Königliche Sammlung

Von Julia Macher · 19.11.2009
Was als Steckenpferd der Ehefrau des spanischen Königs Ferdinand VII. begonnen hatte, sollte sich im Laufe von zwei Jahrhunderten zu einer der größten und bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt entwickeln: das Museo Nacional del Prado in Madrid.
Die Eröffnung des "Prado" am 19. November 1819 in Madrid warf kein gutes Licht auf das spanische Königshaus: Die Organisation im Vorfeld war ein ziemliches Desaster. Weil die Ankündigung in der Zeitung zu spät erschien und man die Wachgarde nicht rechtzeitig über ihren Einsatzort informierte, wurde das "Museo Real de Pintura y Escultura" erst zwei Tage später als ursprünglich geplant eingeweiht. Ohne Zeremoniell, ohne den Monarchen: Ferdinand VII. blieb einfach zu Hause. Hätte seine zweite Frau Isabel de Braganza noch gelebt, hätte er sich um den Auftritt wohl kaum drücken können, denn die Portugiesin hatte auf die Einrichtung gedrängt:

"Sie ist die Ideengeberin dieses Museums. Das Gebäude war ursprünglich als Museum für Naturwissenschaften geplant worden, stand aber leer, und so schlug die Königin ihrem Mann vor, hier das "Königliche Museum für Malerei und Skulpturen" zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt entstanden in ganz Europa große Museen, die für die Nationalstaaten von großer Bedeutung waren",

erzählt Gabriele Finaldi, Vizedirektor des Museums. Am Tag der Eröffnung waren 311 Gemälde zu sehen, ein kleiner Ausschnitt aus der mehr als 1500 Bilder umfassenden Sammlung, die die spanischen Herrscherhäuser Habsburg und Bourbon über die Jahrhunderte erworben hatten. Jeden Mittwoch konnten die Madrider nun Meisterwerke wie Diego Velazquez' "Las Meninas" oder die farbenprächtigen, langgliedrigen Heiligen El Grecos bewundern. Den Rest der Woche blieben die Kunstschätze Kopisten, Gelehrten und Freunden der Adelsfamilie vorbehalten. Die 1868 verstaatlichte und später in "Museo Nacional del Prado" umbenannte Sammlung war zu Beginn kein bürgerliches Museum, sondern eine Pinakothek ganz nach königlichem Geschmack:

"Der 'Prado' war nie ein 'enzyklopädisches Museum'. Er hatte im Gegensatz zum Louvre oder zur National Gallery nie den Anspruch, einen Überblick über die gesamte Kunstgeschichte zu geben. Die königlichen Sammlungen, die wir zeigen, entstanden natürlich nach den Interessen und Geschmäckern der jeweiligen Herrscher. Daher ist die Sammlung des 'Prado' in manchen Epochen außergewöhnlich reich, in anderen außergewöhnlich arm."

Dem Habsburger Philipp II. verdankt der "Prado" Hieronymus Boschs "Garten der Lüste" und andere Auftragsarbeiten; Philipp IV. engagierte Diego Velázquez und sammelte begeistert Tintorettos; die Bourbonenherrscher Karl III. und Karl VI. bescherten der Pinakothek Werke von Rembrandt und ernannten Francisco Goya zum Hofmaler. Dessen nicht sonderlich schmeichelhafte Herrscherportraits und die düsteren "Schwarzen Bilder" prägten das Spanienbild von Generationen.

"Es heißt, dass in den Sälen des Museums die 'Seele Spaniens' weiterlebt. In den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Spanien bei den Franzosen populär, und viele reisten nach Madrid. Der große Spanienverehrer Georges Bizet besuchte das Museum einige Jahre bevor er 'Carmen' komponierte, später kamen Gautier und Manet."

Für Eduard Manet war Velázquez "der Maler der Maler". Heute defilieren an den Werken des Meisters des "Goldenen Zeitalters" jährlich mehr als zweieinhalb Millionen Besucher vorbei. Um ihnen eine moderne Infrastruktur inklusive Cafeteria, Auditorium und Bibliothek und dem Museum Platz für Wechselausstellungen zu bieten, wurde 2007 ein Erweiterungsbau eingeweiht, entworfen von dem spanischen Pritzker-Preisträger Rafael Moneo.

"Eine der großen Errungenschaften des Anbaus von Moneo ist, dass er den Charakter des Museums nicht verändert hat."

Über einen unterirdischen Gang führt der alte klassizistische Bau jetzt in Moneos schlichten Ziegelwürfel: ein nahtloser Übergang, der sich harmonisch in das Gesamtkonzept einfügt. Raum für alle 7600 Gemälde, für alle Zeichnungen, Drucke und Skulpturen bietet zwar auch der neue "Prado" nicht. Doch dafür vermitteln die Werke von spanischen Künstlern des 19. Jahrhunderts, die hier zu sehen sind, etwas vom Geist der Gründungsjahre. Der Platz im alten "Prado" bleibt weiterhin der Elite vorbehalten – den Meisterwerken aus der Zeit vom elften bis zum 18. Jahrhundert.