Josef Braml (DGAP): Amerika hat das Privileg des Dollars

Josef Braml im Gespräch mit Christopher Ricke · 26.07.2011
Josef Braml von der Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht davon aus, dass Anleger verstärkt in den günstigen Euro investieren und der Dollar noch mehr unter Druck gerät. Ein teurer Euro sei aber ein größeres Problem als die derzeitige Lage, gibt er zu Bedenken.
Christopher Ricke: Es ist eng, sehr eng in den USA: Die Schuldenkrise, der Streit der Parteien, die Uneinigkeit, wie man den Schuldendeckel, der vorgesehen ist, noch einmal anhebt, um sich noch einmal frisches Geld zu besorgen. Wie nervös die Finanzwelt ist, das zeigt der Goldpreis: Über 1600 Dollar pro Feinunze; in drei Jahren hat sich aus US-Sicht, aus Dollar-Sicht, der Goldpreis verdoppelt. Da wird der Ehering schon zur Geldanlage! Das Besondere an dem Streit in den USA: Es geht gar nicht so sehr darum, dass das Staatsdefizit in den Griff bekommen werden muss, wie man es zum Beispiel von den Griechen verlangt, es geht jetzt darum, ob die USA noch mehr Schulden machen dürfen. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist jetzt mein Gesprächspartner. Guten Morgen, Herr Braml!

Josef Braml: Guten Morgen, Herr Ricke!

Ricke: Warum tut sich denn die US-Politk gerade so furchtbar schwer mit dieser Anhebung der Schuldengrenze? Das hat doch jahrzehntelange Tradition, den Deckel immer wieder hochzuheben!

Braml: Ja, wir haben bald wieder Wahlkampf – oder sind schon mittendrin, wenn man sich die Vorwahlkämpfe ansieht, und wir haben auch die letzten Wahlkämpfe in Erinnerung, bei diesen eben viele Tea-Party-Aktivisten, Abgeordnete, die mittlerweile im Kongress sitzen, angetreten sind, um den Staat so klein wie möglich zu machen. Und da kann man keine neuen Steuern gutheißen, um den Staat eben größer werden zu lassen.

Ricke: Auch, wenn man sich noch nicht einmal auf die neuen Steuern einigt: Man muss ja erst mal den Deckel anheben. Aber auch, wenn man das alles tut, es bleibt natürlich bei dieser gigantischen Verschuldung. Wir haben jetzt in Europa über viele Jahre immer staunend auf die US-Notenbank geschaut, die hat immer neue Brände mit immer neuen Geldfluten gelöscht. Funktioniert so eine Feuerwehr noch?

Braml: Das funktioniert so lange, so lange der Dollar als sicherer Hafen gilt. Sie haben es ja bereits anmoderiert, dass mittlerweile der Eheschmuck schon vielen als sicherer gilt als eben der Dollar. Viele in Harvard auch meinen, dass der Dollar so sicher sei wie Pearl Harbour im Sommer 1941. Das muss nicht so sein, aber man muss sich davor hüten, diese linearen Annahmen, die wir in der Vergangenheit hatten, vorzuschreiben. Bisher lebt Amerika ganz gut davon, dass eigentlich der Dollar noch als sicherer Hafen gilt. Alle anderen Länder wären schon längst in der Bredouille, müssten höhere Zinsen zahlen. Amerika hat diesen Luxus, dieses Privileg des Dollars. Es bleibt abzuwarten, wie lange dieses Grundvertrauen noch anhält.

Ricke: Warum gibt es denn dieses Grundvertrauen immer noch so nachhaltig?

Braml: Weil keine andere Leitwährung in Sicht ist. Der Renminbi ist, wenn man gutmütig hinsieht, eine regionale Währung. China versucht, das Ganze zu internationalisieren, um seinerseits aus der Dollarfalle herauszukommen. Andere Währungen wieder Euro zeigen auch Schwächen. Und solange der Euro noch unter Druck ist, denke ich, hat der Dollar eine Verschnaufpause.

Ricke: Immer mehr Geld, ausgegeben von der US-Notenbank. Bei Nichtanwachsen der Wirtschaftskraft – das ist ja volkswirtschaftlich leicht zu erklären, ich habe ein Pfund Butter, und es gibt immer mehr Geld, das bereit ist, dafür zu zahlen. Das heißt, das Geld wird weniger wert. Wie sehr betrifft denn das die Gläubiger der USA?

