München

Mieten-Wahnsinn verdrängt legendäres Caféhaus

Beliebter Terrasse am Hofgarten: Die Gäste des Cafe Tambosi blicken auf den Odeonsplatz, die Feldherrnhalle und die Theatinerkirche.
Beliebte Terrasse am Hofgarten: Die Gäste des Cafe Tambosi blicken auf den Odeonsplatz, die Feldherrnhalle und die Theatinerkirche. © dpa / picture alliance / Felix Hörhager
Von Michael Watzke |
Alle Münchner und viele Touristen kennen es: Das Cafe Tambosi am Hofgarten wird seit 1775 betrieben. Nun kapituliert der langjährige Betreiber vor den exorbitant steigenden Mieten in der teuersten Stadt Deutschlands. Was aus dem legendären Cafehaus mit der sonnigen Terrasse wird, steht in den Sternen.
Ein verschlafener Vormittag im Cafe Tambosi. Klaviermusik, Kakaoduft, Kellner mit weißen Handschuhen. Stammgast Cornelia Sebald sitzt an einem wackligen Holztischchen mit einem Espresso und einem giftgrünen Getränk:
"Legendär für mich die Waldmeisterschorle, die es so nirgendwo anders gibt, würde ich sagen."
Nirgendwo anders als zwischen Hofgarten, Ludwigstraße und Münchner Residenz. Im Cafe Luigi Tambosi.
"Tambosi ist schon ein Ort zum Sehen und Gesehen-werden. Es ist so eine Mischung aus Wiener Caféhaus und zweites Wohnzimmer mit Plüschsesseln, schweren Vorhängen. Da kann man sich richtig wohlfühlen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie der Odeonsplatz ohne Tambosi sein soll."
Denn das Cafe Tambosi schließt zum Ende des Jahres. Betreiber Frank Waldecker will und kann den erneut gestiegenen Mietzins nicht mehr bezahlen:
"Also ich kann es mir nicht leisten. Es wird vielleicht jemanden geben, der es sich leisten mag, sein Schild oben ans Haus zu bappen, weil er am Platz sein möchte. Das kann durchaus sein, das haben wir in der Geschichte auch des öfteren gehabt."
Der Gastronom hat das Cafe Tambosi, dessen Ursprünge ins Jahr 1775 zurückreichen, seit 20 Jahren betrieben. An der schönsten und italienischsten Piazza Münchens, dem Odeonsplatz:
"Vor 20 Jahren war dieser Platz unterbewertet. Von daher konnte man mit einem Caféhaus-Konzept auch ganz gut die Miete erwirtschaften. Heute, 20 Jahre später, gibt es Coffeeshops etc. und Co. Und der Platz ist überbewertet, was sich dann auch in einer höheren Miete niederschlagen soll, die wir glauben mit einem klassischen Caféhaus nicht erwirtschaften zu können."

Nachfrage ist größer als das Angebot

Waldecker und das Tambosi sind Opfer der exorbitant steigenden Miet- und Immobilienpreise in München. In der Innenstadt kostet der Quadratmeter Wohnraum gern mal 25.000 Euro. Eine Ladenmiete in der exklusiven Maximilianstraße kann durchaus siebenstellig ausfallen.
Wolfgang Fischer vom Beratungsverein "City Partner München" zuckt mit den Schultern. In der Münchner Innenstadt gelten nun mal die drei wichtigsten Standortfaktoren:
"Lage, Lage, Lage! Wir haben in allen Bereichen, ob Handel oder Gastronomie, die Nachfrage weit größer als das Angebot. Und dadurch resultieren in München die relativ hohen Immobilien- und Mietpreise."
München sei nun mal der attraktivste Standort Deutschlands. Auch wegen der vielen kaufkräftigen Touristen aus den Golfstaaten, Asien und den USA. Seit einigen Jahren kommt noch eine neue Entwicklung hinzu, sagt City-Berater Fischer: Handel frisst Gastro. Das bedeutet:
"… dass auch Handel in Gastronomieflächen geht. Das ist einfach eine betriebswirtschaftliche Logik. Handel kann pro Quadratmeter mehr Miete zahlen als Gastronomie. Das ist eine Sache, die wir sehr genau beobachten."
Die Stadt München stemmt sich gegen den Trend. In den kommunalen Immobilien hält das Wirtschaftsamt die Ladenmieten niedrig:
"Bestes Beispiel: Wir sitzen hier ja im Ruffini-Haus am Rindermarkt. Wenn wir jetzt zwei Stockwerke runtergehen, dann stehen wir vor dem Segafredo am Rindermarkt, da kostet der Espresso 1,80 wie in Italien, schnell zum Vorbeigehen, und es funktioniert wunderbar."
Weil die Stadt als Eigentümerin des Ruffini-Hauses nur einen Bruchteil des handelsüblichen Mietzinses verlangt. Bisher. Aber nach Beschwerden des Obersten Bayerischen Rechnungshofes erhöht nun auch die Stadt München die Mieten. In der Ladenpassage des Münchner Rathauses sollen manche Geschäfte auf einen Schlag 50 Prozent mehr Mietzins zahlen.

Hoflieferanten und alte Wirtshäuser

Wolfgang Fischer hofft, dass die Vielfalt in der Innenstadt nicht verloren geht:
"Wir haben in Handel und Gastronomie noch die alteingesessenen Geschäfte. Das geht los von dem ältesten Schuhmacher Eduard Meier in der Brienner Straße… alteingesessene Münchner Handelsunternehmen, die es eben nur hier gibt. Die ehemaligen Hoflieferanten noch ganz viele. Eine bunte, sehr interessante Vielfalt. Und wir haben eine ganze Reihe von alteingesessenen Münchner Traditionswirtshäusern. Denken Sie an das Schneider Bräuhaus, früher Weißes Bräuhaus im Tal. Aber auch viele kleine. Und das ist eine Sache, die glaube ich auch die Menschen in München so mögen."
Das Cafe Tambosi mochten die Münchner auch. Viele Legenden ranken sich um das erste Kaffeehaus der Stadt. Angeblich soll sogar König Ludwig der Zweite, der "Kini", hier gezeugt worden sein als uneheliches Kind des Herrn Tambosi.
Mit solchen Gschichtln ist es nun vorbei. Was nach dem Tambosi kommt, weiß niemand.