Mit gutem Gewissen einkaufen

Moderation: Jörg Degenhardt · 16.04.2008
Der Geschäftsführer der GEPA Fair Trade Company, Thomas Speck, hat die Einkaufspolitik der großen deutschen Lebensmitteldiscounter kritisiert. Der enorme Preisdruck werde auf die Lieferanten und Produzenten in Lateinamerika, Afrika und Asien abgewälzt, sagte Speck. Die Verbraucher forderte er auf, von ihrer "Einkaufsmacht" Gebrauch zu machen.
Jörg Degenhardt: Die weltweite Lebensmittelkrise sorgt weiter für Schlagzeilen. Heute befasst sich das Bundeskabinett mit dem Problem. Aber nicht nur die Politik ist gefragt, sondern auch wir Otto Normalverbraucher - und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. "Endstation Ladentheke", so heißt nämlich eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam. Das Papier kritisiert die Einkaufspolitik der fünf größten deutschen Supermarktketten. Die setzten ihre Einkaufsmacht mittels unfairer Praktiken dazu ein, die Lieferpreise zu drücken, und seien in Entwicklungsländern für Hungerlöhne und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen mit verantwortlich. – Thomas Speck ist Geschäftsführer von GEPA. Das ist Europas größtes Fair Trade Unternehmen. Guten Morgen Herr Speck! – Muss ich jetzt mit schlechtem Gewissen zum Discounter an der Ecke schleichen, oder am besten gar nicht mehr?

Thomas Speck: Zunächst erst mal guten Morgen! – Es gibt ja glücklicherweise Alternativen mittlerweile, wo Sie auch mit gutem Gewissen einkaufen können. Weniger bei Discountern bis jetzt, aber im klassischen Lebensmitteleinzelhandel finden Sie mittlerweile nicht nur Bioprodukte, sondern auch eine gute Auswahl an Fair Trade Produkten. Die können Sie mit einem guten Gewissen einkaufen!

Degenhardt: Aber wenn ich mir diese feinen und fairen Produkte nicht leisten kann?

Speck: Wenn Sie sich die nicht leisten können? Ich glaube, dass dies im Prinzip eine Frage der Prioritäten ist. Wir sind ein relativ reiches Land hier. Wir haben als Konsumenten die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen. Und wenn ich sage, es ist mir wichtig, eine gute Qualität bei den Produkten einzukaufen, eine Qualität, die sich nicht nur im Produkt widerspiegelt, sondern die auch eine soziale Qualität ist, die den Menschen hinter dem Produkt zugute kommt, wenn ich diese Priorität setze, dann glaube ich, dass fast alle Konsumenten auch die Möglichkeit dazu haben. Wir stellen auch fest: Wenn wir unsere Kunden angucken, dann geht das durchaus auch quer durch alle sozialen Schichten.

Degenhardt: Was bieten Sie denn für Produkte an?

Speck: Wir bieten Produkte an aus Lateinamerika, Afrika und Asien. Das heißt, ein ganz wesentliches Produkt im fairen Handel ist der Kaffee, der hier bekanntermaßen nicht wächst. Es ist aber auch Honig, es ist Tee, es sind Nüsse, Trockenfrüchte wie Mangos beispielsweise, also eine ganze Palette an wohlschmeckenden und ganz interessanten Produkten, die zu ganz besonderen Bedingungen eingekauft werden.

Degenhardt: Und wie rechnet sich das zum Beispiel für GEPA?

Speck: GEPA ist ja ein Unternehmen, was von kirchlichen Hilfsorganisationen getragen wird. GEPA ist ein Handelsunternehmen mit ungefähr 180 Mitarbeitern, 55 Millionen Euro Jahresumsatz. Wir importieren, wir sind Großhändler und wir müssen uns auch rechnen.

Degenhardt: Das heißt, sie wollen schon Profit machen?

Speck: Natürlich! Aber im Unterschied zu anderen Unternehmen wird nicht ein einziger Cent von dem Profit entnommen, sondern alles was wir erwirtschaften wird in den fairen Handel reinvestiert und dient eigentlich dazu, dieses System, diese Alternative für den Verbraucher weiter auf- und auszubauen.

