Mozart auf der Stuhlkante

Von Haino Rindler |
Vor sechs Jahren begann der Dirigent Adam Fischer, mit dem Dänischen National-Kammerorchester alle Mozart-Sinfonien einzuspielen. Jetzt liegt CD Nr. 10 mit den späten Sinfonien Nr. 35, KV 385 "Haffner" und Nr. 38, KV 504 "Prager" vor.
Wer Musik zum Zurücklehnen sucht, ist mit Interpretationen des ungarischen Dirigenten Adam Fischer schlecht bedient. Gerade das Kontrastreiche, das sich bisweilen bis zur Ruppigkeit steigert, fällt auf. Mozarts Musik wächst unter den Händen des Chefdirigenten Fischer zu einem brodelnden Vulkan, dessen Ausbrüche schwer vorherzusagen sind.

Bei den beiden Sinfonien Nr. 35 und 38 wählt er bewusst einen theatralischen Ansatz mit sehr viel Dynamik und Dramatik, denn dieses Werk entstanden im Umfeld der Opern Figaro, und Entführung aus dem Serail. Teilweise erlebt man Déjà-vus, wie etwa bei der Figur des Komtur im Don Giovanni.

Trotz aller Explosivität und Kontrastwirkung in dieser Aufnahme dominiert eine übergreifende Ausgeglichenheit was Tempo und Klangbalance betrifft - Adam Fischer führt sein Orchester sicher und kraftvoll durch Mozarts schwankende Seelenzustände.

Mit gespannter Konzentration gehen seine Musiker zu Werke. Kein noch so kleines Detail wird weggespielt oder verschleiert - da sitzt jeder Ton. Und wenn man im Booklet liest, welch zwiespältiges Verhältnis Mozart zu Trompeten und Pauken hatte, dann ist man umso erfreuter, wenn hier Pauken und Trompeten reinfahren, als gäbe es kein Morgen. Die Musik wird zu einer Angelegenheit von existenzieller Bedeutung - ein Akt der Verzweiflung, des Wutausbruchs oder des sehnsuchtsvollen Hoffens. Ein Wechselbad der Gefühle, das den Hörer im wahrsten Sinne überwältigt.

Adam Fischer: W. A. Mozart - Symphonies