Historiker Bernd Roeck über die Renaissance

"Wir stehen in einem ähnlichen Umbruch"

Ein Besucher betrachtet in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) die Bilder von Adam und Eva um 1508/10 des Renaissance-Maler Lucas Cranach d. Ä..
Zuflucht im Museum: Bernd Roecke vermutet, dass viele Menschen sich schöne Bilder aus der Renaissance ansehen, um mit der Moderne fertig zu werden. © dpa / Federico Gambarini
Bernd Roeck im Gespräch mit Katrin Heise · 07.10.2017
"Gesichter der Renaissance", "Boticelli Renaissance", "Tintoretto – A Star was Born": Die Renaissance hat Konjunktur in Museen. Den Historiker Bernd Roeck wundert das nicht. Er erkennt Parallelen zur heutigen Zeit.
Historiker Bernd Roeck, der selbst ein Buch über die Renaissance geschrieben hat ("Der Morgen der Welt"), sieht in diesem Zeitalter den "Anfang der modernen Welt": Damals seien neue Techniken wie der Buchdruck entstanden, der das Leben der Menschen tief und für immer verändert habe. Er vermutet: "Vielleicht sind wir jetzt gerade in einer Revolution, die das alles wieder etwas verändert." Daher also das Interesse an der Welt von damals?
"Es mag sein, dass wir heute in einem ähnlichen Umbruch stehen, wie ihn die Menschen im 15. Jahrhundert erlebt haben. Ich glaube aber, dass das Interesse für die Renaissance oder für Geschichte allgemein - das hat natürlich auch mit Verunsicherung durch die Modernisierung zu tun. Das ist vielleicht manchmal eine Flucht - eine Flucht in Dinge, die schön sind, an denen man sich erfreut, manchmal auch eine Flucht in das Geheimnisvolle."

Menschen suchen Zuflucht vor Modernisierung

So habe Leonardo da Vinci die Menschen von jeher fasziniert: Er gebe ihnen die Möglichkeit, "etwas anderes zu sehen als nur Schrecken und Veränderung, raschen Wandel". Das sei ein wichtiger Punkt: "dass wir in einer Moderne leben, die viele Menschen nicht mehr verstehen und die sie dazu bringt, dann Zuflucht in der Vergangenheit zu suchen oder von mir aus auch in seltsamen oder radikalen Parteien."

Bei der Frankfurter Buchmesse haben wir ausführlich mit Bernd Roeck über sein Buch gesprochen:
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Einen grundlegenden Unterschied zur Renaissance sieht Roeck im Religiösen:
"Wir haben alles andere als diese intensiven religiösen Bindungen und auch die Möglichkeiten, uns mit der Religion zu trösten, die das 15., 16. Jahrhundert selbstverständlich hatten. Die Vorstellung einer heidnischen Renaissance ist falsch. Die meisten Menschen waren sehr gläubig damals. Diese einfache, klare Möglichkeit, die ist für sehr viele Menschen heute nicht mehr gegeben. Diese Bindungen haben sich gelöst. Daher kommt es, dass man ganz andere Wege geht und versucht, mit der Moderne fertig zu werden. Also ins Museum zu gehen und sich zu erfreuen an schönen Bildern, ist sicher die harmlosere Variante. Es gibt auch weniger harmlose."
(bth)

Bernd Roeck: "Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance"
Verlag C.H. Beck, München 2017
1304 Seiten, 44 Euro

Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum ist bis 28. Januar 2018 die Ausstellung "Tintoretto - A Star Was Born" zu sehen.

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