Laienorganisation fordert klaren Kurs gegen Piusbrüder

Christian Weisner im Gespräch mit Leonie March · 02.03.2009
Der Sprecher der katholischen Laienbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, hat die deutschen Bischöfe aufgefordert, sich deutlich von der umstrittenen Priesterbruderschaft St. Pius X. abzugrenzen. Die Bischöfe müssten bei ihrer heute beginnenden Frühjahrstagung Klartext reden und dieses Signal auch nach Rom weitergeben.
Leonie March: In der offiziellen Tagesordnung wird das Thema gar nicht erwähnt. Doch wenn die katholischen Bischöfe heute ihre Frühjahrstagung in Hamburg beginnen, werden sie natürlich auch über die Pius-Bruderschaft und den umstrittenen Kurs des Vatikans sprechen. Eineinhalb Stunden wollen sie der Frage widmen, was die Kontroverse für den deutschen Katholizismus bedeutet. An der Basis ist die Empörung groß, Zehntausende haben eine Erklärung unterschrieben, in der der Papst gerügt und die volle Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils gefordert wird. Mitinitiator war die internationale Bewegung "Wir sind Kirche", ihr Sprecher ist Christian Weisner. Guten Morgen, Herr Weisner!

Christian Weisner: Ja, guten Morgen, Frau March!

March: Welches Signal erwarten Sie von der Bischofskonferenz?

Weisner: Die Bischofskonferenz tagt ja in Hamburg. Es geht also ein bisschen um die Seefahrt, und das Kirchenschiff muss auf klaren Kurs gebracht werden wieder. Da kann man nur hoffen, dass der jetzige Vorsitzende, Erzbischof Zollitsch, oder auch sein Vorgänger, Kardinal Lehmann, und viele andere, dass die wirklich jetzt einen kühlen Kopf bewahren und dass sie wieder den klaren Kurs finden. Denn es ist ja schon sehr merkwürdig, dass so ein scheinbar innerkirchliches Problem seit fünf Wochen weltweit für Aufregung sorgt. Und es zeigt wirklich, dass die katholische Kirche da ein großes Problem hat. Es ist nicht eine Medienkampagne nur gewesen, es ist kein Kommunikationsfehler im Vatikan gewesen, da ist wirklich sehr, sehr viel schiefgelaufen. Und nur, wenn wir jetzt ganz Klarheit finden, dann kann es positiv weitergehen.

March: Nun vertreten die deutschen Bischöfe ja keine einheitliche Position in dem Streit. Besonders in Bayern fand man die Kritik am Papst ja unangemessen. Wie realistisch ist Ihre Erwartung vor diesem Hintergrund?

Weisner: Ja, da kann ich aber nur appellieren, wenn einige bayerische Bischöfe meinen, dass sie jetzt an diesem Wortlaut der Petition, die Sie auch schon angesprochen haben, da Kritik im Detail üben, dass sie da wirklich an der falschen Stelle sind. Es geht ja nicht darum, jetzt die Leute zu bestrafen, die gewissermaßen den Feuerlöscher rufen oder die helfen, das Feuer zu löschen, sondern man sollte wirklich auf die Brandstifter gucken, und das sind in diesem Fall, man muss wirklich sagen, diese Pius-Bruderschaft, die ja vorher und auch nach der Aufhebung der Kommunikation, die alle sehr problematisch finden, die vorher und nachher doch ja sich sehr absonderlich verhalten. Es ist für Menschen in der Kirche und auch für andere nicht verständlich, wie so eine kleine Splittergruppe die große katholische, weltweite Kirche den Papst unter Druck setzt. Ich will einmal das vergleichen in der Politik, das wäre so, als ob eine kleine Bürgerinitiative aus dem Bayerischen Wald – nichts gegen den Bayerischen Wald – als ob eine kleine Bürgerinitiative versucht, mit Frau Merkel die Koalitionsverhandlungen zu führen und dann auch noch die Tagesordnung bestimmen will. Also das ist wirklich jetzt alles sehr, sehr aus dem Lot gegangen, und die Erklärung von dem Weihbischof Williamson sind ja windelweich. Und da muss wirklich jetzt Klartext geredet werden. Und ich kann nur hoffen, dass also die Bischöfe das wirklich tun und dass auch der Nuntius, der ja bei der Bischofskonferenz dabei ist, dieses Signal deutlich nach Rom weitergibt.

March: Papst Benedikt XVI. hatte ja bei seiner umstrittenen Entscheidung die Einheit der katholischen Kirche im Blick. Hat er aber das Gegenteil erreicht und die Kirche gespalten, auch in Deutschland?

