Historiker fordert Bürgerbekenntnis

Gegen die Staatsverachtung

Rechtsorientierte Demonstranten bei einer Kundgebung im Bahnhofsviertel in Köln halten eine Deutschlandfahne hoch, auf der ein Mann mit Basecap und vermummtem Gesicht zu sehen ist, aufgenommen am 18.08.2018
Wer dem Staat seine Rechte abspricht, der will auch die Demokratie und die Freiheit deformieren oder zerstören, kommentiert Tillmann Bendikowski. © picture alliance/Geisler-Fotopress/Christoph Hardt
Ein Appell von Tillmann Bendikowski · 26.11.2018
Es herrscht ein zunehmend verächtlicher Ton gegenüber staatlichen Institutionen, beobachtet der Historiker Tillmann Bendikowski. Eine gefährliche Truppe von Brandstiftern rüttele am Gewaltmonopol des Staates. Deshalb sei jetzt der Bürger gefordert.
Es ist eine illustre Runde, die sich da am Lagerfeuer der Staatsverachtung versammelt hat. Grundverschieden in ihren Lebensentwürfen, wärmen sie sich einträchtig an den Flammen gemeinsamer Feindschaft gegen "den Staat", den sie verachten und verspotten: Da steht ein kampfeslustiger junger Autonomer, der das Gewaltmonopol des Staates verlacht und vom G-20-Gipfel in Hamburg so stolz erzählt wie einst der Opa von Stalingrad.
Daneben ein in die Jahre gekommener, schon etwas muffig riechender Reichsbürger, der den Staat ignoriert und deshalb seinen selbstgebastelten Reisepass ebenso bei sich trägt wie eine stets geladene Waffe. Sodann zahlreiche religiöse und nationale Fundamentalisten, die als letzte Wahrheit und Autorität nur ihren Glauben oder ihre geliebten Führer akzeptieren, und zudem reiben sich da auch noch ein paar Neoliberale und immer mehr AfD-Anhänger die Hände.

Institutionen sind Lebensversicherung für die Demokratie

Es wäre zu gefährlich, diese nach Rauch riechende Truppe einfach zu ignorieren. Denn der Staat, den sie da im Visier haben, ist ja nicht ein Ziel wie andere auch. Er ist eine historische Errungenschaft, soweit er funktioniert und geachtet wird – dies gilt angesichts der deutschen Geschichte gerade für unser Land.
Muss man wirklich daran erinnern, dass intakte politisch-administrative Institutionen eine Lebensversicherung für Freiheit und Demokratie darstellen? Dass die Verfassung und das Gesetz, die Regierung und die Justiz auf einer loyalen Verwaltung ruhen?

Die Kultur staatlichen Handelns ist intakt

Dieser Staatsapparat funktioniert nicht überall gut, gerade die vergangenen Sparmaßnahmen haben zuweilen zu Funktionsverlusten geführt. Lange Wartezeiten auf Ämtern und erkennbarer Personalmangel sind bekannte Ärgernisse.
Zudem zeigt der Fall Maaßen, dass mancher schlicht vergessen hat, wie man sich als Staatsdiener aufzuführen hat – vom sächsischen LKA-Mitarbeiter mit seinem albernen Deutschland-Hütchen, der ein Fernseh-Team anpöbelt, einmal ganz zu schweigen. Aber trotz solcher individuellen politischen Kontrollverluste darf man konstatieren, dass die Kultur staatlichen Handelns weitgehend intakt ist.

Eine gefährliche Truppe von Brandstiftern

Aber auch die Bevölkerung muss mitmachen: Steuern zahlen ist ein Akt der Solidarität und keine Strafe – das ist hingegen ihre Hinterziehung oder die Annahme illegaler Parteispenden. Auch wer geschehenes Unrecht nicht vor ein ordentliches Gericht bringt, sondern lieber im Familienkreis oder einem innerkirchlichen Gremium verhandelt, begeht zusätzliches Unrecht und zersetzt unsere Staatlichkeit.
Und ob man nun Polizisten mag oder nicht – sie setzen schlicht die Rechtsordnung durch. Dass sie neben ihren Rechten auch Pflichten haben und deshalb steter Kontrolle unterworfen sind, zeugt von der erfolgreichen Zivilisierung unseres Staatsapparates.
Wer das Gewaltmonopol des Staates ignoriert, wer diesem Staat seine Rechte abspricht, der will auch die Demokratie und die Freiheit deformieren oder zerstören. Am Lagerfeuer der Staatsverachtung stehen nicht ahnungslose pubertierende Jugendliche, sondern eine gefährliche Truppe von Brandstiftern an unserer Zivilisiertheit. Sagen wir ihnen, dass wir sie durchschaut haben und löschen wir ihr Feuer mit unserem Bekenntnis zu unserem – ja: System. Der Staat schützt seine Bürgerinnen und Bürger – Zeit, dass wir uns revanchieren.

Tillmann Bendikowski, geboren 1965, Historiker und Journalist, ist Leiter der Medienagentur Geschichte in Hamburg. Er verfasst Beiträge für Printmedien und Hörfunk und betreut die wissenschaftliche Realisierung von Forschungsprojekten und historischen Ausstellungen. Für das Museum »Varusschlacht im Osnabrücker Land« realisierte er die Sonderausstellungen »Theodor Mommsen« (2003) sowie »Gesprochen, geschrieben, gedruckt. Wie die Rede auf die Varusschlacht kam« (2007). Er verfasste u.a. »Der Tag, an dem Deutschland entstand. Geschichte der Varusschlacht« (2008), »Friedrich der Große« (2011) und »Sommer 1914« (2014). 2016 veröffentlichte ein Buch über "Helfen. Warum wir für andere da sind", das ein großes Medienecho fand.

© C.Bertelsmann
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