IHK: Tausende Betriebe in Niederbayern durch Hochwasser pleite

Moderation: Jan-Christoph Kitzler |
Die Industrie- und Handelskammer Niederbayern hat in einer vorläufigen Bilanz des Hochwassers den Schaden in ihrer Region auf mehrere Hundert Millionen Euro beziffert. IHK-Hauptgeschäftsführer Walter Keilbart sagte, noch gebe es keinen endgültigen Überblick über die Schäden. Er rechne aber mit 3000 bis 4000 Betrieben in Niederbayern, die jetzt pleite seien.
Jan-Christoph Kitzler: Kräftige Menschen, die braucht man auch in den deutschen Hochwassergebieten. Während die Fluthelfer an der Elbe immer noch um die Deiche kämpfen und versuchen, Menschen und Häuser vor den Wassermassen zu schützen, wird an der Donau schon aufgeräumt. Und dort wird auch zusammengerechnet, was denn alles zerstört wurde, wie groß die Verluste sind. Klar ist nur, das ist nicht zuletzt auch ein enormer wirtschaftlicher Schaden, der da entstanden ist, und viele Unternehmer, die von der Flut geschädigt sind, müssen sich große Sorgen machen um ihre Existenz.

Wir wollen nun eine Hochwasserbilanz zu ziehen und versuchen, im Südosten Bayerns mal aus der Sicht der Wirtschaft mal etwas Klarheit zu schaffen. Ich bin verbunden mit Walter Keilbart, dem Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Niederbayern mit Sitz in Passau. Schönen guten Morgen!

Walter Keilbart: Einen schönen guten Morgen!

Kitzler: An einigen Orten, zum Beispiel in Deggendorf, steht ja immer noch die braune Brühe. In Passau, bei Ihnen, laufen die Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Haben Sie denn schon einen Überblick, wie groß die Schäden sind in Ihrer Region, oder ist es dafür noch zu früh?

Keilbart: Einen endgültigen Überblick kann man natürlich noch nicht haben, insbesondere kann man es nicht detailgenau beziffern, aber genau das ist ja auch das Kernproblem dabei. Es gibt viele, viele Leute, die einfach in den existenziellen Situationen einfach da stehen und sagen, wir müssen mal schauen, dass wir die Produktionsräume, die Büroräume, die Wohnungen wieder einigermaßen frei kriegen.

Das ist das, womit letztendlich alle noch derzeit beschäftigt sind, und das ist, glaube ich, auch ganz gut so, denn wollte man im Detail da also rangehen, dann wäre es schwierig. Aber die Gesamtsummen, über die wir hier reden, sind sicherlich mehrere hundert Millionen Euro, und das ist eben schon eine Größenordnung, wie wir sie eigentlich bis dato aus Deutschland bei Naturkatastrophen dieser Art und Weise nicht kennen.

Kitzler: Viel war ja die Rede von den Soforthilfen für Flutopfer, zum Beispiel für Familien, die betroffen sind, aber wie wird denn zurzeit eigentlich den betroffenen Unternehmern geholfen?

Keilbart: Ja, die betroffenen Unternehmer haben auch einen Anspruch auf eine Soforthilfe, das ist in der Tat so, und zwar in der Tat auch mit ein bisschen mehr Geld. Das sind 5000 Euro, die letztendlich über die Bezirksregierung beziehungsweise über die jeweiligen Kreisverwaltungsbehörden ausgezahlt werden.

Wir sind ein Stück weit bei der Erhebung dieser Schäden mit eingebunden. Es gibt verschiedene Teams, die dann auch in den Betrieben draußen sind, die bei den Erfassungsbögen mithelfen, bei den Anmeldeunterlagen. Das sind Themen, da geht es um Finanzierungsbedarf, es geht natürlich um den Themenbereich Gutachter und Sachverständige, die ja in dem Rahmen auch Schäden aufnehmen müssen.

Aber es geht zunächst einmal darum, ganz banal wieder die Wasserversorgung sicherzustellen, die Stromversorgung sicherzustellen. Sie können keine Pumpe einsetzen ohne Strom, Sie können keine Trocknungsanlage einsetzen, wenn Sie keinen Strom im Haus haben. Diese Dinge - und viele, viele der Sicherungskästen, der Schütze sind eben kaputt gegangen.

Da bedarf es also einer Fülle von Initiativen. Da werden dann Bautafeln von bestimmten Bauunternehmungen zur Verfügung gestellt, um diese Form von Notstrom wenigstens hinzukriegen.

Kitzler: Was kann denn zum Beispiel ein Schreiner tun, der einen kleinen Betrieb hat mit Angestellten, der überflutet wurde? Der muss ja die Gehälter weiter zahlen. Der braucht vielleicht neue Maschinen, neues Material - das kann der doch alles nicht alleine stemmen?

