Neu im Kino: "Aus dem Nichts"

Eine Kriegerin in eigener Sache

Diane Kruger in Fatih Akins "Aus dem Nichts"
Diane Kruger in Fatih Akins "Aus dem Nichts" © Warner Bros.
Von Anke Leweke · 23.11.2017
Schmerz, Wut, Ohnmacht - Fatih Akin hat mit "Aus dem Nichts" keinen Film über die NSU-Morde gedreht. Ihm geht es um das Leid der Hinterbliebenen. Besonders überzeugend: Diane Kruger in der Hauptrolle.

Ein Film in drei Akten:

Erster Akt: braucht nur wenige Szenen, um das Liebesglück von Katja und ihrem aus der Türkei stammenden Mann Nuri zu skizzieren. Sie leben glücklich mit ihrem kleinen Sohn im Hamburger Schanzenviertel. Doch dann kommen Vater und Sohn bei einem Nagelbombenanschlag ums Leben. Aus nächster Nähe begleitet Fatih Akin eine Frau in Trauer, der alles genommen wurde, was ihr Leben ausmachte,
Der Regisseur Fatih Akin vor einem Plakat des Films "Aus dem Nichts"
Der Regisseur Fatih Akin vor einem Plakat des Films "Aus dem Nichts"© dpa / picture alliance / Peter Kneffel
Zweiter Akt: "War Ihr Mann politisch aktiv?", "War er Kurde" - die polizeilichen Ermittlungen setzen vor Katjas eigener Haustür ein. Mit einem Durchsuchungsbefehl steht der Beamte vor der Witwe. Sie wird zur Rechenschaft gezogen. Die Hinweise verdichten sich, dass die Attentäter aus dem rechtsextremen Lager kommen. Ein Neonazipaar wird gefasst, es kommt zur Gerichtsverhandlung.

Hören Sie hier auch unser Gespräch mit dem Regisseur über seinen Film:
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Dritter Akt: Katja fühlt sich vom deutschen Rechtssystem betrogen, sie sinnt auf Rache.

Die Bewertung:

Was die Regie nicht leistet, gelingt der Schauspielerin Diane Kruger. Sie hält die verschiedenen Tonlagen mit ihrem zurückhaltenden Spiel zusammen. Wie auch in seinen vorherigen Film sucht Fatih Akin einen eher emotionalen Zugang. Er möchte keinen Film über die NSU-Morde, über die Rolle des Verfassungsschutzes, der Polizei, der Medien machen. Er möchte aus nächster Nähe vom Schmerz, der Wut und der Ohnmacht der Hinterbliebenen erzählen. Das Politische läuft eher mit, wirkt an manchen Stellen unscharf, während der Gerichtsverhandlung sogar unglaubwürdig. Trotzdem folgt man dem Geschehen, weil man längst in der Perspektive von Katja ist. Diane Kruger legt ihre Rolle dramatisch an, ohne zu dramatisieren.

Auch bei emotionalen Ausbrüchen spürt man, dass ihr Körper, ihr Wesen von einer unendlichen Trauer ergriffen ist. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sie ein Samurai-Tattoo trägt. Katja wird zu einer Kriegerin in eigener Sache - und man glaubt ihr.

"Aus dem Nichts" von Fatih Akin
Mit: Diane Kruger, Denis Moschitto, Numan Acar, Ulrich Tukur
(Deutschland 2017, 106 Minuten, FSK: frei ab 16)

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