Neugier auf das Fremde

Von Alexandra Wach · 23.07.2009
In der Culture-Clash-Kömodie "Salami Aleikum" beleuchtet der iranische Regisseur Ali Samadi Ahadi Vorurteile auf heitere Art. Deutschiraner und ostdeutsche Provinzler treffen aufeinander.
"Heimat und Zugehörigkeit irgendwohin entscheidet sich nicht im Kopf, sondern im Herzen. Und mir war klar, dass ich die Herzen der Menschen am einfachsten mit einer Komödie, mit einem Lachen erreiche."

Ali Samadi Ahadi, ein mittelgroßer Mann mit schulterlangen Haaren und einer leisen, fast traurigen Stimme, lächelt sanft. Seine Wohnung im vierten Stock in Köln-Klettenberg ist ganz anders als seine Filme: ruhig, mediterrane Farben, wenige Möbel. Mit "Lost Children", einem düsteren Dokumentarfilm über Kindersoldaten in Uganda, gewann er 2006 den Deutschen Filmpreis. Sein Spielfilmdebüt schlägt jetzt einen überraschend heiteren Ton an:

Ostdeutsche Tochter: "Papa, das ist Mohsen. Wir müssen etwas erledigen. Könnt ihr euch um die Mäuse kümmern?"

Mutter: "Was hat das zu bedeuten?"

Vater: "Ich habe nichts gegen Ausländer. Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht."

Mutter: "Man sollte immer freundlich sein. Das ist ganz klar. Aber wenn man zu freundlich ist, dann missverstehen die das. Und dann holen die gleich die ganze Sippe nach und dann haben wir hier Kleinasien."

Vater: "Von Terrorismus ganz zu schweigen."

Mutter: "Wenigstens ist es kein Wessi."

Ali Samadi Ahadi: "Zwei untergegangene Welten, das iranische Reich und die DDR treffen in Form von zwei Familien aufeinander, die es immer noch nicht geschafft haben, hier und jetzt in dem vereinigten Deutschland anzukommen. Und beide treffen aufeinander mit ihren Vorurteilen und merken aber im Laufe des Films, dass sie sich gegenseitig brauchen, um weiter existieren zu können."

"Salami Aleikum" hätte ein Drama werden können. Der 37-Jährige hat sich bewusst dagegen entschieden.

"Für mich war es wichtig zu gucken, wie kann ich die Geschichte in die Gesellschaft bringen, so dass es am breitesten Leute erreicht."

Entstanden ist eine turbulente Culture-Clash-Komödie mit Anleihen bei Bollywood. Der Film ist leicht und ernst zugleich, plädiert für gegenseitige Toleranz und Neugier auf das Fremde. Die politische Botschaft kommt nicht von ungefähr, sagt er, Verantwortung für sich und die Gesellschaft zu übernehmen, fällt ihm nicht schwer. Das hat natürlich mit seinen eigenen Erfahrungen zu tun.

"Wenn man eine Revolution erlebt hat in jungen Jahren, ist man automatisch reifer."

Ahadi gehörte Anfang der 80er-Jahre zu jenen jungen Iranern, die in der Bundesrepublik um Asyl baten, um in der Heimat nicht Kindersoldaten werden zu müssen.

Deswegen floh er mit 13 Jahren ohne Eltern nach Hannover und kam beim älteren Bruder unter.

"Die ersten Wochen waren natürlich nicht so lustig. Die Tatsache, dass man ohne Familie hier ist, das begleitet einen Tag und Nacht."

Der Sohn eines Universitätsdozenten und einer Grundschullehrerin landete auf einer Hauptschule und kämpfte sich bis zum Abitur durch. Eigentlich wollte er sich für Medizin einschreiben. Doch dann wurde sein Asylantrag abgelehnt.

"Damals gab es noch eine Hinrichtungswelle im Iran und man schob Iraner nicht ab. Duldung bedeutet keine Arbeitserlaubnis, kein Pass, kein Studiumrecht, das war das Allerschlimmste für mich."

Eine Altfallregelung brachte die Erlösung, Ahadi wurde nach zehn Jahren Ungewissheit eingebürgert. Seine persönliche Geschichte hinterließ Spuren und veränderte seine Berufswahl. Bereits in der Schule drehte er einen Clip gegen Rassismus. Der Spot wurde mit Preisen überschüttet. Da merkte er, dass er mit Filmen politisch etwas bewegen kann.

"Seit ich denken kann, war ich politisch aktiv. Mit 14 habe ich eine Demonstration gegen den Völkermord in El Salvador organisiert und habe die Grünen und die Jusos dermaßen bombardiert mit meinen Wünschen, dass sie dann mitunterschrieben haben. Und am Ende kam einer von den Jusos und einer von den Grünen, aber dafür 300 Iraner (lacht)."

Absurde Situationen wie diese hat er viele erlebt. An die unterkühlte Begegnung mit den deutschen Schwiegereltern kann er sich noch gut erinnern. Seine Frau liebt dagegen nicht nur ihn, sondern auch seine Heimat.

"Sie ist eigentlich der Hauptmotor, zusammen mit meiner Tochter, die sagen, es wird wieder Zeit, wir müssen unsere Koffer packen."

Es ist erst drei Monate her, dass er im Iran zu Besuch war. Die Präsidentschaftswahlen standen gerade an, es war die Ruhe vor dem Sturm. Als der Aufruhr im Reich der Mullahs begann, veränderte sich auch Ahadis Alltag in Köln. Er verbrachte die Tage mit Laptop und Handy vor dem Fernseher, gab Informationen von Oppositionsgruppen an deutsche Journalisten weiter und besorgte sich einen Termin beim Kanzleramt.

"Diese Gewaltexzesse seitens des Staates, die Verhaftungen, all das sind Dinge, die nicht von heute auf morgen verschwinden. Die Stimmung ist nach wie vor so, dass die Menschen im Iran das nicht hinnehmen wollen."

Damit das so bleibt, entwickelt der sanfte aber kämpferische Filmemacher bereits sein nächstes Projekt. Einen Dokumentarfilm über die aktuelle Protestwelle im Iran.