist da noch der Sohn des Verwalters, der von Glaubensfragen gepeinigt wird.

Debüt unter männlichem Pseudonym

Vom Aufwachsen und Leben dieser Drei erzählt die früh begabte, aus ärmlichen Missionarsverhältnissen stammende südafrikanische Schriftstellerin mit deutsch-englischen Wurzeln. Sie war 28 Jahre alt, als der Roman – zuerst unter einem männlichen Pseudonym – erschien. Ihr Buch wurde zum Bestseller, sie selbst zu einer viel beachteten Autorin, auch wenn keines ihrer folgenden Bücher an den Erfolg der "Geschichte einer afrikanischen Farm" heranreichte. Sie spielte eine wichtige politische Rolle in ihrem Land, als Bürgerrechtsaktivistin und Feministin.
Um die "Frauenfrage", um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung geht es auch und vor allem in ihrem Roman, denn die ebenso schöne wie kluge Lyndall bricht mit allen weiblichen Rollenbildern. Sie will Bildung, keine Ehe, die gleichen Rechte und Pflichten wie die Männer, sie misstraut der Liebe, und als sie schwanger wird, weigert sie sich trotzdem zu heiraten. Sie ist eine glühende Verfechterin der Emanzipation: "Das Unrecht besteht nicht darin, was man uns antut, sondern darin, was man aus uns macht."

Die Grenzen unseres Denkens ausloten

Mitte des 19. Jahrhunderts sorgte eine solche Heldin – deren Sätze an Simone de Beauvoir erinnern – ebenso für Aufsehen wie die Beschreibung einer bigotten und verlogenen weißen Gesellschaft, in der Gewalt und Unterdrückung an der Tagesordnung sind.
Olive Schreiners Roman würde – heißt es im Nachwort von Doris Lessing – "die Grenzen unseres Denkens ausloten". Dass und wie sehr die in Rhodesien aufgewachsene Literatur-Nobelpreisträgerin die Kollegin bewunderte, das ist erhellend zu lesen. Trotzdem hätte man sich zu dieser Neuausgabe auch ein neues Nachwort gewünscht, in dem die Lebensstationen und der gedankliche Hintergrund dieser wichtigen Autorin deutlicher würden.

Olive Schreiner: "Die Geschichte einer afrikanischen Farm"
Aus dem Englischen von Viola Siegemund
Nachwort von Doris Lessing
Manesse Verlag, München, 2020
605 Seiten, 28 Euro

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