Keilbart: Das ist genau der Punkt, um den es in der Tat geht. Natürlich sind ein Teil dieser Schäden versicherbar gewesen, aber wer hat schon eine Betriebsunterbrechungsversicherung? Jedenfalls in den breiten Bereichen, die wir da haben, das ist ja nicht nur die unmittelbare Uferlage zu unseren Flüssen, sondern das geht deutlich darüber hinaus.

Und insofern, Sie haben vollkommen recht, die Kosten bleiben. Sie müssen eben letztendlich weiter zahlen, in allen möglichen Bereichen, aber sie haben keine Einnahmen. Und insofern geht es darum, also zinslose Kredite zur Verfügung zu stellen, die dann letztendlich auch in bestimmten Bereichen wahrscheinlich tilgungsfrei gestellt werden können und die möglicherweise auch durch die große, große - das muss man sagen - Solidarität aller Menschen auch mit den verschiedenen Spendenaktivitäten ein Stück weit Entlastung erhalten.

Aber, wie weit das tatsächlich jedem Einzelnen so weit wirklich helfen kann, dass er seinen Betrieb aufrechterhalten kann oder weiterführen kann, das ist durchaus fraglich, und das ist letztendlich so ein bisschen die Frage der inneren Seite der Menschen: Wie viel Mumm kriegt man denn zusammen, um wieder von vorne anfangen zu können? Das ist nicht so ganz ohne.

Kitzler: Sie haben ja das Thema Versicherungen schon kurz angesprochen: Ist das nicht auch ein Anlass, diese Katastrophe, jetzt noch mal über Vorsorge zu reden? In vielen Gegenden bekommt man ja gar keine Versicherung gegen solche Elementarschäden wie eine Flut, aber ist das nicht ein Thema, wo die Unternehmer mehr tun müssen eigentlich?

Keilbart: Ja nun, da muss man der Ehrlichkeit halber sagen, der eine oder andere hat das getan, und zwar in einem nicht unerheblichen Maße. Es gibt in Deggendorf eine große Firma, die hat nach der 2002-Flut über drei Millionen Euro selber in die Hand genommen, glücklicherweise, und hat so nicht zuletzt dazu beigetragen, dass die Innenstadt von Deggendorf nicht gänzlich überflutet worden ist.

Aber das kann auch nicht jeder, und in bestimmten Bereichen ist es in der Tat so, dass man nicht ganz unmittelbar in allen Sektoren diese Sicherung einbauen kann, das heißt, Sie haben recht, es geht darum, größere Rückzugsräume zu schaffen, in den Oberlauf der Ströme in intensiverer Art und Weise das hinzukriegen. Wir haben das in Teilbereichen, aber das ist sicherlich notwendig, dies intensiv auszubauen.

Aber das ist eben alles nicht so ganz einfach, denn wenn damit dann landwirtschaftliche Fläche überflutet, denn damit natürlich möglicherweise Siedlungsgebiete eingegrenzt werden, dann hat das alles Konsequenzen auch für Einzelne, die derzeit dann dazu oder darauf hinauslaufen, dass man einfach in der Tat umdenken muss und zurückbauen muss.

Kitzler: Mit wie vielen Pleiten rechnen Sie nach der Katastrophe?

Keilbart: Im Prinzip sind die Pleiten doch in einer Größenordnung, dass wir sicherlich von, ich schätze mal 3000, 4000 ausgehen müssen, insbesondere Kleingewerbetreibende, die dort natürlich insbesondere in ihrer Ausstattung so betroffen sind, dass sie wirklich ganz von vorne anfangen müssen.

Üblicherweise wächst ein Betrieb ja. Sie wissen das, ein Existenzgründer beginnt mit einer kleinen Ausstattung und dann, Stück für Stück, baut er das auf, aber man muss dann eben jetzt wieder neu anfangen. Und diesen Wachstumsprozess, der häufig über fünf, zehn, fünfzehn Jahre gelaufen ist, den kann man nicht ad hoc wieder aufgreifen oder kann man nicht sofort durchstarten.

Also da wird es schon den einen oder anderen geben, der dann auch sagt, ich kann und ich will nicht mehr. Das ist höchst bedauerlich und ganz schlimm, und wir versuchen, genau in den Fällen auch mit unseren Betriebsberatern vor Ort einfach darauf hinzuwirken, dass nicht zu schnell das Handtuch geworfen wird.

Kitzler: Die Flutkatastrophe und ihre Auswirkungen im Südosten Bayerns. Das war Walter Keilbart, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern mit Sitz in Passau. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, und weiter frohes Schaffen!

Keilbart: Danke sehr, wir brauchen das wirklich!


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