Handy-Software für das Geschäft

Von Dirk Asendorpf |
Die Zeiten, in denen Geschäftsprozesse zwischen Einzel- und Großhändlern noch per Telefon abgewickelt wurden, sind hierzulande längst vorbei. Bestellung und Abrechnung werden mit internetbasierter Software erledigt. Im ländlichen Afrika sind Computer und Internetzugang dagegen noch Mangelware. Die einzige Kommunikationstechnik, die hier zuverlässig funktioniert, ist das Mobilfunknetz. Dass sich auch Handys für moderne elektronische Geschäftsabläufe eignen, zeigt ein Pilotprojekt in Südafrika.
Maismehl, Waschpulver, Mayonnaise, Reis, ein paar Konservendosen, Kaugummi, Kekse, Weißbrot - 20 bis 30 verschiedene Produkte hat ein typischer Tante-Emma-Laden im ländlichen Südafrika im Angebot. Sesina Mabuza betreibt einen dieser sogenannten Spaza-Shops in einem abgelegenen Dorf der Limpopo-Provinz.

"Wenn ich Nachschub brauche, muss ich ein Sammeltaxi in die Stadt nehmen und kann dann im Großmarkt nur so viel einkaufen, wie in einen Sack passt, den ich gerade noch tragen kann, erklärt sie in ihrer Muttersprache Sepedi. Das ist sehr mühsam und teuer."

Mabuza hat das Ernest Ngassam erzählt, einem Mitarbeiter der Forschungsabteilung des deutschen Software-Multis SAP. Von seinem Büro in Südafrikas Hauptstadt Pretoria aus leitet Ngassam ein Projekt, das die schwere Arbeit der Spaza-Betreiber erleichtern soll.

"Wenn sie immer losziehen und Ware in sehr kleinen Mengen einkaufen, dann machen sie kaum Profit. Außerdem verlieren sie Umsatz, wenn sie ihren Laden dafür einen ganzen Tag lang schließen müssen. Und sie riskieren auch noch, dass ihnen das Bargeld unterwegs geklaut wird."

Anstatt selber in die Stadt zu fahren, können Sesina Mabuza und einige benachbarte Spaza-Shop-Betreiber ihre Waren jetzt einfach mit dem Handy bestellen. Wie das geht, demonstriert Ngassams Chef Jan Eloff:

"Der Spaza-Shop-Betreiber lädt einen bebilderten Katalog auf sein Handy. Wenn er dann etwas bestellen will, braucht er weder Maus noch Tastatur. Er tippt einfach hier zum Beispiel auf das Bild mit der Bohnen-Dose. Daneben steht der Preis, hier 2 Rand 16. Und das war’s schon."

Die Software bündelt die per SMS oder mobilem Internet an einen zentralen Rechner übertragenen Bestellungen aller Spaza-Shops im Projektgebiet und leitet sie an den Großhändler weiter. Der gewährt einen Mengenrabatt und schickt seinen Laster mit den Waren direkt zu den Läden. Damit sich der Fahrer ohne Straßenadressen, die es in Südafrika auf dem Land nirgendwo gibt, nicht verirrt, weist ihm sein Handy den rechten Weg.
"Die Software stellt alle Bestellungen zusammen und errechnet daraus eine optimale Route für die Belieferung. Sie wird als Karte dargestellt und von jedem Laden gibt es ein Foto. Außerdem sieht der Fahrer den Status aller Bestellungen: Dieser Laden hat zum Beispiel Bohnen bestellt. Aha, das ist also, was ich dort ausladen muss."

Wenn sich die Spaza-Shops und der Großhändler für Einkauf und Belieferung elektronisch vernetzen, profitieren davon beide Seiten. Und sie haben die Chance, den Umgang mit Bargeld zu reduzieren, der bisher dazu geführt hat, dass Lieferanten entlegene Läden nur sehr ungern beliefern.

"Wir nennen das Cash on Delivery, Geld wird in dem Moment bezahlt, wo abgeliefert wird. Und da sagt man sich natürlich: gerade in einem Land wie Südafrika mit einer hohen Kriminalität und entsprechenden Problemen, dass da natürlich auch mobile Bezahlsysteme eine Rolle spielen. Non-cash-payments nennen wir das im Englischen."

Der Informatiker Carsten Friedland stammt aus Südafrika und ist jetzt in der Karlsruher SAP-Forschungsabteilung für die wissenschaftliche Begleitung das Projekts zuständig. Im Umstieg von Bargeld zu bargeldlosem Zahlungsverkehr sieht er auch eine Chance für die Spaza-Shops, ihr Sortiment zu erweitern und wirtschaftlich zu wachsen.

"Ich kann erkennen: ein Spaza Shop hat jedes mal bezahlt, wenn er etwas bestellt hat, dann ist das ja auch ein Weg hin zur Kreditwürdigkeit. Warum lasse ich den dann nicht einfach einmal im Monat im Nachhinein bezahlen, das ist ja schon eine erste Finanzdienstleistung."

Der Umsatz jedes einzelnen Spaza-Shops beträgt nur wenige hundert Euro im Jahr, doch zusammengenommen sorgen sie für einen ernstzunehmenden Teil der südafrikanischen Wirtschaftsleistung. Und daran will der deutsche Software-Multi gerne mitverdienen.

"Es geht hier um neue Märkte. Und wir glauben eben, dass man mit solchen Mechanismen es schafft, eine Brücke zu schlagen zwischen der etablierten Wirtschaft und der informellen Wirtschaft und genau dieses schafft Wertschöpfungsketten. Und wo ökonomische Anreize bestehen und diese dann auch tatsächlich genutzt werden können, da gibt es auch Geld zu verdienen."

Südafrika ist dafür das ideale Experimentierfeld. Davon ist Vusi Mweli überzeugt. Er ist im Außenministerium für die Anbahnung internationaler wirtschaftlicher Kooperationen zuständig.

"In unserem Land haben wir die Infrastruktur der Ersten Welt, in einigen Gebieten aber Zustände wie in der Dritten Welt. Wirklich gute Lösungen schaffen es, diese beiden Seiten zu integrieren."

Und wenn sie im Spaza-Shop von Sesina Mabuza funktionieren, dann eignen sie sich auch als Exportprodukt für den Rest des großen afrikanischen Kontinents.