MeToo in Polen

Schauspielerinnen erheben ihre Stimme

05:16 Minuten
Porträtaufnahme von Zofia Wichłacz vor schwarzem Hintergrund.
Gewalt in der Ausbildung "blockiert uns doch nur", sagt die Schauspielerin Zofia Wichłacz. © picture alliance/dpa/Monika Skolimowska
Von Florian Kellermann · 27.03.2021
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Beschimpfungen und Beleidigungen, Schläge, Tritte, Bisse: In Polen äußern Schauspielerinnen schwerwiegende Vorwürfe. Sie sprechen von Machtmissbrauch und Gewalt an den Theatern, Film- und Schauspielschulen des Landes.
Polnische Medien sprechen von einer "Lawine", die durch die polnische Film- und Theaterlandschaft rollt. Hochschuldozenten und Theaterregisseure stehen unter schwerem Verdacht: in Warschau, in Krakau, in Łódź.
Immer mehr arrivierte Schauspielerinnen, die jahrelang über das Erduldete geschwiegen haben, melden sich zu Wort.

Beschimpfungen und physische Gewalt

Den Anfang machte Anna Paliga, frühere Absolventin der Filmhochschule in Łódź. In einem offenen Brief prangerte sie den Missbrauch dort an. Dem öffentlichen Radio in Łódź sagte sie:
"Die Situationen, die ich dem Brief beschreibe, kennen alle, die durch unsere Schule gegangen sind. Der betreffende Professor sagt schon bei den ersten Proben, dass das seine Art der Arbeit ist, mit Schimpfwörtern um sich zu werfen. Am Anfang sind alle Schauspielerinnen so begeistert über die Arbeit, dass sie nur nicken. Aber nach und nach zeigt sich, dass diese Schimpfwörter gegen bestimmte Personen gerichtet sind."
Sie selbst habe der Professor immer wieder als "Putzlappen" und als "Hure" beschimpft, erzählt die ehemalige Studentin. In ihrem Brief beschreibt Anna Paliga auch physische Gewalt. Ein anderer Dozent habe einer Studentin bei einer Probe so stark ins Gesicht geschlagen, dass sie aus der Nase blutete.

Zurückweisen und Schweigen

Die angesprochenen Dozenten der Filmhochschule in Łódź bestreiten die Vorwürfe. So etwas sei nie passiert, erklärte Professor Mariusz Grzegorzek gegenüber dem Internetportal onet.pl. Andere Dozenten wollten sich nicht äußern.Die Rektorin der Hochschule Milenia Fiedler kündigte jedoch Konsequenzen an:
"Diese Aussagen sind an die Kommission weitergeleitet worden, die sich mit Mobbing- und Diskriminierungsvorwürfen befasst. Die Kommission hat bereits damit begonnen, die Vorwürfe umfassend aufzuklären. Ich warte auf die Beschlüsse der Kommission und auf ihre Empfehlungen, welche weiteren Schritte wir unternehmen sollten."
Die Direktorin will noch weiter gehen. Sie will auch aufklären, warum die Kommission nicht schon viel früher tätig wurde und Vorgänge an der Hochschule scheinbar nicht wahrgenommen hatte.

Gewalt als Ausbildungsmethode

Auch andere aktuelle und ehemalige Schauspielschülerinnen schöpften Mut und gingen an die Öffentlichkeit, so wie die auf der Berlinale 2017 als "European Shooting Star" ausgezeichnete Zofia Wichłacz.
Sie habe es an der Theaterakademie in Warschau nur ein halbes Jahr ausgehalten. Sie sei dort Zeugin von verbaler und sexueller Gewalt geworden, erklärte sie.
Sie habe auch das Argument gehört, Regisseure müssten so vorgehen, um bei den Schauspielerinnen Emotionen freizulegen. Gegenüber Radio TOK FM sagte sie:
"Aber solche Gewalt blockiert uns doch nur. Sie führt zu Traumata. Diese Gewalt macht uns ängstlich und verschlossen. Das hilft uns doch im Leben nicht, unser schauspielerisches Talent auszuschöpfen. Auch ich war in psychologischer Behandlung deshalb."

Vorwürfe richten sich auch gegen Theater

Vorwürfe gibt es nicht nur gegen die Praxis an Schauspielschulen, sondern auch an Theatern. Das bekannteste, gegen das konkrete Vorwürfe vorliegen, ist das Krakauer Teatr Bagatela.
Gewalt am Theater, vor allem gegen Frauen, sei ein System, sagt Monika Kwaśniewska-Mikuła, Theaterwissenschaftlerin an der Universität in Krakau. Es sei nicht leicht zu überwinden. Deshalb habe die Polnische Gesellschaft der Theaterwissenschaftler eine Arbeitsgruppe geschaffen, die sich dem Problem widmet:
"Wir diskutieren noch sehr viel im Moment und sehen uns erst einmal an, wie in anderen Ländern damit umgegangen wurde. Uns wird dabei immer klarer, dass wir zunächst einmal komplexe Untersuchungen brauchen. Solange wir nicht das ganze Ausmaß des Problems kennen, werden wir kaum grundsätzliche Veränderungen anstoßen können."

Auch eine Dozentin steht in der Kritik

Mobbingvorwürfe kommen nun indes nicht nur gegen Männer auf. Auch Beata Fudalej, Dozentin an der Theaterschule in Krakau, steht in der Kritik. Sie habe Schülerinnen und Schüler beleidigt, getreten und gebissen, berichten Betroffene.
Als erster Konsequenzen aus den Vorwürfen zog der Regisseur Paweł Passini. Er wolle seine Arbeit als Regisseur und Dozent an der Theaterschule im oberschlesischen Bytom vorerst ruhen lassen, erklärte er.
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