In Legionärsrüstung die Donau entlang

Von Michael Böddeker · 24.03.2010
Geschichtswissenschaftler arbeiten vor allem am Schreibtisch. Aber manchen ist das zu theoretisch. Zum Beispiel Josef Löffl, Nachwuchsforscher an der Uni Regensburg. Er selbst und einige Studenten wollen demnächst als Gladiatoren kämpfen.
Nein, so wie im Film "Gladiator" geht es nun wirklich nicht zu beim Gladiatoren-Projekt an der Regensburger Universität. Im Hörsaal füllen Studenten gerade Papierbögen aus. Einige von ihnen sollen in den nächsten Monaten eine Ausbildung zum Gladiator durchlaufen.

Löffl: "Also gerade werden die Probanden und die Vergleichsgruppe einem Psychologietest unterzogen, um vor allem diesen Faktor festzustellen, wie etwa der Aspekt der Gewaltbereitschaft, ob der durch dieses Vorhaben beeinflusst wird."

Althistoriker Josef Löffl hat für das Gladiatoren-Projekt verschiedene Fachrichtungen zusammengeführt. Psychologen sollen feststellen, ob die Studenten durch das Gladiatoren-Training gewaltbereiter werden. Die Kämpfe in den Amphitheatern der Römerzeit waren schließlich oft sehr blutig. Josef Löffl arbeitet gerne interdisziplinär.

"Also ich würde mich nie erdreisten zu sagen, ich bin Sportwissenschaftler und Psychologe und dergleichen. Davon habe ich schlichtweg keine Ahnung. Aber wenn ich keine Ahnung habe, gehe ich einfach hin und kontaktiere die Kollegen und frage: 'Wie würdet Ihr das machen?' ( ... ) ob es die Paläobotanik ist, Archäozoologie, Anthropologie, die Medizin, die Sportmedizin in dem Fall, Sportwissenschaft, Psychologie ( ... ) man muss die Leute einfach nur aufsuchen. ( ... ) Und nur durch diese Vernetzung ist es möglich, ein umfangreiches Bild dieser Lage zu zeichnen."

Geschichtswissenschaftler arbeiten üblicherweise vor allem am Schreibtisch, aber nicht alles lässt sich theoretisch klären. Josef Löffl setzt deshalb auf praktische Experimente. Das Ziel:
"Einen Eindruck davon zu gewinnen, wie es gewesen sein könnte. Das ist das Maximum, einen Eindruck zu gewinnen. Aber dieser Eindruck ist schon wesentlich mehr wert, als wenn man den Studenten einfach (...) mit der Museumsvitrine konfrontiert."

Josef Löffl ist 29 Jahre alt. Er trägt einen kurzen dunklen Vollbart, und auf der Nase eine Brille mit dickem, dunkelroten Gestell. Fleece-Jacke und Rucksack tragen das Logo einer Wander- und Treckingmarke.
"Einen gewissen Naturbezug muss man haben, um solche Sachen umsetzen zu können. Also man muss jetzt nicht der große Pfadfinder sein oder dergleichen, aber wenn man keinerlei Vorliebe für so was hat, dann sollte man die Finger davon lassen."

Geboren in Bad Kötzing und aufgewachsen in einem kleinen Dorf im bayrischen Wald, war er schon früh fasziniert von der Experimentellen Archäologie. Das große Vorbild: Marcus Junkelmann, der in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt wurde, als er die Alpen überquerte – in der Ausrüstung eines römischen Legionärs.
"Ich war damals noch ein kleiner Junge. Und mich hat das damals so beeindruckt, dass diese Dinge, die nur theoretisch behandelt worden sind, dass man die in die Praxis umsetzen kann."
Trotzdem war die Entscheidung, diesen Weg auch beruflich einzuschlagen, nicht ganz leicht. Denn andere Fächer bieten weitaus mehr Sicherheit.
"Wer benötigt schon einen Altertumswissenschaftler? (...) Einen Tag, bevor ich mich hier an der Uni eingeschrieben hab, habe ich mich dann entschieden: Ich gehe jetzt den gefährlichen Weg, den Weg wo Dich dann jeder für verrückt erklärt, mehr oder weniger."

Geschichte, Latein, Archäologie: Viel Stoff fürs Studium. Nur abends blieb noch Zeit für andere Projekte – als Ausgleich, wie Josef Löffl sagt. So entstand auch die Idee, mit einer Gruppe weiterer Mitstreiter als Legionäre in voller Montur 500 Kilometer an der Donau entlang zu marschieren. Die wochenlange Tour war von großem Medieninteresse begleitet.

"Da können die skurrilsten Dinge passieren. Etwa, wenn Sie eine Fußgänger-Autobahnbrücke überqueren, dass Sie da innerhalb von fünf Minuten einen gewaltigen Stau auslösen. Weil die Leute meinen, sie sind im falschen Film. Sie müssen sich einmal überlegen: Sie sind gerade unterwegs, und plötzlich taucht da zu Ihrer rechten Seite eine Gruppe römischer Legionäre auf."

Inzwischen hat der Althistoriker seine Doktorarbeit hinter sich, und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Regensburger Uni.
Die Studenten haben den Hörsaal verlassen. In der Sporthalle nebenan geht es weiter. Hier stehen schon einige offene Kisten, darin: metallene Helme, Schilder und Schwerter für die verschiedenen Gladiatorentypen. Es sind Nachbauten der antiken Rüstungen.

Löffl im Gespräch mit den Studenten: "'Hier, die Lederwenzel müssen gefettet werden, sonst reißen die. Bist Du schon damit gesprungen?' - 'Ja.' - 'Wie war das? Das darf hier kein Spiel haben, ...'"
Josef Löffl überprüft den Sitz eines Beinschoners. Was nicht sitzt, muss festgebunden werden – natürlich nur mit Materialien, die auch zur Zeit der Römer zur Verfügung standen.
In der Sporthalle stehen Fitnesstests an. Später, während und nach dem Gladiatorentraining, wird getestet, wie sich die Leistungsfähigkeit verändert. Ob die Muskeln wachsen wie bei Russel Crowe im Film "Gladiator"?

Josef Löffl sieht sich solche Filme gerne an, obwohl sie nicht unbedingt realistisch sind, wie er anmerkt. Er selbst möchte im Sommer auch am Training teilnehmen. Im August wollen die Gladiatoren-Azubis einen ganzen Monat abgeschottet von der modernen Welt trainieren, und danach auch in einem Amphitheater kämpfen.

Auf längere Sicht würde Josef Löffl die Experimentelle Archäologie gerne zu einer eigenen Fachrichtung machen.

Bis es möglicherweise eines Tages soweit ist, heißt es für Josef Löffl aber erstmal: zurück ins Büro. Denn sein Alltag unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem aller Historiker.
"Den Tag heute widmen wir ganz dieser experimentellen Schiene. (...) Das ist aber kein Alltag. Alles andere als Alltag sogar. Leider! (Lacht.)"