Monika Geier: "Alles so hell da vorn"
Ariadne im Argumentverlag, Hamburg 2017
416 Seiten, 13 Euro
Wo die Feigheit der Provinz finster lauert
Der Krimi "Alles so hell da vorn" fesselt durch überraschende und sinnvolle Wendungen. Wie die ermittelnde Kommissarin trotz Dauererschöpfung in ihrem Mordfall alle Bälle in der Luft hält, muss man sie einfach lieben. Eine Empfehlung aus unserer Krimibestenliste im Juni.
Alles entwickelt sich aus einer Szene. In voller Uniform besucht Hauptkommissar Ackermann ein Vorstadtbordell in Frankfurt. Dort sind hauptsächlich minderjährige Zwangsprostituierte im Angebot. Eine von ihnen, Nickname "Manga", entwendet dem Polizisten die Dienstwaffe, erschießt ihn und einen Zuhälter.
Anschließend trampt sie in den rheinland-pfälzischen Hinterwald und erschießt dort den Schuldirektor Gutvatter. Vor zehn Jahren ist aus diesem fiktiven Provinzstädtchen namens Höhbrücken die sechsjährige Meggie verschwunden. Rache – und die Rückkehr eines verschwundenen Kindes?
Monika Geiers Serienheldin in bislang sieben Kriminalromanen ist Bettina Boll. Boll schrammt auch in "Alles so hell da vorn" weiter erfolgreich am Scheitern vorbei als alleinerziehende Mutter der Kinder ihrer verstorbenen Schwester, als Halbtags-Kommissarin in der zentralen Kriminalinspektion Ludwigshafen, und als Immobilienbesitzerin.
Die Feigheit der Provinz
Privat hofft sie, aus dem quälenden Dauergeldmangel durch den Verkauf einer düsteren Villa im Wald herauszukommen, und die aktuellen Ermittlungen verlaufen chaotisch. Der Polizist, der in dem Bordell erschossen worden ist, war ein vertrauter Kollege, weshalb sie jetzt in die SoKo abgeordnet wird, die den Amoklauf der jungen Prostituierten untersucht. Boll, hin- und hergerissen zwischen Dienstpflichten und Instinkt, desorganisiert, ist doch irgendwie immer mitten drin, findet die richtige Zeugen, stellt die richtigen Fragen und gibt sogar einen lebensrettenden Schuss ab. Diese Frau muss man lieben, weil sie trotz Dauererschöpfung im Chaos alle Bälle in der Luft hält.
Ein großes Lob an die Autorin: "Alles so hell da vorn" fesselt durch überraschende und sinnvolle Wendungen, das Rätsel des Mordes in Frankfurt wächst sich völlig organisch zu einer drei Bundesländer übergreifenden Großermittlung aus, Mädchenhandel und Kindesmissbrauch klingen an und werden doch neu und klischeefrei dargestellt.
Im Hintergrund lauert drohend und finster die Feigheit der Provinz, und die Lösung bleibt moralisch notwendig unbefriedigend. Geier beherrscht alle Register: Action und Einfühlung, Satire und tiefere Bedeutung, grandiose Personenzeichnung und elegante Sprache, Pirmasenser Dialekt inbegriffen. Ein selten guter Kriminalroman. Er hat das Zeug zum Bestseller.