Nile Rodgers & Chic: „It´s about time“

Der Meister des Disco-Soul kehrt zurück

US Musik Produzent und Gitarrist Nile Rodgers mit seiner Band Chic in Tokyo 2015. AFP PHOTO / TOSHIFUMI KITAMURA
Vor 26 Jahren veröffentlichte Nile Rodgers sein letztes Album. © AFP Photo / TOSHIFUMI KITAMURA
Von Luigi Lauer · 27.09.2018
„Le Freak, c´est chic“ – mit diesem Hit feierte Chic einen der größten Erfolge der Disco-Ära. Nile Rodgers, einer der beiden Bandmacher, hat nun mit „It´s about time“ ein neues Album veröffentlicht und entfacht damit mehr als Nostalgie.
"It´s about time", "Es wird Zeit" – wahrlich ein treffender Albumtitel, wenn seit der letzten Platte 26 Jahre vergangen sind. Aber seien wir ehrlich: Etwas ernsthaft Neues erwartet niemand von Chic, und schon die ersten Takte bestätigen, dass der Sound heute zwar um einiges frischer klingt, nicht zuletzt dank digitaler Studiotechnik. Doch die krispen, leicht jazzigen Akkorde von Nile Rodgers mit dem prägenden Sound seiner Fender Hitmaker von 1960 und die muskulösen Basslinien, gehalten im Stile des verstorbenen Bernard Edwards, die möchte auch niemand missen. Die Discokugel ist entstaubt, sie dreht sich wieder.
Titel wie "Boogie all night", "Do you wanna party", "Dance with me" oder der mit Lady Gaga aufgepeppte Chic-Klassiker "I want your love" verraten scheinbar, worum es geht auf "It´s about time". Doch dann stolpert man über Textzeilen wie diese: "Die Welt ist irre geworden, vielleicht sind wir auf der Tanzfläche sicherer. So viel Zerstörung auf unserem Weg. Wach auf, bevor sie es noch schlimmer machen." Die Deutlichkeit mag neu sein, sagt Nile Rodgers, zum Konzept hätten solche Aussagen jedoch immer schon gehört.

Fingerzeig auf das erste Album

Nile Rodgers ist 1952 in der New Yorker Bronx geboren worden. Gesonderte Plätze für Schwarze in öffentlichen Einrichtungen, getrennte Schulklassen, kein Zugang zu Universitäten – erst 1964 endete das offiziell. Überwunden war der Rassismus damit nicht. Zur Musik von Chic tanzten Schwarze wie Weiße, Schwule wie Heteros, Unter- wie Mittelklasse, oft genug zusammen. Das war schon Protest an sich. Das erste Chic-Album zeigte 1977 ein weißes und ein schwarzes Cover-Girl mit Trillerpfeifen im Mund. Fast identisch sieht das Cover von "It´s about time" 2018 aus – ein mehr als deutlicher Fingerzeig, dass es noch, oder wieder, viel zu tun gibt.
"Schauen wir uns die Welt doch an, da ergibt doch nichts mehr einen Sinn. Im Jahr 2018 müssen wir noch über Ungleichheit reden, über Migrationsgegner, Stammesverhalten. Weshalb sollen Menschen, deren Bräuche anders sind, gruselig sein und bei uns nichts verloren haben? Sie sind nur anders, sonst nichts. Sie laufen die Straßen runter, wir laufen die Straßen runter. Ja, und?"
Das musikalische Konzept der Alben von Chic ist identisch geblieben: Ein jazziger Instrumentaltitel; einer, in dem die Band sich rappenderweise selber preist; und für alle sind besonders die Mitsing-Refrains charakteristisch. Tanzbar sind die Lieder, natürlich, alle. Geschrieben wurden sie von Nile Rodgers und Gästen, in diesem Fall Lady Gaga, Hailee Steinfeld, Elton John, David Craig, Rapper Vic Mensa und anderen.

Nur knapp dem Tod entkommen

Gleich zweimal ist Nile Rodgers in den letzten Jahren an Krebs erkrankt, mit düsterer Prognose. Vielleicht auch darum der Albumtitel "Es wird Zeit". Von Krankheit sieht und hört man allerdings auf der Bühne wie im Interview nichts, am liebsten würde er tagelang erzählen und dazu Beispiele auf der Gitarre geben. Statt seinen Nachlass zu ordnen, wie von seinem Arzt geraten, hat Rodgers sich daran gemacht, den legendären Chic-Sound für das 21. Jahrhundert frisch zu machen und dazu alle Register moderner Produktionstechnik gezogen, ohne den Ursprung zu übertünchen. "It´s about time" bietet mehr, als nur die Nostalgie neu zu entfachen. Und was war die Motivation nach all den Jahren?
"Möglicherweise mein sehr knappes Vorbeischrammen am Tod. Ich habe sehr viel für mich selbst geschrieben, was die Welt nie zu hören bekommen wird, und es ist mir egal. Aber diese Lieder habe ich geschrieben, weil ich möchte, dass auch andere sie hören. Ich wollte ein Album machen, das mein neues Leben reflektiert, und ein wichtiger Punkt dabei ist, dass ich jetzt Lieder mit anderen Leuten schreibe, wie ich es früher mit Bernard gemacht habe."
Mehr zum Thema