Neues vom deutschen Mann

Von Norbert Bolz · 20.02.2007
Die Familienpolitik der Bundesregierung hat zwei Ziele: die Verstaatlichung der Kinder und die Umerziehung der Männer. Was das für die Seelen der Kinder bedeutet, wird man wohl erst in Jahrzehnten beurteilen können. Aber die Folgen für die Männer liegen schon heute auf der Hand. Zum ersten Mal seit sich der moderne Staat als Anstalt der Daseinsfürsorge versteht, sollen erwachsene Menschen umerzogen werden. Es geht um die "reeducation" des Machos zum fürsorglichen Mann.
In der modernen Gesellschaft erwerbstätiger Frauen genügt es offenbar nicht, wenn sich ein Vater als Versorger seiner Familie versteht. Aus dem Versorger soll ein Fürsorger werden. Dieses familienpolitische Programm richtet sich im Kern gegen die sexuelle Arbeitsteilung. Also gegen das Modell: die Frau zu Hause, der Mann auf der Jagd nach dem Profit.

Wer politisch korrekt ist, bekämpft die sexuelle Arbeitsteilung. Doch gleichzeitig wird eine neue Arbeitsteilung gefordert. Die Heilsformel lautet sharing work at home - zu Deutsch: Mann und Frau sollen sich die Hausarbeit teilen.

Der Grundgedanke ist einfach: Würden sich Männer angemessen an der Hausarbeit beteiligen, so würde der Wert der familiären "Sorge" wieder wachsen. Würde der Mann nämlich seinen gerechten Anteil an der Hausarbeit übernehmen, dann würde er allmählich mit seiner Frau auch die Wertschätzung dieser Arbeit der Sorge teilen - und damit würde die gesellschaftliche Wertschätzung von Hausarbeit wieder wachsen. So wie die Frauen ihren Weg in die Erwerbsarbeit gefunden haben, so sollen nun die Männer ihren Weg in die Hausarbeit finden. Das Lebensproblem der berufstätigen Mutter soll also durch einen "neuen Mann" gelöst werden.

Beim Thema "neuer Mann" gibt es eine verblüffende Allianz zwischen Feministinnen, Politikern und Bevölkerungswissenschaftlern. Im Kern geht es hier um die Umerziehung des Mannes, um die Konstruktion einer anderen männlichen Geschlechterrolle. Damit Frauen als Mütter gleichzeitig noch Karriere machen können, müssen Männer als Väter einen Fürsorge-Sinn entwickeln. Denn je erfolgreicher die Integration der Frauen ins Erwerbsleben ist, desto geringer sind die Möglichkeiten der Fürsorge in der Gesellschaft.

Um diesem Mangel abzuhelfen, appelliert man an den "neuen Mann". In schönstem Bürokraten- und Wissenschaftsdeutsch heißt es dazu bei Hans Bertram, es gehe darum, Elemente der Fürsorge in die männliche Berufsrolle einzubauen. Und Ernst Bertram ist nicht irgendjemand, sondern der Soziologe, der im vergangenen Jahr das Gutachten "Nachhaltige Familienpolitik" für das Bundesfamilienministerium verfasste.

Offiziell loben ja alle den "neuen Mann", der Hausarbeit und Kindererziehung 50:50 mit seiner Frau teilt. Aber werden solche Männer tatsächlich von Frauen begehrt? Hier ist Skepsis angebracht, denn die Welt des Begehrens ist eine ganz andere als die Welt der Political Correctness. Denn man kann leicht beobachten, dass Frauen Männer verachten, die sich von anderen Männern dominieren lassen und es nicht schaffen, sich in ihrer Lebenswelt Respekt zu verschaffen. Frauen mögen Männer, die karriereorientiert, fleißig und ehrgeizig sind.

Es gibt heute keine Herren mehr - aber Prozac. Die Verknüpfung zwischen dem Gefühl der Dominanz und dem Medikament Prozac ist so eng und eindeutig, dass Anthropologe Lionel Tiger mit schöner Ironie von der optimalen demokratischen Medizin sprechen konnte: Alle fühlen sich überdurchschnittlich gut!

Mit Ritalin und Prozac erzeugt man Political Correctness, nämlich Feministen und Softies. Natürlich ist hier Amerika führend. Prozac wird dort vor allem depressiven Frauen verschrieben, denen es an Selbstwertgefühl mangelt - es ist eine Droge, die Frauen Alpha-Tier-Gefühle verschafft. Ritalin dagegen wird vor allem hyperaktiven Jungs verschrieben, die nicht still auf ihren Schulbänken sitzen können.

Schon 1969 hat Patricia Sexton den feminisierten Mann identifiziert - er ist das Produkt eines Schulsystems, das zunehmend von Frauen bestimmt wird und deutlich weibliches Verhalten belohnt - wer Schulkinder hat, weiß, dass Gymnasien heute nicht nur Biologie und Englisch, sondern auch "soziales Lernen", "Kommunikationstraining" und "Teamtraining" in den Stundenplan schreiben. So werden die Jungen sozialverträglicher, die Mädchen selbstbehauptender, und alle tendieren zur androgynen Mitte, für die Figuren wie David Beckham oder Ulrike Folkerts in den Medien werben.

Wem das nicht gefällt, dem stehen heute nur wenige Kommunikationschancen offen. Man muss es dann schon riskieren, als unbelehrbarer Macho oder einfach als Reaktionär abgestempelt zu werden. Mit dem Wort "Reaktionär" versucht man, Abweichler mundtot zu machen. Und mit dem Wort "Macho" führt man einen Schaukampf, in dem eigentlich die Männlichkeit selbst bekämpft wird. Nehmen wir uns also ein Beispiel an Rocky und steigen wir noch einmal in den Ring.

Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie, wurde 1953 in Ludwigshafen geboren. Er studierte in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Ästhetik Adornos, in der Habilitationsschrift mit dem "Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen". Seit 1992 ist Bolz Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Die Konformisten des Andersseins" (München 1999).