Kommandozentrale der "Krawallnudel"

Von Verena Herb · 11.06.2013
Der Flughafen BER reiht sich ein in Bauvorhaben, die von Pleiten, Pech und gewaltigen Kostensteigerungen begleitet sind. In Schönefeld greift seit einigen Wochen aber der nicht ganz unumstrittene Geschäftsführer Hartmut Mehdorn ordentlich durch und soll nun alles zum Guten wenden.
Auf der Internetseite des BER, des zukünftigen Hauptstadtflughafens Berlin – Brandenburg, bekommt man schon heute einen Einblick in die "Kommandozentrale" - in das Projekt Management Office, das P M O:

Hartmut Mehdorn: "Hier sind jeden Morgen um 9.00 Uhr alle, die an diesem Beschleunigungsprozess beteiligt, sind im Raum. Wir werden hier eine morgendliche Lagesitzung machen und über den Vormittag uns mit den kritischen Problemen befassen. Und am Nachmittag schwärmen alle wieder aus und machen ihre Arbeit. Und am nächsten Morgen treffen wir uns wieder."

Hartmut Mehdorn greift durch: am 11. März hatte er seinen ersten Arbeitstag als neuer Geschäftsführer der Flughafengesellschaft. Der Mann, inzwischen 70 Jahre alt, soll die Pannen-Baustelle BER zu Ende bringen. Die Idee, den früheren Vorstandsvorsitzenden von Airbus, Heidelberger Druck, der Deutschen Bahn und Air Berlin als neuen Geschäftsführer zu holen, schreibt sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer auf die Fahnen.

"Wie das gelungen ist, behalte ich für mich…"

Erklärt der CSU-Politiker am Tag der Ernennung Mehdorns – und sieht sich sogleich kritischen Fragen ausgesetzt: Ist der Ex-Manager nicht zu alt? Zu verbraucht? Und sein Image ist auch nicht gerade das Beste… hat sich niemand sonst gefunden? Peter Ramsauer poltert in gewohnt bajuwarischer Art:

"Also eines muss ich … bitte… geben Sie mir die Gelegenheit: Klipp und klar stellen. Herr Mehdorn ist niemals und war niemals zweite Wahl. Sondern einer wie Mehdorn ist immer allerallerallererste Wahl."

Der Bundesverkehrsminister sieht es als persönlichen Personal-Coup, Hartmut Mehdorn gewonnen zu haben. Obwohl – oder wahrscheinlich gerade weil – der Manager nicht nur für seinen harten Händedruck, sondern vor allem für seine – auch der Politik gegenüber – unangepasste Art bekannt ist.

"Das ist einer mit Ecken und Kanten, der weiß, was er will. Der weiß worauf er sich einlässt. Also wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Manager, der dann wahrscheinlich kein richtiger wäre, der der Politik nur hinterher rennt und keine eigene Meinung hat und einem Kerl – Ausrufezeichen – wie Hartmut Mehdorn, dann würde ich mich immer für einen Mehdorn entscheiden."

Für die Union ein "Kerl" – für die Linkspartei eine "Krawallnudel". Wie auch immer man Flughafenchef Mehdorn bezeichnen will, er eckt an mit seiner unkonventionellen Denkweise und lässt nicht locker: Trotz aller Kritik – Mehdorn hält an seinen Plänen fest, den Hauptstadtflughafen BER in Etappen zu öffnen.

"Es gibt keine Denkverbote für mich… "

Rückenwind bekommt Mehdorn aus dem Bundesverkehrsministerium. Die schrittweise Öffnung des Flughafens wird befürwortet. Man tue alles, um den Flughafen so schnell wie möglich ans Netz zu bringen. Für einen Start 2013 – also eine Teilöffnung – müssten noch Fakten geprüft werden, heißt es aus dem Ramsauer-Ministerium. Das Thema wird womöglich auf der nächsten Aufsichtsratssitzung Mitte Juni schon eine Rolle spielen. Ursprünglich wollte Hartmut Mehdorn einen neuen Eröffnungstermin bis Ende August nennen – und einen entsprechenden zeitlichen Fahrplan vorlegen. Während Hartmut Mehdorn mit seinen Überlegungen einer teilweisen Öffnung schon in diesem Jahr – für Furore sorgt, mag sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer nun erst einmal wieder zurücklehnen.
Schließlich liegen aufregende Zeiten hinter ihm.

Hartmut Mehdorn, BER-Geschäftsführer
BER-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn, die "allerallerallererste Wahl"© picture alliance / dpa Foto: Juri Reetz
Schuld sind immer die anderen
Rückblick: Als der Flughafen den jüngsten Starttermin Anfang des Jahres wegen Baumängeln absagt, fokussiert sich die Öffentlichkeit zunächst auf den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft, den Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit. Der muss nach öffentlichem Druck den Chefposten an seinen Vize Matthias Platzeck abtreten… doch dann wird auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in die Pflicht genommen. Warum kriegt der Bundesverkehrsminister das Desaster nicht in den Griff? Der CSU-Politiker Ramsauer gibt auf alle kritischen Fragen – fast schon mantraartig – die immer gleiche Antwort:

"Der Bund ist einer von drei Gesellschaftern. Der Bund ist ein Minderheitsgesellschafter. Die Mehrheitsgesellschafter sind die Länder Brandenburg und Berlin."

