Neu im Kino: "Tschick"

Geerdeter Plot ohne Extravaganzen

Der Regisseur Fatih Akim (links) und der Jung-Schauspieler Anand Batbileg bei der Weltpremiere des Kinofilms "Tschick" im Kino International in Berlin
Regisseur Fatih Akin und der Jung-Schauspieler Anand Batbileg bei der Weltpremiere von "Tschick" im Kino International in Berlin © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Von Patrick Wellinski |
"Tschick", als Buch und im Theater ein Riesenerfolg, kommt nun in die Kinos. Die Umsetzung des Stoffs durch Regisseur Fatih Akin findet unser Rezensent Patrick Wellinski "klassisch und brav" - dennoch aber im Großen und Ganzen gelungen.
Er ist der bekannteste unglückliche Teenager der jüngeren deutschen Literatur: Maik Klingenberg. Der Schüler liegt auf der Skala der Beliebtheit in seiner Klasse auf dem letzten Platz. Er ist ein Außenseiter, der sich dennoch in das schönste Mädchen verliebt, die ihn naturgemäß ignoriert und nicht mal zu ihrer Geburtstagsfeier einlädt.
Die anstehenden Sommerferien drohen zu einer furchtbar öden Zeit zu werden, auch weil Maiks Mutter in der Entzugsklinik weilt und der Vater mit einer jüngeren Kollegin auf "Dienstreise" ist.
Doch da ist ja noch Andrej 'Tschick' Tschichatschow, auch der ein Außenseiter, noch dazu aus dem Ausland. Wie Maik wird auch Tschick nicht wirklich ernstgenommen. Auch Maik fremdelt mit dem Neuen. Doch dann steht Tschick mit einem alten blauen Lada vor Maiks Haus. Beide fahren los, raus aus Berlin und hinein in das Abenteuer ihres Lebens.
Mit dieser Geschichte eines deutschen Tom Sawyer und Huckleberry Finn hat der verstorbene Schriftsteller Wolfgang Herrndorf einen der größten deutschen Bestseller der letzten 20 Jahre geschrieben. Die Erfolgsgeschichte setzte sich auch im Theater fort, wo Tschick zum am häufigsten gespielten Theatertext geworden ist. Nun also der Film.

Klassisches und braves Road Movie

Fatih Akin hat ein sehr klassisches und braves Road Movie gedreht. Ein Film, der in jedem Bild den Respekt vor der Vorlage spüren lässt.
Das könnte man als unterwürfig bezeichnen - aber es scheint doch angebracht. Die Erwartungshaltung der Fans und Leser ist sicherlich sehr hoch, große Extravaganzen hätte die Produktion nicht erlaubt.

Das Phänomen "Tschick" war auch in unserer Sendung "Lesart" Thema: Warum hat der Roman eine derart lange Halbwertszeit? Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? Und kann man diesem Geheimnis möglicherweise über den Film auf die Spur kommen? Fragen, denen der Medienkritiker Frank Kaspar, ein bekennender "Tschick"-Fan, und unsere Filmredakteurin Susanne Burg nachgegangen sind. Hier können Sie das Gespräch nachhören.
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Umso erstaunlicher, dass die Verfilmung durch ihre Gradlinigkeit überzeugt. Es ist Akin hoch anzurechnen, dass er aus einem sehr deutschen Road Movie kein amerikanisches macht. Die Landschaften Südbrandenburgs bleiben für sich stehen. Das höchste der Gefühle scheinen einige Aufnahmen von großen Windrädern zu sein.

Akin hat den Blick für das Wesentliche

Das erdet den Plot und erlaubt den Blick aufs Wesentliche. Und das ist die Geschichte der beiden Jungs. Und hier hat der Film seine größte Leistung vollbracht: Die Besetzung der beiden Hauptrollen mit zwei 14-Jährigen geht voll auf. Beide versprühen eine Authentizität und Ehrlichkeit, die man mit bekannten, älteren Darstellern nicht erreicht hätte.
Auch für Fatih Akin darf "Tschick" als schöner Erfolg gelten. Er hält sich an die Vorgaben der Vorlage, geht seinen üblichen Spleens aus dem Weg. Vielleicht ist diese Auftragsarbeit (er übernahm den Dreh von Regisseur David Wnendt, der sich angeblich mit den Produzenten überworfen hatte) ein guter Weg für ihn, wieder zurück zu alter Stärke zu finden. Etwas, das er nach seinem Misserfolg mit "The Cut" dringend nötig hat.
"Tschick" ist sicherlich die Verfilmung, die sich Herrndorf gewünscht hätte. Und alle Leser werden sich gerne und zufrieden in diese kurzweiligen 98 Minuten fallen lassen.

Tschick
Road Movie, Deutschland 2016
98 Minuten 7/ FSK ab 12
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Anand Batbileg, Tristan Göbel, Nicole Mercedes Müller