Braml: Das betrifft sie massiv. Die USA versuchen damit einerseits ihre Schulden loszuwerden, die exorbitant sind, andererseits, indem man eben Druck auf die eigene Währung macht, die billiger macht, versucht man auch, sich aus der Misere hinauszuexportieren. Amerikanische Güter werden damit billiger, es bleibt nur zu fragen, ob Amerika überhaupt noch etwas produziert, was die Welt dann auch konsumieren will. Selbst bei einem billigen Dollar. Diese Rechnung wird kurz bis mittelfristig vielleicht aufgehen, aber langfristig muss Amerika an sein Grundproblem herangehen, und das ist eine schwache Industrie, die darniederliegt, die man im Zuge der Tertialisierung, der Dritten-Sektorisierung, der Dienstleistungen im Privatsektor, im Finanzsektor dahinsiechen hat lassen. Dass dieser dritte Sektor auch nicht immer das Heilsversprechen sein muss, dass auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt, wissen wir seit der Wirtschafts- und Finanzkrise. Amerika muss wieder produzieren, wie Obama das sehr deutlich gesagt hat.

Ricke: Wirtschaftspolitik ist ja ein Thema im Wahlkampf. Wie wichtig ist denn dieses Thema für die Wähler.

Braml: Für die Wähler ist es, wenn keine weitere Sicherheitskrise eintreten sollte, das A und O. Bereits Obama wurde gewählt – nicht, weil man in ihm den stärkeren Oberbefehlshaber sah, da hätten die Amerikaner sicherlich John McCain gewählt, wenn das den Ausschlag gegeben hätte – nein, er wurde gewählt, weil man ihm zutraute, der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Einhalt zu gebieten. Das gelingt ihm nur mäßig, und mit der Blockade der politischen Gewalten, wie wir sie sehen, wird das umso schwieriger. Amerika wird bis auf Weiteres nicht mehr politisch handeln können durch weitere Wirtschaftsförderprogramme. Hier ist man auf Verderb und hoffentlich Gedeih auf das Handeln der Notenbank angewiesen, die eben hier durch weitere Finanzspritzen versuchen, Amerika aus dem Dilemma hinauszuschwemmen.

Ricke: Schauen wir mal aus europäischer Sicht noch etwas genauer hin. Was ist denn mit uns Europäern? Sollen wir uns über private und günstige Reisen in die USA freuen, oder müssen wir uns um unsere Exporte Sorgen machen?

Braml: Ja, das ist wie alles im Leben, es hat seine Vor- und Nachteile. Einerseits können sich die Deutschen dann billige IPads in Amerika kaufen, andererseits muss man aber besorgt sein, wenn man ja in einem Land lebt, das seinerseits große Schwierigkeiten hat, wenig Binnenkonsum hat, und vom Export lebt, dass eben hier ein großer Nachfrageblock einbricht, und wir müssen uns auch Sorgen machen, weil wir künftig mit Amerika konkurrieren werden – zum Einen, was die Exportmärkte in Asien angeht, zum anderen – und das zeigt sich bereits an durch diese Auseinandersetzung von Anlagestrategien zwischen Dollar und Euro – wir müssen uns Sorgen machen, wer denn unsere Schulden finanziert. Auch hierzulande haben wir Schulden oder wir versuchen schon wieder Geld auszugeben, das wir noch nicht haben.

Ricke: Genau in dieser Finanzkrise agiert Euro-Land ja sehr aktiv. Letztlich aber kann man es wahrscheinlich gar nicht ohne die Amerikaner. Wie weit wirkt sich denn das Verhalten der Amerikaner, deren Finanzpolitik, auf die Euro-Krise aus?

Braml: Ich denke, dass die Euro-Krise eine gewisse Zeit noch den Amerikanern gibt, um ihre Probleme in den Blick zu nehmen. Man kann ja argumentieren, dass die Euro-Krise die Probleme in Amerika verschärfen. Das sehe ich nicht so. Ich denke, solange Analysten und Medien hier diese europäische Sau durchs globale Dorf jagen, so lange halten sich eben dann die Märkte zurück, den Dollar genau ins Visier zu nehmen. Es gibt ja bereits Investmenthäuser wie PIMCO, die aus Dollaranleihen rausgegangen sind. Auch die Hauptanleger in Asien sind schon sehr nervös und wollen ihre Risiken diversifizieren. Ich gehe davon aus, dass viele jetzt die Gunst der Stunde nutzen werden und hier in Europa billiger anlegen, hier in den günstigen Euro investieren werden, und dann umgekehrt der Dollar noch mehr unter Druck kommen wird. Das bedeutet aber nichts Gutes für uns, denn ein teurer Euro ist ein größeres Problem als die derzeitige Lage.

Ricke: Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Vielen Dank, Herr Braml!

Braml: Ich danke Ihnen!

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