Mineralöle

Wie viel Erdöl steckt in unseren Lebensmitteln?

Olivenöle und verschiedene Konserven in einem italienischem Supermarkt.
Nicht nur in vielen Olivenölen finden sich Rückstände von Mineralölen. © picture alliance / dpa/ Lars Halbauer
Von Udo Pollmer · 03.11.2017
Ob in Olivenölen, auf Obst und Gemüse oder im Recyclingpapier - Mineralöle finden sich massenhaft in und an unseren Lebensmittel. Aber warum regt sich kaum jemand darüber auf, fragt Lebensmittelchemiker Udo Pollmer.
Bei Rückständen von Mineralölen regt sich kaum noch jemand auf, offenbar ist eine gewisse mediale Sättigung eingetreten: Das Zeug ist überall drin, in Adventskalendern, Olivenölen und bioveganen Brotaufstrichen. Selbst Handelsketten, die bei unerfreulichen Testresultaten eilfertig die Ware aus den Regalen räumen, lassen inzwischen die Kritik an sich abperlen.
Es gibt abertausende Verbindungen, die in Mineralölen vorkommen. Zum Leidwesen der Analytiker bilden auch Pflanzen Stoffe, die denen im Mineralöl gleich oder zum Verwechseln ähnlich sind. Beispielsweise die natürlichen Wachse auf der Oberfläche von Salat oder Äpfeln. In Speiseölen kann der Anteil natürlicher Wachse erheblich sein. Oft werden sie per Raffination entfernt, um Trübungen zu vermeiden.
Es gibt auch Wachse, die aus Erdöl hergestellt werden und als Käseüberzug oder bei Obst und Süßwaren für ein appetitliches Aussehen sorgen. Auch Gebäcke können Spuren enthalten, weil die Öle als Antihaftmittel auf die Bleche gesprüht werden, damit die Ware nicht festklebt. Viele Verbraucher schmieren sich Mineralöl direkt auf die Haut: Es ist oft in Kosmetika enthalten, egal ob Sonnenmilch oder Lippenbalsam. Vaseline ist Mineralöl pur.

Mit Öl gegen Kakerlaken

Pädiater verordnen es Kindern als Abführmittel, dann heißt es Paraffinum liquidum. In Impfstoffen garantieren Mineralöle eine bessere Immunisierung. Im Obstbau dienen sie zur Bekämpfung von Läusen und Spinnmilben. Da die Mittel relativ harmlos sind, haben sie auch eine Bio-Zulassung. Ja, sie eigenen sich sogar zur Beseitigung von Kakerlaken.
Die Eintragspfade in Lebensmittel sind verworren. Beispiel Olivenöl: Da sind bereits von Natur aus allerlei Stoffe drin, wie sie auch in Mineralöl vorkommen. Benutzen die Mitarbeiter der Ölmühle Hautcreme, finden sich Spuren im Öl, dazu kommt der Eintrag durch die Schmiermittel der Maschinen. Selbst ein Zusatz von Talkum trägt zur Kontamination bei. Das Talkum soll die Ölausbeute steigern. Beim Abfüllen in Dosen warten schon die nächsten Rückstände: Die Metalloberfläche wird zum Schutz mit Mineralöl behandelt. Nimmt man Flaschen, dann gerät manches Mal mit dem Korken etwas davon hinein. Es sind kleine Mengen, aber es läppert sich.
Natürlich sollen die verwendeten Öle nur Erdöl-Bestandteile enthalten, die als harmlos gelten. Aber bei Analysen wurden wiederholt aromatische Verbindungen angetroffen, von denen einige im begründeten Verdacht stehen, krebsfördernd zu sein. Und das, obwohl bei allen genannten Anwendungen die Hersteller verpflichtet sind, gereinigte Mineralöle zu verwenden.

Müssen wir mit der Verunreinigung leben?

Auf Kongressen, auf denen die Analytik dieser Mixturen diskutiert wird, macht sich Ernüchterung breit: Man wird mit Verunreinigungen leben müssen, fasste kürzlich in Linz ein Kollege den Stand des Wissens zusammen. Aufgrund der vielfältigen Nutzung von erdölbasierten Produkten in unserem täglichen Leben sei ein Grundlevel in beinahe allen Produkten und Lebensbereichen vorhanden. Zudem ist diese Analytik sehr aufwendig, gibt oft Anlass zu Fehlinterpretationen und falschen Schuldzuweisungen.
Das ganze kostet viel Geld – ohne echten Nutzen. Solange Kindern von Ärzten korrekt hergestelltes Mineralöl löffelweise verabfolgt wird, kann man sich die Aufregung über ein paar Milligramm der gleichen Substanzen im Essen sparen.
Untragbar ist es aber, wenn Speiseöle mit Mineralölen gestreckt werden. Im Jahr 2008 wurden deshalb 100.000 Tonnen gepanschtes Sonnenblumenöl beschlagnahmt. Ebenso untragbar ist die Verwendung von Verpackungen aus Recyclingpapier. So geraten gesundheitlich fragwürdige Mineralöle ins Essen, die in keiner Weise lebensmittelrechtlichen Anforderungen entsprechen. Es ist anzunehmen, dass mit diesen Schmuddelölen noch Unappetitlicheres aus dem Altpapier ins Lebensmittel geschleppt wird.
Wer diese Schadstoffe minimieren möchte, kann dies auch im eigenen Haushalt beherzigen. Mahlzeit!

Literatur:
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