Weisner: Das ist im Augenblick so, und auch nicht nur in Deutschland. Das Problem wird wirklich international wahrgenommen, natürlich in Deutschland vor der Holocaust-Frage und auch mit einem deutschen Papst natürlich besonders. Und auch da ist mir eigentlich immer nur das Bild jetzt eingefallen von Loriot, wir kennen das alle: Man versucht ein bisschen den Bilderrahmen gerade zu rücken. Und das hat natürlich jetzt so viele Folgeprozesse, dass nachher die ganze Einrichtung zu Bruch geht. Da ist wirklich jetzt sehr, sehr viel schiefgelaufen. Und das, was mir noch am meisten Sorgen bereitet: Die Bischöfe hatten ja eigentlich – und das ist gut und richtig so – hatten eigentlich die Probleme der Wirtschaft, der Finanzkrise und wie wirklich den Menschen auch geholfen werden kann, hatten sie auf der Tagesordnung. Und dieses gerät alles im Augenblick wegen dieser innerkirchlichen fundamentalistischen Diskussion in den Hintergrund. Da ist die Kirche für die Zukunft, wenn wirklich die Armutswelle auch hier in Europa kommt, leider nicht gut aufgestellt. Das ist also, würde ich da sagen, das ganz Bedauerliche für die Zukunft, dass wir uns nicht den wirklichen Fragen der Menschen, den Sorgen der Menschen widmen können.

March: Trotzdem geht es ja um eine Grundsatzfrage für die Katholiken. Sie fordern in der Petition, dass die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils voll anerkannt werden. Sehen Sie denn Anzeichen über den aktuellen Streit hinaus, dass sich der Vatikan von diesen Beschlüssen abwendet?

Weisner: Da hat es leider – und auch unter Papst Benedikt – schon solche Zeichen gegeben. Das ist doch ein halbes Zurück in der Liturgiereform. Stichwort ist diese vorkonziliare Messe, die im Sommer 2007 wieder voll zugelassen worden ist. Stichwort ist die unformulierte Karfreitagsfürbitte. Stichwort ist die geplante Seligsprechung von Pius XII., der doch nicht ganz unumstritten ist. Da sind also einige Sachen, die in dieser Rückwärtsbewegung zu deuten sind. Und ich kann aber nur sagen, dass im Augenblick durch diese Pius-Bruderschaft, so ärgerlich das ist, es geht nicht nur um diese Pius-Bruderschaft, es ist im Augenblick doch das Konzil wieder sehr ins Gespräch gekommen. Und alle sagen, landauf, landab, Theologieprofessoren und auch Pfarrer sagen, wir müssen uns noch mal genau mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschäftigen. Und das ist ja pikant gewesen, dass die Ankündigung dieser Aufhebung der Exkommunikation genau auf den Tag 50 Jahre nach der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen ist. Also vielleicht hat der Heilige Geist da doch ein bisschen mitgespielt und gesagt, diese Pius-Bruderschaft letztlich, das geht nicht in der Kirche – das sagen ja auch Kardinal Lehmann und Erzbischof Zollitsch –, und letztlich, es geht um das Konzil. Und da geht kein Weg dran vorbei.

March: Umfragen zufolge hat die Mehrheit der Katholiken ja kein Verständnis für das Verhalten des Papstes in den vergangenen Wochen. Wie könnte er denn das Vertrauen der Basis wiedergewinnen?

Weisner: Ja, da fehlt wirklich aus Rom ein Zeichen. Und am Anfang hatten Sie gesagt, die Petition rügt den Papst. Da muss man wirklich vorsichtig sein. Wir möchten doch einen starken Appell nach Rom richten. Man muss einfach sagen, viele Menschen haben sich mit dem Gedanken getragen, jetzt trete ich aus der Kirche aus. Aber das ist nicht die Auffassung von der Kirchenbasis, die wir vertreten, sondern wir sagen, lieber auftreten statt austreten. Und insofern ist es eine Petition, die, denke ich, für die Kirche ist. Und in Rom muss jetzt dringend umstrukturiert werden – das haben ja auch so ganz honorige Leute wie der frühere ZdK vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Vorsitzende Hans Meyer gesagt: Rom braucht einen Kabinettstisch, es kann nicht sein, dass wie im Mittelalter nur jeder einzelne Kardinal zum Papst geht und die Information innerhalb des Vatikans nicht optimal ist, das kann nicht sein. Und es ist ja wirklich zu befürchten, dass Einzelne, wie zum Beispiel der Kardinal Hoyos, das doch dieses hintertrieben haben, aber indem sie diese sehr konservative antijudaistische und fundamentalistische Pius-Bruderschaft wieder versucht haben, in die Kirche zu integrieren. Und bekannt ist die natürlich – das muss man noch mal an dieser Stelle sagen – dem Papst auf jeden Fall, denn der Papst selber hat ja damals noch als Kardinal vor 21 Jahren genau versucht, diese Pius-Bruderschaft, Erzbischof Lefebvre, in die römische Kirche zurückzuholen, es ist ihm nicht gelungen damals. Und insofern ist es für alle unverständlich, dass sich der Papst hat so hinters Licht führen lassen von dieser kleinen Splittergruppe.

March: Der Sprecher der internationalen Bewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank dafür!

Das Interview mit Christian Weisner können Sie bis zum 2. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio