Mike Nicol: "Korrupt"

Zwei gegen den Plünderer-Präsidenten

Buchcover Mike Nicol: "Korrupt"
Buchcover Mike Nicol: "Korrupt" © btb Verlag / dpa
Von Tobias Gohlis · 02.02.2018
Schwer vorstellbar, dass ein Buch über Menschenhandel, grenzenlose persönliche Bereicherung, hemmungslose und Gier und Korruption Spaß bereiten kann. Viel Spaß sogar. Mike Nicols "Korrupt" ist so ein Buch.
Mike Nicol ist 1951 in Kapstadt geboren, und lebt dort mit Unterbrechungen (unter anderem als "poet in residence" an der Uni Essen) bis heute. Seine Romane handeln alle von Gewalt: Wie sie entsteht, von wem sie ausgeht, ob und wie man sich ihrer erwehren kann. Und alle seine Bücher, nicht nur die Kriminal- und Spionageromane, spielen in Südafrika.
"Korrupt" ist sein zwanzigstes Buch und das zweite einer bisher auf drei Teile konzipierten Spionage-Serie mit dem Paar Vicki Kahn und Fish Pescado im Zentrum. Sie sind die Schelme unter den Haien.
Vicki - "mit I am Ende" - ist indischer Abstammung und hat zwei Leidenschaften: Poker und Gerechtigkeit, beides gewürzt mit Abenteuer. Ihr Lover Fish Pescado, der lieber auf Englisch und auf Portugiesisch "Fisch" heißen will, als mit seinem Vornamen Bartolomeo angesprochen zu werden, ist blond, Surfer und Privatdetektiv. Sein Motto: Nimm die Welle, wie sie kommt.
Altmodisch könnte man beide "eine ehrliche Haut" nennen, denn sie bewegen sich zwar in obskuren Milieus, tun aber niemandem etwas Böses, jedenfalls keinem, der er es nicht verdient hat.

Kompromittierende Daten

Vicki war im ersten, ebenso lesenswerten Band "Bad Cop", noch Anwältin. Jetzt hat sie beim Geheimdienst angeheuert und soll erst einen Datenstick und dann auch dessen Besitzerin, das Topmodel Linda Nchaba, aus Amsterdam nach Südafrika lotsen.
Was es mit der schönen Linda auf sich hat, bleibt lange verborgen. Linda Nchabas Konflikt ist bezeichnend für die jungen neuen Reichen in Südafrika: Profitiert haben sie gerne von der Teilhabe an der neuen Macht, aber den moralischen oder gar rechtlichen Preis dafür wollen sie nicht zahlen.
Linda war mit dem Sohn des Präsidenten verbandelt, jetzt können ihn die Daten, die sie gesammelt hat, kompromittieren. Dass sie letztlich tapfer ihre Verantwortung wahrnimmt, ist einer der Lichtpunkte in einem erschreckend düsteren Geschehen.

Südafrika fest in der Hand eines "Plünderkommandos"

Der Staat Südafrika ist fest in den Händen eines "Plünderkommandos". An der Spitze dieses Kommandos steht der - im Roman namenlose - Präsident. Aber jeder südafrikanische Leser, und an die wendet sich Mike Nicol in erster Linie, erkennt ihn: Es ist Jacob Zuma, Vorsitzender des regierenden ANC bis 2017 und Staatspräsident Südafrikas bis heute, berüchtigt wegen Korruption, mehrfach wegen Vergewaltigung angeklagt, anscheinend unbesiegbar.
Das Bild des "Präsidenten" im Roman ist nur leicht überzeichnet: Er regiert auf Lebenszeit, am liebsten von seinem luxuriösen Landsitz "Bambatha" aus, einer Mischung aus luxuriösem Erlebnispark und Bunker. Von dort dirigiert er seine Frauen und Marionetten, darunter sein delinquenter Sohn Zama und sein persönlicher Geheimdienstler und Auftragsmörder Kaiser Vula.
"Korrupt" verwickelt den Leser geschickt in das Gestrüpp der Abhängigkeiten, Beziehungen und Spielzüge. Die Protagonisten sind, wie beispielhaft Vicki und ihr Boyfriend, Agenten der mittleren Ränge und begreifen selbst nicht, warum sie dies oder jenes tun oder lassen sollen. Sie handeln nach Erfahrung, Instinkt und Vertrauen, manipuliert und geleitet von namenlosen Befehlsgebern, die auch selbst nur glauben zu wissen, für wen sie eigentlich arbeiten.

Weit entfernt von den Hoffnungen Mandelas

Die Fälle, um die es konkret geht - das Attentat auf einen oppositionellen Oberst aus der Zentralafrikanischen Republik und seine Familie und um den Handel mit jungen Mädchen - werden im Roman behandelt wie Spielsteine. Das Attentat auf den Oberst sollte dem Schutz der privaten Investitionen des südafrikanischen Präsidenten dienen. Dass dabei seine kleine Tochter getötet wird, ist Nebensache.
"Korrupt" spielt, das darf man nicht vergessen, ausschließlich unter Agenten, Detektiven, Spionen und Politikern. Entsprechend düster ist das Bild, das entsteht: Südafrika in der Hand gieriger, skrupelloser, triebhaft bösartiger Lumpen, gezeichnet mit sardonischem Witz. Die herrschende Clique hat mit den demokratischen Hoffnungen des Aufbruchs und mit Nelson Mandela nichts mehr zu tun.
Da freut es geradezu, dass Vicki und Fish zum Schluss noch ein halbwegs gutes Blatt in der Hand haben. Der Titel ihres nächsten Abenteuers verspricht erneut bösen Spaß: "Sleeper". Aber lesen Sie erst einmal "Korrupt". Das wirkt wie ein doppelter Espresso.

Mike Nicol: "Korrupt"
Aus dem südafrikanischen Englisch von Mechthild Barth
btb, München 2018
508 Seiten, 10 Euro

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