Der Bund hält 26 Prozent am BER, die Länder jeweils 37 Prozent. Entsprechend sei auch die Verantwortung zu verteilen. Peter Ramsauer argumentiert: Die Hauptverantwortung liegt bei den Ländern Berlin und Brandenburg – und bekommt Unterstützung vom Koalitionspartner FDP. Oliver Luksic, der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist niemand, der den Konflikt scheut. Es gibt zahlreiche verkehrspolitische Themen, wo er mit dem Bundesverkehrsminister über Kreuz liegt – doch beim BER nimmt er den CSU-Politiker in Schutz. Auch er ist der Meinung: Die Mehrheitsgesellschafter tragen die Hauptverantwortung. Er räumt aber auch Versäumnisse des Bundes ein:

"Man hätte in der Tat an der ein oder anderen Stelle früher auch kritisch auch nachfragen müssen. Allerdings hat man dann ja später auf die Absetzung von Herrn Schwarz gedrängt, und dann andere Punkte nach vorne gebracht. Auch die SoKo."

Soll heißen: Rainer Bomba, der als Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium den Bund im BER – Aufsichtsrat vertritt, hat nicht hinterfragt, sondern einfach durchgewunken. Doch dann handelt Peter Ramsauer: Nach dreimaliger Verschiebung des Eröffnungstermins setzt er im Januar 2013 die Ablösung des damaligen BER-Geschäftsführers Rainer Schwarz durch:

Peter Ramsauer: "Der Sprecher der Geschäftsführung ist wie ein Steuermann auf einem Schiff in äußerst rauer See, und er sagte mir, er will eigentlich gar nicht das Steuer in der Hand haben, er sei für nichts zuständig. Und da muss man dann schlicht und einfach sagen: Die Grundlagen für eine vertrauensvolle verlässliche Zusammenarbeit sind nicht mehr gegeben."

Schwarz muss gehen. Zuvor hatte Peter Ramsauer bereits im Juni 2012 eine Sonderkommission eingerichtet, die aufklären soll: Was ist wann, wo, wie schief gelaufen? Und wer hat Schuld daran?

"Das einzige, was ihn interessiert, sind Schlagzeilen bei denen er sich positiv darstellen kann …"

Meint die Sozialdemokratin Kirsten Lühmann, in ihrer Partei zuständig für den Luftverkehr. Viel Gerede und nichts dahinter – sagt die Oppositionspolitikerin und findet deutliche Worte was die Ablöse von Schwarz und besonders die Einrichtung der SoKo anbelangt:

"Das Schlimme finde ich, dass Herr Ramsauer dann auch noch angefangen hat, sich als Chefaufklärer aufzuspielen, in dem er eine Sonderkommission eingerichtet hat, die weder parlamentarisch legitimiert ist. Die weder vom Aufsichtsrat legitimiert ist und von der kein Mensch eigentlich wusste, was hat sie für einen Auftrag."

Oliver Luksic von der FDP ist nicht ganz so kritisch und befindet:

"Die Soko hat mit Sicherheit vor einem Jahr ne wichtige Arbeit geleistet, um auch einzelne Fragen aufzuklären. Auch in der Verantwortung …"

Und das ist doch schon mal was. Kirsten Lühmann gibt sich nicht so leicht zufrieden. Die SPD-Politikerin gibt dem Bund als Minderheitsgesellschafter und namentlich Peter Ramsauer eine Mitschuld an dem Desaster. Dass der Bundesverkehrsminister sich häufig versuche, herauszureden finde sie …

"… faszinierend. Wenn in einem Aufsichtsrat drei politische Gruppierungen sitzen, also das Land Brandenburg, das Land Berlin und die Bundesrepublik Deutschland, dass einer dieser Drei behaupten kann, sie haben damit nix zu tun. Alle drei Beteiligten haben die selben Informationen gehabt, alle drei Beteiligten haben – das wissen wir inzwischen – immer wieder verschiedenste Änderungen an den Baumaßnahmen angefragt. Das heißt, alle drei sind auch verantwortlich dafür, dass die Baumaßnahmen nicht in dem Maße fortgeschritten sind, wie wir das jetzt gesehen haben."

Und dass die Kosten für den neuen Hauptstadtflughafen nahezu explodiert sind. Ursprünglich sollte der BER für 2,4 Milliarden Euro gebaut werden. Mittlerweile veranschlagen die Bauherren einen Betrag von fast doppelt so viel: nämlich mindestens 4,3 Milliarden Euro. Doch zeigt die Erfahrung bei solchen Großbauprojekten: die tatsächlichen Kosten lassen sich nur schwer abschätzen. Das räumt auch der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck ein: Zunächst müsse eine Verkehrsprognose für die nächsten Jahre abgewartet und die entsprechenden Maßnahmen daraus abgeleitet werden. Je länger die Eröffnung des BER sich herauszögert, desto teurer wird es. Experten schließen auch einen zweistelligen Milliardenbetrag nicht mehr aus.

Es wird weiter aufzuarbeiten sein, auch über die Klärung der SoKo hinaus, wo tatsächlich die Ursachen für die Probleme zu finden sind. Der Bundesverkehrsminister, damals ganz frisch im Amt, hat vor einigen Jahren während eines Besuchs in der Bayerischen Heimat sein politisches Geheimnis verraten:

Peter Ramsauer: "Ich kann nix dafür. Meine politischen Lehrmeister haben mir immer gesagt: Du darfst nie für etwas dafür können, wenn irgendwas falsch ist …"
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)<br />"Ich kann nix dafür."© AP
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