Hitler und der Heilige Stuhl

Von Peter Hertel · 20.07.2008
Seit dem Untergang der alten Monarchien in Deutschland bemühte sich der Heilige Stuhl, mit den nachfolgenden Regierungen neue Kirchenverträge zu schließen. Mit der Weimarer Republik war dies nicht möglich. Das änderte sich 1933, als das deutsche Volk die Macht auf Hitler übertrug. Am 20. Juli 1933 wurden das sogenannte Reichskonkordat unterzeichnet, das bis heute eine der Grundlagen des deutschen Staatskirchenrechts ist.
20. Juli 1933, elf Uhr. Vier Politiker des Deutschen Reiches und vier Kirchenpolitiker des Heiligen Stuhls haben sich im Kongregationssaal des vatikanischen Staatssekretariates eingefunden. Am Kopf des Tisches thront Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, der Papst Pius XI. vertritt. Auf der rechten Tischseite, neben Pacelli, sitzt Franz von Papen, Vizekanzler in Hitlers Kabinett. Mit antik stilisiertem Federkiel unterzeichnen Papen und Pacelli einen bilateralen Vertrag, der als Reichskonkordat in die Geschichtsbücher eingeht.

Seine Heiligkeit Papst Pius XI. und der Deutsche Reichspräsident haben beschlossen, eine feierliche Übereinkunft zu treffen, welche eine in den Grundsätzen einheitliche Behandlung der einschlägigen Fragen sichern soll.

Ein Konkordat ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den der Vatikan, exakter: der Heilige Stuhl, mit einem staatlichen Partner schließt. Das Reichskonkordat von 1933 befindet in 34 Artikeln unter anderem:

- Der katholische Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an den Schulen.
- Geistliche dürfen in politischen Parteien nicht tätig zu sein.
- Die katholischen Vereine werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.


Für Hitler, seit einem halben Jahr Reichskanzler, war dieses Konkordat der erste bedeutende internationale Vertrag. Außen- und innenpolitisch brachte er ihm Ansehen und Geltung. Am Tage der Veröffentlichung hielt der Diktator gar eine Rundfunkrede - als, so die Ansage, "Führer der nationalsozialistischen Bewegung":

"Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass damit auch für Deutschland eine endgültige Klärung zur freien Vereinbarung über die Aufgabengebiete des Staates und dieser einen Kirche eingetreten ist."

Hitler feierte das Reichskonkordat schon deshalb als Sieg, weil die katholische Kirche ihn von einem Bann befreit hätte: er selber und seine Partei würden nicht länger als unchristlich und unkirchlich abgestempelt.

Aber auch die Kirche sah das Konkordat als Geschenk des Himmels. Überall in Deutschland fanden Dankgottesdienste statt. Denn ein Ziel vatikanischer Diplomaten ist es, durch Konkordate die kirchliche Institution abzusichern - und den Kirchenmitgliedern einen Freiraum zu verschaffen, so dass sie, auch zu Zeiten politischer Bedrohung, ihre Religion ausüben können. Deshalb hat katholische Kirchendiplomatie schon immer mit den jeweiligen Machthabern zusammengearbeitet - mit Diktatoren und Tyrannen, mit Monarchen und Demokraten. Weitgehend ausgeklammert blieb dabei die moralische Frage, ob sich eine christliche Kirche so in die Politik verstricken darf, dass sie vielleicht an Untaten der Machthaber mitschuldig wird.

Der Kölner Historiker Rudolf Lill, ein Spezialist für den Vatikan und das Kirche-Staat-Verhältnis, sieht noch einen weiteren Grund auf vatikanischer Seite:

"Es kam aber auch die Furcht hinzu, dass das Dritte Reich sich weiterhin zu einer radikaleren, totalitäreren Substanz entwickeln würde, und da hat man wohl auch schon im Frühjahr 1933 in Rom gesagt, wir müssen gerade jetzt ein Konkordat abschließen, weil es uns Rechtspositionen gibt, von denen das Regime nicht so leicht abkommen kann."

Trotzdem: Genützt hat das Konkordat der Kirche so gut wie nichts. Fast alle Rechtspositionen, die es sichern sollte, insbesondere die Schutzbestimmungen für die katholischen Vereine, wurden von den Nazis unterlaufen. Schließlich hatte Hitler schon 1928 wissen lassen:

Wenn ich einmal zur Macht gelangt bin, wird die katholische Kirche nichts zu lachen haben; aber um zur Macht zu gelangen, kann ich ihre Hilfe nicht entbehren.

Das Reichskonkordat ist der einzige große völkerrechtliche Vertrag, der die Nazi-Diktatur überlebt hat. Er hat Rechtskraft in der Bundesrepublik Deutschland. Einige Bestimmungen, zum Beispiel die Garantie der allgemeinen Kirchenfreiheit, gelten - aus paritätischen Gründen - sogar auch für andere Konfessionen. Wieder andere Bestimmungen sind überholt, beispielsweise Artikel 30. Er legte fest, dass nach den Sonntagsgottesdiensten für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes zu beten sei. Von Kritikern wurde dies bissig "das Führergebet" genannt.