Degenhardt: Das heißt, der Verbraucher hat schon die Macht durch seine Kaufentscheidung, durch sein Verhalten, Druck auszuüben etwa auf diese erwähnten Supermarktketten?

Speck: Mittlerweile ja, denn es gibt halt Alternativen.

Degenhardt: Nun kann man die deutschen Supermarktketten natürlich kritisieren, wie das hier in diesem Papier getan wurde. Aber ich frage mal so etwas ketzerisch: Machen es nicht alle so? Und wenn die es nicht machen, machen es die anderen!

Speck: Ich glaube, dass auf dem deutschen Markt zumindest aus unserer Beobachtung die Verhältnisse noch etwas extremer sind als auf anderen europäischen Märkten. Wir haben in Deutschland verglichen mit den Nachbarländern eigentlich den am extremsten ausgeprägtesten Discounter-Bereich, Hard-Discounter-Bereich. In diesen Ketten sage ich mal oder in diesem Bereich der Wirtschaft ist es tatsächlich so, dass in den letzten Jahren ein enormer Preisdruck immer mehr zugenommen hat. Dieser Preis, den der Verbraucher vielleicht am Ende in diesem Discounter nicht mehr bezahlt, den muss am Ende jemand anderes bezahlen und der sitzt in der Regel auf der schwachen Seite. Das ist in der Regel nämlich der Lieferant – zum Beispiel der Kleinbauer beim Kaffee. Das heißt, der Verbraucher kauft billigen Kaffee ein und das, was er nicht bezahlt, bezahlt jemand anderes am anderen Ende mit einem Einkommen sozusagen, von dem er letztendlich gar nicht mehr leben kann.

Degenhardt: Wie weit sind denn, Herr Speck, hier auch Bundesbehörden (etwa das Bundeskartellamt) gefragt, wenn es darum geht, eventuell weitere Fusionen zu verhindern? Ich habe natürlich im Hinterkopf das Fusionsverfahren von Edeka mit dem Discounter Plus. Denn da geht es ja um die Einkaufsmacht der Supermarktketten.

Speck: Genau. Da geht es um die Einkaufsmacht und ich denke mal, das sind zwei Dinge, die man vielleicht unterscheiden muss. Das eine ist: wenn die Ketten immer größer werden, dann bedeutet das mehr Einkaufsmacht. Aber wenn ich beispielsweise mal nach England gucke, dann kann ich mir durchaus große Ketten angucken wie Tesco beispielsweise oder in der Schweiz Migros und Coop. Das sind auch große Ketten. In der Schweiz wird der ganze Markt von zwei großen Ketten dominiert, 80 Prozent des gesamten Lebensmitteleinzelhandels. Dagegen sind wir hier in Deutschland noch ganz zersplittert. Der Unterschied kann aber sein, wenn ein solcher großer Konzern sagt, ich werde mir meiner Verantwortung bewusst. Das heißt, ich mache eine Einkaufspolitik, in der ich ganz klar auch Akzente setze, was die Sozialqualität von Produkten angeht. Das heißt, ich kaufe zu faireren oder gar zu fairen Bedingungen ein. Dann kann das einen ganz positiven Effekt haben – und auch das ist möglich. Das muss nicht negativ sein, sondern es hängt wirklich zusammen auch mit der Philosophie, der gefolgt wird, und das hängt natürlich indirekt auch wieder stark mit am Verbraucher. Denn nur wenn solche Produkte nachgefragt werden, dann wird so ein Konzern auch sagen okay, ich biete diese Produkte an. Es ist immer ein Wechselspiel. Die Produkte müssen angeboten werden und sie müssen nachgefragt werden. Ich glaube, dass ein Umdenken notwendig ist insgesamt in der Wirtschaft. Ich glaube nicht, dass die Politik diese Probleme, auf die wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zulaufen werden, alleine lösen kann, sondern dazu braucht es ein Umdenken in der Wirtschaft.

Degenhardt: Thomas Speck war das, der Geschäftsführer von GEPA, Europas größtes Fair Trade Unternehmen. Und wir sprachen über die Macht der Verbraucher und die Einkaufspolitik von deutschen Supermarktketten.