Internet-Flatrates

Schaffen wir eine Internet-Kultur-Abgabe!

Von Martin Rieke |
In der Diskussion um die Flatrate-Tarife der Telekom kommen die Kulturschaffenden nicht zu Wort. Doch ohne ihre Inhalte wären Flatrates überflüssig, findet der Hamburger Publizist Martin Rieke und fordert einen angemessenen Ausgleich für Urheber im digitalen Zeitalter.
Als vor dem Landgericht Köln darüber gestritten wurde, ob die Telekom noch Flatrate-Tarife verkaufen darf, die keine Flatrate mehr enthalten, kam wieder jemand zu kurz, der gar nicht am Tisch saß: die Kultur und die Kulturschaffenden.
Man stelle sich hierzu den Internet-Provider als einen Theater-Inhaber vor. Er öffnet dem Nutzer das Internet, um allerlei Darbietungen zu genießen. Wenn nun Telekom und Verbraucherzentrale um einen fairen Eintrittspreis streiten, ist das dem Publikum nur recht. Doch anders als auf der Bühne, bleiben die Künstler im Netz unbezahlt.
Erdreisten sie sich, vom virtuellen Intendanten Lohn zu fordern, antwortet er lapidar: Ich verkaufe nur die Karten für das digitale Theater; wenn Du eine Gage willst, wende Dich doch an das Publikum, das gestern Dir so schön applaudiert hat. Dies durchzusetzen, ist jedoch fast unmöglich. Der Kreative ist, wie es neulich ein Oskar-nominierter Regisseur in der "Süddeutschen" formulierte, de facto rechtelos.
Das Geld verdienen dagegen die Provider. Eine leere Bühne brächte ihnen nichts ein. Ebenso wie Schauspielhäuser sind auch sie auf attraktive Inhalte angewiesen. Ohne Inhalte wären Flatrates überflüssig – und Theater leer.
Eine Bezahlsperre würde die Telekom schmerzhaft spüren
Provider verdienen also unter anderem an fremden Leistungen, und das selbst dann noch, wenn diese illegal heruntergeladen werden, wie cirka 80 Prozent der Filme. Anderseits: wären alle Angebote mit einer Bezahlsperre belegt, würde dies die Telekom schmerzhaft im Datenvolumen spüren.
Der Streit um den Eintrittspreis ins Internet verstellt daher den Blick auf den viel fundamentaleren Rechtsstreit, den Kreativwirtschaft, Verwerter und Politik seit Jahren miteinander ausfechten: Wie können Urheber im digitalen Zeitalter einen angemessenen Ausgleich für ihre Leistung erhalten?
Hierzu hilft es einmal auszusprechen, dass der Versuch individuelle Urheberrechte im Netz durchzusetzen in weiten Teilen gescheitert ist. Denn unter Betreibern wie Nutzern ist eine Mentalität des Nehmens entstanden, als seien Inhalte kostenlos und deswegen vogelfrei. Hinzu kommen die globale Vernetzung und der Datenschutz. Eine vollständige Überwachung der Nutzung wäre ein Alptraum.
Kultur als Gemeinschaftsgut begreifen
Es ist daher an der Zeit das Missverhältnis von Gewinn hier und Leistung dort nicht nur als individuelles Problem, sondern auch als ein Gesellschaftliches zu begreifen. Es gilt der Gruppe der Kulturschaffenden das zurückzugeben, was auf deren Kosten eine andere Gruppe als Gewinn verbuchen kann. Hierzu könnten wir ausgerechnet von der Telekom lernen. So wie sie es geplant hatte, könnte jenseits eines Volumens der Grundversorgung ein nutzungsabhängiger Beitrag zusätzlich erhoben werden.
Die Gelder würden jedoch diesmal einem Kulturfonds zugeführt, welcher wiederum ohne bürokratischen Aufwand direkt den gemeinnützigen Organisationen der Bildung, Kunst und Kultur als Zuschuss zu Gute kommt. Dabei würde der Zuschuss an das Einwerben von Spenden gekoppelt, so dass das Geld auch dort ankommt, wo es die Menschen für wichtig erachten. Statt staatlicher Lenkung wird damit unmittelbar die Zivilgesellschaft gestärkt.
Wohlgemerkt: es würde ungerechtfertigter Gewinn abgeschöpft, nicht aber legalisiert werden, dass Urheberrechte verletzt werden. Darin und in der Methode der Verteilung der Mittel unterscheidet sich dieser Vorschlag von einer Kulturflatrate.
Übrigens, wenn wir Kultur als Gemeinschaftsgut begreifen, sind wir einer ähnlichen Lösung schon begegnet: Durch Umweltabgaben haben wir angefangen, die Kosten von Umweltschäden beim Verkauf von Waren mit einzubeziehen. Auch illegale Nutzung von Inhalten im Internet betreibt Raubbau. Raubbau an der Kultur, der beim Internet gleichermaßen einbezogen werden muss.
Schaffen wir also eine Internet-Kultur-Abgabe!

Martin Rieke
, Jahrgang 1971, ist selbstständiger Rechtsanwalt und Publizist in Hamburg. Studiert hat er an der University of Arizona und der Universität Hamburg. Der Autor kann unter Twitter: @MartinRieke erreicht werden.
Martin Rieke
Martin Rieke© Gaby Zimmermann
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