Ni Hao - oder: Guten Tag

Von Beate Strenge · 29.12.2005
In Deutschland setzt sich Chinesisch als Schulfach mehr und mehr durch. Etwa 150 Schulen bieten es derzeit an. Allein in Berlin wird bereits an zwölf Schulen die Sprache aus dem Reich der Mitte gelehrt. Und trotz der komplizierten Aussprache und Zeichen wächst die Nachfrage.
Yvonne: (auf Chinesisch) "Ich heiße Yvonne, bin 15 Jahre alt und lerne seit einem Jahr Chinesisch. Es ist mal was anderes, eine andere Kultur, und außerdem ist China ja auch die Zukunft mit dem großen Wirtschaftsaufschwung. Ich möchte später vielleicht mal im Ausland arbeiten. Da ist es bestimmt von Vorteil, wenn man Chinesisch kann. "

Yvonne ist Schülerin des Berliner Humboldt-Gymnasiums. Seit 2003 bietet die Schule Chinesisch als reguläres Schulfach an, wählbar in Klasse 9. Die Nachfrage ist groß, insgesamt über 100 Chinesischlerner, darunter auch Moritz.

Moritz: "Es macht unheimlich Spaß. Es ist natürlich auch eine zusätzliche Last, weil man muss total viel lernen dafür, aber es macht Spaß – und das ist, denke ich, die Hauptsache. "

Schriftzeichen zu lernen, ist eine solche Fleißübung, die Spaß macht. Zum Beispiel Lektion 12: Die Lehrerin, Frau Wu (sprich U), nimmt zehn neue Zeichen durch, die sie an der Tafel aufgehängt hat. Die Schüler sollen ihre Phantasie spielen lassen.

"Bitte für mich analysieren. Das ist auch ein Bild. Und, was ist denn das?
Der untere Teil ist doch Tze, das Kind.
Und der obere Teil? Was könnte das sein, Lina?
Ein Dach?
Ein Dach mit Schornstein, unten sitzt ein Kind.
Was macht das denn?
Schreiben?
Ja, Schreiben. Was schreiben die chinesischen Kinder? -
Zeichen?
Zeichen, ganz genau – das ist das Zeichen für Zeichen. Alle zusammen – Tze."
Chinesische Kinder fangen mit drei Jahren an zu schreiben. Mit neun können sie etwa 2500 Zeichen und Bücher lesen. Die fleißigen Berliner Humboldtschüler können jetzt nach gut einem Jahr vielleicht 120 Zeichen. Der Weg ist lang, aber es gibt einen Trost: Die Grammatik ist einfach. In Chinesisch gibt es keine lästigen Artikel wie der, die das. Und Verben bleiben immer in der Grundform: "Ich essen heute, du essen gestern" – leicht zu merken. Die Aussprache ist der schwerste Brocken, erklärt Schülerin Yvonne. Denn auf den richtigen Ton kommt es an:

Yvonne: " "aWo wen ni" heißt: ich frage dich. "Wao wen ni" heißt: ich küsse dich. Da muss man gewaltig aufpassen. "

Im Chinesischen haben viele Silben die gleiche Bedeutung. Die Silbe "ma" kann "Mutter" oder "Pferd" oder "schimpfen" bedeuten – je nach Tonhöhe. Die Lehrerin macht daraus gerne ein Wortspiel:

"Die Mutter schimpft das Pferd heißt: ma ma ma ma. Die Kinder lachen sich kaputt. "
Wu Tjang, 42 Jahre alt, war die erste Chinesischlehrerin in Berlin. Vor sieben Jahren begann die Sinologin in ihrer Babypause mit einer Chinesisch-AG für Grundschüler. Heute ist sie Lehrerin mit Vollzeitjob und eine gefragte Expertin für lebendigen Unterricht. Sie absolviert freiwillig nebenbei ein Lehramtsreferendariat in Englisch, weil es keine Lehrerausbildung für Chinesisch gibt. Und sie entwickelt neues Unterrichtsmaterial für die Oberstufe, damit Chinesisch Abiturfach werden kann. Hilfreich ist ein Computerprogramm, das die weltweit gängige Lautschrift in chinesische Zeichen verwandeln kann.

"Das habe ich in Word eingebaut, das habe ich gekauft. Klick hier. Zum Beispiel NI HAO – guten Tag – N-I - H-A-O– und da kommt das Zeichen schon raus. "

Für die Schüler bedeutet Chinesischlernen mehr als Büffeln für die Karriere und die boomende Weltmacht. Bei der Reise zu ihrer Partnerschule in Peking waren sie von der Gastfreundschaft und Kultur beeindruckt. Mit Chinesisch, Englisch und vielen Gesten haben sie sich mit ihren Partnerschülern gut verständigen können, erzählen Yvonne und Moritz.


Moritz: " Wir haben viel zusammen gemacht und uns viel unterhalten. Ich habe auch einmal probiert, mit ihm ein Gespräch über Politik anzufangen, aber da wollte er nicht. Sonst hat er sich total lieb um mich gekümmert. Wir hoffen, dass wir uns auf jeden Fall 2008 wiedersehen – bei der Olympiade. "

Yvonne: "Auch wenn man so weit auseinander wohnt, aber doch ist es überall gleich, was einem widerfährt, wenn man in dem Alter ist, sag ich jetzt mal. Schule - worüber man nachdenkt - ja, okay auch Jungs, es ist irgendwo überall das gleiche Das war eine schöne Erkenntnis."

Per E-Mail, Briefpost oder Telefon-Billignummer können sie Kontakt halten. Für die Chinesischschüler ist das große ferne Land ein Stück näher gerückt.


Das Interview zum Thema mit Prof. Andreas Guder, Vorsitzender des Fachverbandes Chinesisch, können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.