Keine grünen Männchen

Von Mathias Schulenburg · 14.07.2005
Planeten gelten in der Mythologie der Völker als Götter, der Mars macht keine Ausnahme: Er wurde im Abendland als Kriegsgott angesehen. Als der Mars im Fernrohr feine Linien zu erkennen gab, entstand die Legende von Wesenheiten auf dem Mars, die es womöglich auf die Erde abgesehen haben könnten. Grund genug, hinzufahren, als es die technische Möglichkeit dazu gab, was mit dem Projekt "Mariner IV" gelang. Am 14 Juli 1965 schickte die Sonde die ersten Bilder zur Erde.
Ob es an der roten Farbe des Planeten lag, oder seiner ungeordnet anmutenden Bahn am Abendhimmel - zumindest die abendländische Mythologie schrieb dem Mars wieder und wieder kriegerische Eigenschaften zu. Was den nach der Erfindung des Fernrohrs aufgeklärten Teil der Menschheit nicht weiter beunruhigen musste, schließlich war der Mars nun nicht mehr als gewalttätiger Gott zu denken, sondern als ein Himmelskörper, den die Gesetze der Gravitation stets in sicherer Entfernung von der Erde halten.

Was aber das Fernrohr an Furcht genommen hatte, brachte es in anderer Form wieder zurück, denn Ende des 19. Jahrhunderts berichtete der italienische Astronom und Staatsmann Giovanni Virginio Schiaparelli von künstlich anmutenden Linien auf dem Mars, die er "canali" nannte, Kanäle, an denen sich die Phantasie der Zeitgenossen heftig entzündete. Am schlimmsten traf es den amerikanischen Astronomen Percival Lowell, der Anzeichen einer fortgeschrittenen Zivilisation auf dem Mars ausgemacht haben wollte. Schiaparellis und Lowells Kanäle transportierten danach Wasser von den Marspolen Richtung Äquator. An Kreuzungspunkten sah Lowell Oasen erblühen, wo andere nur diffuse Flecken wahrnahmen. Oasen! Der Begriff macht nur in einer Wüste Sinn. Würden die offenbar über eine ausgezeichnete Ingenieurskunst verfügenden, dürstenden Marsianer nicht über kurz oder lang den erkennbar tropfnassen Blauen Planeten, die Erde, heimsuchen wollen?

Aber ja. In der phantastischen Literatur nahmen aggressive Marsianer Gestalt an, am überzeugendsten im Roman "Krieg der Welten" von H.G. Wells. Am 30. Oktober 1938 wurde der Roman von Orson Welles als Hörspiel gesendet, in der Gestalt einer ziemlich überzeugenden Radioreportage über einen Angriff der Marsianer auf New Jersey. Tausende Hörer nahmen den Bericht für bare Münze und gerieten in Panik:

Das Hörspiel war aber auch gut gemacht. Mars war in aller Munde, als Schoko-Riegel sowieso. Die Neugier auf Bilder vom Mars wuchs ins Staatstragende.

Die Neugier musste ein Vierteljahrhundert unbefriedigt bleiben, erst im November 1964 hob die amerikanische Raumsonde Mariner IV mit einer Fernsehkamera an Bord ab, Klarheit in das verschwommene Bild vom Kriegerplaneten zu bringen. Als das Raumschiff die Hälfte der Reise hinter sich hatte, passierte etwas, das den Verantwortlichen die Haare zu Berge stehen ließ: Eine Kurskorrektur musste vorgenommen werden, die der Sonde per Funk in der Gestalt eines Computerprogramms hinterher geschickt wurde. Als die Hälfte der Daten versendet war, betrat ein Ingenieur den Kontrollraum, sah, dass an der Befehlskonsole ein Schalter nicht in der gewohnten Stellung war und klickte ihn zurück.

Die Übertragung war unterbrochen, die Kontrollmannschaft in Panik. Was, wenn Mariner IV die verstümmelte Botschaft für das Ganze nahm und ganz und gar verwirrt wurde? Schließlich empfingen die Ingenieure von der Sonde das Signal, das sie eine defekte Botschaft bekommen und ignoriert hatte. Das Computerprogramm wurde neu verschickt und das Projekt war gerettet.

Und dann schwenkte Mariner IV in eine Bahn um den Mars ein und sendete, am 14. Juli 1965, die ersten Bilder zur Erde. Sie waren einerseits sensationell - weil sie überhaupt zustande gekommen waren -, andererseits enttäuschend, denn sie zeigten eine tote Kraterlandschaft ähnlich der des Mondes. Es waren aber auch Wolken zu erkennen, die man auf dem Mars nicht vermutet hatte.

Spätere Marsmissionen zeigten, dass auf dem Mars doch mehr los ist, und seit Neuestem glaubt man zu wissen: Es hat auf diesem Planeten einmal Wasser in Massen gegeben, womöglich auch Leben. Aber für einen Krieg der Welten hätte das nie gereicht.